Arzneimittel und Therapie

Gerinnungshemmung aufgehoben

Dabigatran-Antidot Idarucizumab bewährt sich bei Blutungen und chirurgischen Eingriffen

Mit Idarucizumab ist seit 2016 das erste Antidot für eines der neuen oralen Antikoagulanzien auf dem Markt. Nachdem der Wirkstoff im Vorjahr basierend auf einer Interim-Analyse einer klinischen Studie beschleunigt zugelassen worden war, wurde nun die Auswertung der gesamten Kohorte veröffentlicht.
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Idarucizumab ist ein humanisiertes monoklonales Antikörper-Fragment, das mit hoher Affinität und Spezifität an den oralen Gerinnungshemmer Dabigatran (Pradaxa®) bindet und somit rasch die antikoagulatorische Wirkung aufheben kann. Für Patienten, die mit Dabigatran behandelt werden, kann dieses Antidot lebensnotwendig sein, wenn es zu lebensbedrohlichen Blutungen kommt oder wenn dringend eine Operation durchgeführt werden muss. Anfang 2016 wurde in mehreren Ländern die Zulassung für Idarucizumab (Praxbind®) erteilt.

Die RE-VERSE AD-Studie

Die Zulassung erfolgte basierend auf einer Interim-Auswertung der ersten 90 Patienten der RE-VERSE AD-Studie und auf Studien mit gesunden Probanden. Nun liegt die endgültige Auswertung der RE-VERSE AD-Studie mit der gesamten Kohorte vor.

Die RE-VERSE AD-Studie („Reversal Effects of Idarucizumab on Active Dabigatran“) wurde als multizentrische, prospektive Kohorten-Studie durchgeführt. Dabei wurde untersucht, ob 5 g intravenös verabreichtes Idarucizumab den gerinnungshemmenden Effekt von Dabigatran aufheben können. Die Patienten wurden in zwei Gruppen aufgeteilt:

  • Gruppe A umfasste Patienten mit unkontrollierten Blutungen,
  • in Gruppe B wurden Patienten zusammengefasst, bei denen ein dringender chirurgischer Eingriff notwendig war.

Als primärer Endpunkt wurde die maximale prozentuale Umkehr des antikoagulatorischen Effekts von Dabigatran innerhalb von vier Stunden nach Idarucizumab-Gabe definiert. Insgesamt 503 Patienten mit einem Durchschnittsalter von 78 Jahren wurden in die Studie eingeschlossen, 301 davon in Gruppe A, 202 in Gruppe B. Die maximale prozentuale Dabigatran-Umkehr betrug im Durchschnitt 100%, gemessen als verdünnte Thrombinzeit oder Ecarin-Clotting-Zeit.

Stopp innerhalb von 2,5 h

In Gruppe A traten bei 45,5% der Patienten gastrointestinale Blutungen auf, bei 32,6% intrakraniale Hämorrhagien und bei 25,9% Blutungen aufgrund eines Traumas. Bei den Patienten, die zur Auswertung herangezogen werden konnten, wurde die Blutung innerhalb von 2,5 Stunden gestillt.

In Gruppe B betrug die Zeit von Idarucizumab-Gabe bis zum Beginn des geplanten Eingriffs durchschnittlich 1,6 Stunden. Die Blutstillung wurde in 93,4% der Patienten als normal eingestuft, bei 5,1% als leicht abnormal und bei 1,5% als moderat abnormal.

Innerhalb von 90 Tagen traten bei 6,3% aus Gruppe A und bei 7,4% aus Gruppe B thrombotische Ereignisse auf. Die Mortalitätsrate nach 90 Tagen betrug in beiden Gruppen knapp 19%. Schwerwiegende Sicherheitsbedenken wurden nicht registriert.

Insgesamt konnte gezeigt werden, dass Idarucizumab die Gerinnungshemmung rasch, zuverlässig und vollständig umkehren kann. Somit stimmen die Ergebnisse mit der bereits vorab publizierten Interim-Auswertung überein. Hervorzuheben ist das pragmatische Studiendesign, das die tatsächliche klinische Praxis widerspiegelt. |

Quelle: Pollack CV et al. Idarucizumab for Dabigatran Reversal – Full Cohort Analysis. NEJM 2017; doi: 10.1056/NEJMoa1707278

Apothekerin Dr. Birgit Benedek

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