DAZ aktuell

Zyto-Prozess bleibt bei der Wirtschaftsstrafkammer

BAK-Präsident Kiefer empört sich in BamS – Ärzte und Apotheker suchen Lösungen

STUTTGART (hfd/daz) | Der Prozess gegen den Bottroper Zyto-Apotheker Peter S. ist in dieser Woche fortgesetzt worden – und ein schnelles Ende nicht in Sicht. Das Landgericht Essen, das am 17. November bereits den Antrag auf Verlegung des Prozesses an ein Schwurgericht zurückgewiesen hatte, hat vielmehr weitere Verhandlungstage festgesetzt. Voraussichtlich wird das Verfahren mindestens bis März 2018 andauern.

Die Anwälte der Nebenkläger, die – anders als die Staatsanwaltschaft – Tötungsdelikte im Vordergrund sehen, wollten den Fall Peter S. vor das Schwurgericht bringen. Doch die Richter wiesen den Antrag zurück: Berechtigt hierfür sei nur der Angeklagte, erklärte ein Gerichtssprecher. Er betonte jedoch, die derzeit mit dem Fall befasste, auf Wirtschaftsdelikte spezialisierte Strafkammer könne gleichfalls Vorwürfe der versuchten Tötung oder des versuchten Mordes verhandeln.

Foto: DAZ/hfd
Das wird noch dauern Der Prozess gegen den Bottroper Zyto-Apotheker weitet sich aus.

Ein Ersatzschöffe weniger

Am 20. November folgte dann der vierte Verhandlungstag. Diesmal ging es zunächst um den Antrag der Nebenklage-Vertreter, das Verfahren auszusetzen. Der Grund: Zuvor hatte das Gericht – ebenfalls auf Antrag der Nebenkläger – einen Schöffen für womöglich befangen erklärt. Dieser Schöffe hatte früher selbst als Apotheker in Bottrop gearbeitet. Zudem wird seine Ehefrau aktuell zur Krebsnachsorge in der onkologischen Praxis eines Arztes behandelt, der auch mit ­Peter S. zusammengearbeitet hatte. Die Nebenkläger-Vertreter wollten den Prozess erst fortsetzen, wenn ein Ersatzschöffe benannt ist. So wollten sie Verzögerungen vermeiden, wenn es zu einem Ausfall der Schöffen kommt. Das lehnten die Richter jedoch ab.

Laborleiter sagt zu Analysen aus

Und so ging es am Montag weiter: Der Laborleiter Christoph Luchte von der Arzneimittel-Abteilung des Landeszentrums Gesundheit NRW sagte aus. Die Verteidiger von Peter S. wollten das eigentlich verhindern, berichtete das Recherche-Büro „Correctiv“, das den Prozess eng begleitet. Sie hatten schon zuvor die Laboranalysen angezweifelt und beklagten, dass Luchte „einen sehr hohen Belastungseifer offenbart“und damit die Neutralitätspflicht verletzt habe.

Doch die Richter ließen den Arzneimittelexperten als Sachverständigen zu. Er erläuterte, wie die vor gut einem Jahr beschlagnahmten Zytostatika untersucht wurden. Eine weitere Befragung Luchtes war für diese Woche Mittwoch geplant. Ein Mitarbeiter des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI) sollte ebenfalls am Mittwoch befragt werden, doch der Termin wurde verschoben. Sowohl das Landeszentrum Gesundheit als auch das PEI hatten schon zuvor auf Nachfrage betont, dass ihre Analysen dem Stand der Wissenschaft entsprächen und valide seien.

Apotheker und Ärzte beraten über strengere Kontrollen

Derweil trafen sich Ende vergangener Woche Vertreter der Apothekerkammern Nordrhein und Westfalen-Lippe erstmalig mit Vertretern der Ärztekammer Westfalen-Lippe sowie mit Onkologen, um zu besprechen, durch welche konkreten Schritte die Kontrolle von Zyto-Apotheken verbessert werden könnte.

Die Apothekerkammern hatten in der Folge des Skandals eine Arbeitsgruppe gebildet, die auch das verloren gegangene Vertrauen in den Berufsstand der Apotheker wieder aufbauen helfen soll.

Ein Pressesprecher der Apothekerkammer Westfalen-Lippe wollte allerdings auf Nachfrage von DAZ.online zu den Resultaten des Termins keine Auskunft geben. Offenbar da sie zunächst mit der politischen Ebene besprochen werden sollen. „Die Ergebnisse dieser Sitzung werden jetzt in einem nächsten Termin mit Vertretern des Landesgesundheitsministeriums und der Aufsichtsbehörden diskutiert“, erklärte er. „Dies soll noch in diesem Jahr erfolgen, die Terminkoordinierung läuft bereits.“

BAK-Präsident Kiefer: „Staatliches Vertrauen missbraucht“

Angesichts des Bottroper Skandals hatte der Präsident der Bundesapothekerkammer (BAK), Dr. Andreas Kiefer, in der „Bild am Sonntag“ an die „ganz hohe moralische Verpflichtung“ erinnert, die Apotheker und Ärzte haben. „Sollten sich die Vorwürfe als wahr herausstellen, ist es besonders schädlich und schändlich“, betonte Kiefer. „Das macht mich wirklich sprachlos.“

Er stelle sich die Frage, wie ein Apotheker so etwas tun könne. „Er hätte das staatliche Vertrauen missbraucht“, erklärte Kiefer. „Deshalb wäre es auch so perfide. Sollte es wahr sein, schäme ich mich für das Verhalten dieses Apothekers. Er hätte dann sein Insiderwissen für diese Fälschungen aufs Schändlichste ausgenutzt.“ |

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.