Aus den Ländern

Rezeptur muss in jeder Apotheke möglich sein

Pharmazieräte tagten in Rostock

Die 65. Jahrestagung der Arbeits­gemeinschaft der Pharmazieräte Deutschlands (APD) fand vom 8. bis 11. Oktober in Rostock statt. Rund 90 ehrenamtliche Pharmazieräte und Amtsapotheker aus ganz Deutschland diskutierten mit Vertretern der zuständigen Ministerien und der Standesvertretungen Fragen zur Apothekenüberwachung. Zudem verabschiedeten sie eine Resolution.

Der Vorsitzende der APD, Christian Bauer, betonte bei der Eröffnung der Arbeitstagung die Notwendigkeit und Wichtigkeit des Austausches unter den Pharmazieräten. Gerade jetzt könnten die Apotheken nur durch die Qualität ihrer Leistungen bestehen. Der Unterschied zwischen öffentlicher Apotheke und Päckchenzustellung müsse für jeden stets erlebbar sein. Die APD gebe dazu Hilfestellung mit einer praxisgerechten Auslegung von Vorschriften. So finden sich die Resolutionen der APD in allen Kommentaren zur ApBetrO und zum ApoG und seit Kurzem auch in den Apothekenvorschriften wieder.

Für die Apothekerkammer Mecklenburg-Vorpommern sprach Präsident Dr. Dr. Georg Engel das Grußwort. ­Wegen der gestiegenen Anforderungen an die Arzneimittelherstellung in der Apotheke sorge er sich, dass die Defekturherstellung nachlasse. Als Krankenhausapotheker sieht er die unterschiedliche Interpretation der Haltbarkeitsdaten von Zytostatika­anbrüchen als Problem.

Ministerialrat Hans-Georg Will, BMG, ging auf die Auswirkungen des EuGH-Urteils vom 19.10.2016 ein. Er sieht die Preisbindung für Rx-Arzneimittel, das Apothekenmonopol und das Fremd- und Mehrbesitzverbot bedroht. Die Vorteile der Präsenzapotheke gegenüber dem Versandhandel seien deutlich höher, sie müsse daher gefördert und unterstützt werden. Ein Verbot des Rx-Versandes hätte keine gravierenden Nachteile zur Folge und begegne keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Für die ordnungsgemäße flächendeckende Arzneimittelversorgung der Bevölkerung durch die Präsenzapotheke trage der Staat eine Verantwortung.

Ministerialrat Gert Bernscher, München, berichtete über die Tätigkeit der Arbeitsgruppe „Arzneimittel-, Apotheken-, Transfusions- und Betäubungsmittelwesen“ (AATB) der Arbeitsgemeinschaft der Obersten Landesgesundheitsbehörden (AOLG). Bei den Lieferengpässen für Impfstoffe könne die Apotheke auf Handlungsempfehlungen der STIKO zurückgreifen. Lange Lieferketten stellten ein Einfallstor für Arzneimittelfälschungen dar. Bei den TCM-Granulaten haben Lieferanten aus Bayern ihre Prüfzertifikate deutlich überarbeitet.

Der Präsident der Bundesapothekerkammer, Dr. Andreas Kiefer, betonte als Zielvorgaben das Festhalten an der Freiberuflichkeit und die notwendigen sicheren Rahmenbedingungen für die öffentliche Apotheke. Bei den Entlassrezepten aus dem Krankenhaus sei die freie Apothekenwahl unabdingbar. Die Digitalisierung sei kein Selbstzweck, sondern ein Instrument (z. B. für Heilberufeausweis und Securpharm). Jeder solle sich Gedanken machen über den sicheren Datenaustausch mit anderen Apotheken, mit den Heilberufen und den Patienten.

Der Geschäftsführer Recht der ABDA, Lutz Tisch, berichtete über die aktuelle Änderung der BtMVV, die Apotheken im Bereich der Substitution betrifft, und das neue Bundesdatenschutzgesetz, das sich auch auf die Apotheken auswirken werde. Auf ­europäischer Ebene hat die Deregulierungsdebatte die freien Berufe erreicht. Die ABDA setzt sich zusammen mit den Ärzten dafür ein, dass es für die Heilberufe eine Ausnahmeregelung gibt. Laut aktueller Rechtsprechung müssen Apotheken auch im Bereich des Versandhandels ausreichend pharmazeutisches Personal einsetzen, z. B. bei der Endkontrolle. Das Stellen/Verblistern von Arzneimitteln in der Apotheke ist eine pharmazeutische ­Tätigkeit.

Hinweise zur Überwachung

Die Funktionalität einer Apotheke muss gegeben sein. Jede Apotheke muss in der Lage sein, Rezepturarzneimittel zeitnah herzustellen, und hat deshalb auch Ausgangssubstanzen dafür vorrätig zu halten (siehe Resolution). Wenn Methadon als Rezepturarzneimittel verordnet wird, reicht auf dem BtM-Rezept die Angabe „gemäß schriftlicher Anweisung“ aus.

Beim Versandhandel mit Arzneimitteln muss der Apotheke die Telefonnummer des Patienten vorliegen. Die Apotheke hat aktiv auf die Beratungsmöglichkeit hinzuweisen (s. Resolution).

An die Apotheken ergeht der Appell, die Meldungen über Arzneimittelrisiken zeitnah zu bearbeiten, wenn nötig täglich. Die Bearbeitung der „Rote-Hand-Briefe“ ist zu dokumentieren. Wenn kein Filialleiter benannt werden kann, ist diese Apotheke zu schließen, da die Filialleitung Voraussetzung und Bestandteil der Betriebserlaubnis ist. Bei der Genehmigung von Heimversorgungsverträgen ist die Versorgungssicherheit ein wichtiges Kriterium (s. Resolution).

Resolution

Einstimmig verabschiedet von der Arbeitsgemeinschaft der Pharmazieräte Deutschlands APD in Rostock am 11.10.2017 anlässlich der Jahrestagung vom 8.10.2017 bis 11.10.2017.

Die APD betrachtet die öffentliche, inhabergeführte Apotheke vor Ort als die tragende und unersetzbare Säule in der ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung der Bevölkerung, untrennbar verbunden mit der Ausübung des Apothekerberufes als freier Heilberuf. Zur hohen Qualität der Arzneimittelversorgung trägt auch die ordnungsgemäße Umsetzung von Gesetzen und Vorschriften bei.

Hierzu wurden auf der Tagung folgende Punkte beschlossen:

§ 4 Abs. 7 ApBetrO Vorratshaltung an Ausgangsstoffen zur Herstellung von Rezepturarzneimitteln
Die zeitnahe Herstellung von Rezepturarzneimitteln muss in jeder Apotheke möglich sein, auch in einer Filialapotheke. Dazu sind in jeder Apotheke Ausgangsstoffe und Grundlagen entsprechend den regionalen Erfordernissen vorrätig zu halten.

§ 6 und § 11 ApBetrO Prüfung von Cannabisblüten
Cannabisblüten sind nach Auffassung der APD Rezeptur-Ausgangsstoffe.
Nur bei Vorliegen eines validen Prüfzertifikates nach § 6 Abs. 3 ApBetrO ist die Überprüfung der Identität nach § 11 ApBetrO ausreichend. Die Auswahl der geeigneten Prüfmethoden liegt in der Verantwortung des Apothekers.
Für die Abgabe ist ein sachgerechtes Primärpackmittel mit entsprechender Kennzeichnung zu wählen.

§ 7 ApBetrO Herstellung von pädiatrischen Kapseln
Bei der qualitativ hochwertigen Herstellung pädiatrischer Kapseln sind moderne Herstellungsverfahren, z. B. die gravimetrische Methode nach DAC/NRF, bevorzugt einzusetzen. Zur sicheren Berechnung der Einwaagen und zur Inprozesskontrolle ist ein Tool von NRF/DAC 1.9.3.1. hilfreich.

§ 17 Abs. 2a ApBetrO Beratung im Versand
Dem Patienten ist in jedem Fall aktiv die Telefonnummer der Apotheke, unter der er beraten werden kann, schriftlich bei der Lieferung mitzuteilen. Eine Angabe der Telefonnummer z. B. nur im Impressum der Homepage reicht nicht aus.
Siehe auch Resolution 2012

Einschub Resolution 2012:
§ 17 Abs. 7 ApBetrO Anforderungen bei einer Versandhandelserlaubnis
Die Anforderungen des § 20 ApBetrO unterscheiden nicht zwischen Apotheken mit und ohne Versandhandelserlaubnis nach § 11a ApoG. Auch Apotheken mit Versandhandelserlaubnis müssen in allen Bereichen, auch im Bereich Versand, sicherstellen, dass Patienten hinreichend über Arzneimittel informiert und beraten werden. Dazu dient auch die neu in die ApBetrO aufgenommene Forderung nach Angabe der Telefonnummer des Patienten (§ 17 Abs. 2a Nr. 7 ApBetrO) als Voraussetzung für den Versand von Arzneimitteln. Die Klärung des Beratungsbedarfes, die Sicherstellung und Durchführung einer erforderlichen Beratung sind im QMS festzulegen.

§ 12a ApoG Genehmigung von Heimversorgungsverträgen
Nach § 12a Abs. 1 Nr. 1 ApoG ist ein Heimversorgungsvertrag zu genehmigen, wenn die öffentliche Apotheke und die zu versorgenden Heime innerhalb desselben Kreises oder derselben kreisfreien Stadt oder in einander benachbarten Kreisen oder kreisfreien Städten liegen. 
Nach Auffassung der APD ist es fachlich geboten, im Regelfall die Erreichbarkeit des Heimes binnen eines Zeitraums von höchstens einer Stunde sicherzustellen, um eine ordnungsgemäße Arzneimittelversorgung nach § 12a Abs. 1 Nr. 2 ApoG zu gewährleisten. Dies ist bei der Beurteilung von Heimversorgungsverträgen in jedem Fall zu berücksichtigen.

Hilfe durch DAC/NRF

Der Leiter des Prüflabors DAC/NRF, Dr. Michael Hörnig, ging ausführlich auf den praktischen Umgang von Cannabis in der Apotheke ein – von den verschiedenen Sorten über die erforderliche Identitätsprüfung, rezepturmäßige Verarbeitung bis hin zur Abgabe. Bei der erforderlichen Iden­titätsprüfung, die ein wesentliches Sicherheitsmerkmal neben einem ordnungsgemäßen Prüfzertifikat darstellt, kann z. B. bei der makroskopischen (Stereolupe) und mikroskopischen Prüfung relativ einfach eine fotografische Dokumentation erfolgen. Bei der DC-Methode (DAB oder DAC) können Referenzsubstanzen eingesetzt werden. Auf eine sachgerechte Verarbeitung und Verpackung ist zu achten (s. Resolution).

Dr. Holger Reimann, Leiter Pharmazeutisches Laboratorium DAC/NRF, referierte über die „Herstellung von pädiatrischen Kapseln“, z. B. aus Fertigarzneimitteln. Hier bietet das DAC/NRF mit dem Gravimetrischen Verfahren bzw. der Kalibriermethode (bei Verwendung von Fertigarzneimitteln) geeignete Verfahren. Als Füllmittel soll bevorzugt Mannitol 35/Silicium­dioxid NRF S.38 eingesetzt werden. Bei niedriger Dosis ist meist ein Produktionszuschlag von 10% (sonst 5%) erforderlich. Wenn pädiatrische Kapseln entleert und nur ihr Inhalt eingenommen wird, sollen farblose Leerkapseln verwendet werden. Auch für die erforderliche Ansatzberechnung und Qualitätskontrolle liefert das DAC/NRF ein geeignetes Tool 1.9.3.1. (s. Resolution).

Den Festvortrag zum Abschluss der Tagung hielt Prof. Dr. Werner Weitschies, Greifswald, über „Warum schwanken Plasmaspiegel? – Einblicke in die Bedeutung der Arzneiform und des Applikationsortes“. Er zeigte u. a., wie sich verschiedene Arzneiformen im Magen-Darm-Trakt bei der Zufuhr unterschiedlicher Nahrungsmittel- und Getränkemengen verhalten. Auffallend war dabei die große Varianz der resultierenden Wirkstoffspiegel. So verzögert eine Tabletteneinnahme ohne ausreichende Flüssigkeitszufuhr deutlich die Resorption. Werden Tabletten zu Beginn des Essens eingenommen, gelangt die Tablette schneller in den Dünndarm. Auch bei vollem Magen fließt zugeführte Flüssigkeit (inkl. gelöste Arzneistoffe) über die sog. „Magenstraße“ an der kleinen Magenkurvatur überraschend schnell in das Duodenum.

Neuer APD-Vorstand

Foto: APD
Der neu gewählte Vorstand der APD (v.l.): Dr. Walter Taeschner, Christian Züllich, Dr. Ute Stapel, Christian Bauer, Dr. Wolfgang Kircher.

Turnusmäßig fand die Neuwahl des Vorstandes statt. Die Anwesenden sprachen dem bisherigen Vorstand einstimmig für weitere drei Jahre das Vertrauen aus. Für das ausscheidende Ehrenmitglied Dr. Winfried G. Berger, dem an dieser Stelle nochmals herzlich gedankt sei, wurde Christian Züllich als Beisitzer gewählt.

Vorstandsmitglieder sind:

1. Vorsitzender: Christian Bauer, Burglengenfeld

2. Vorsitzende: Dr. Ute Stapel, Hamm

Schatzmeister: Dr. Walter Taeschner, Lörrach

Beiräte: Dr. Wolfgang Kircher, Peißenberg; Christian Züllich, Tirschenreuth.

Ein herzliches Dankeschön an dieser Stelle an Dr. Ute Stapel, Dr. Wolfgang Kircher und Dr. Walter Taeschner für die Vorbereitung, Unterstützung und Durchführung der Tagung sowie das schöne Rahmenprogramm. Die APD dankt auch folgenden Firmen und Institutionen für die freundliche Unterstützung der Tagung: ABDA, Apothekerkammer Mecklenburg-Vorpommern, Avoxa, Alliance Healthcare, Sanacorp, Wepa und VSA.

Alle Resolutionen und Berichte sind nachzulesen unter

www.pharmazierat.de.

Die nächste Tagung der APD findet vom 16. bis 19. September 2018 in Osnabrück statt. |

Christian Bauer/cae

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