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Arzneimittel und Therapie
Coffein-Booster für Ibuprofen
Randomisierte Doppelblindstudie untermauert koanalgetischen Effekt
Coffein ist ein Methylxanthin. Es ist in Coffea- und Teepflanzen zu finden und ist damit das am häufigsten konsumierte Psychostimulans. Coffein wird innerhalb von 45 Minuten vollständig resorbiert, passiert die Blut-Hirn-Schranke und entfaltet seine Wirkung über die Bindung an Adenosin-Rezeptoren. Dort wirkt Coffein antagonistisch. Adenosin-Rezeptoren spielen unter anderem eine Rolle für die Schmerzempfindung. Durch Antagonisierung von A2A-Rezeptoren kann die Antwort auf Schmerzreize gedämpft werden. Darüber hinaus werden über Bindung von Adenosin an seine Rezeptoren im Gehirn auch sedative Effekte vermittelt, im dopaminergen Belohnungssystem soll so die psychomotorische Aktivierung unterdrückt werden. Das erklärt, warum Coffein als Adenosin-Rezeptorantagonist zerebrale Aktivitäten steigern und die Stimmung verbessern kann. Auch wird eine antidepressive und antidementive Wirkung von Coffein diskutiert [1].
In verschiedenen Studien wurde bestätigt, dass Coffein die Wirkung von nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAID) und Opioiden verstärken kann. So lässt sich durch Kombination von Coffein mit Acetylsalicylsäure und/oder Paracetamol der Wirkstoffbedarf deutlich reduzieren.
Umfangreiche Daten zu einem koanalgetischen Effekt von Coffein in Kombination mit nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAID) stammen auch aus einer 2014 aktualisierten Metaanalyse, in der gezeigt wurde, dass der Zusatz von 100 bis 130 mg Coffein zu einem standardmäßig dosierten Analgetikum einen zusätzlichen Benefit erzeugte. In dieser Metaanalyse wurden 20 Studien mit unterschiedlichen Analgetika-Kombinationen ausgewertet; darunter auch Studien, in denen Ibuprofen in einer Dosis zwischen 100 und 400 mg in Kombination mit unterschiedlichen Coffein-Mengen eingesetzt worden war. Eine Kombination aus 400 mg Ibuprofen und 100 mg Coffein war nicht dabei; diese wurde nun in einer aktuellen Studie mit Zahnschmerzpatienten untersucht.
Vorteile für die fixe Kombination
An der doppelblinden, placebokontrollierten, monozentrischen Studie nahmen 562 Erwachsene teil, die nach einer Extraktion mehrerer Weisheitszähne unter akuten Schmerzen litten (mediane Schmerzintensität 7,7 auf einer von 0 bis 10 reichenden Skala). Sie wurden mehreren Gruppen zugeteilt und erhielten während einer achtstündigen Studienphase Ibuprofen plus Coffein (400 mg/100 mg), Ibuprofen (400 mg), Coffein (100 mg) oder Placebo. Die Einnahme einer Rescue-Medikation (Paracetamol +/- Hydrocodon) war nach 90 Minuten erlaubt. Eine Analyse des Schmerzverlaufs zeigte eine Überlegenheit der Kombination aus Ibuprofen plus Coffein im Vergleich mit den anderen Therapieoptionen (Abb., A). So führte die fixe Kombination zu einer um rund 30% besseren Schmerzreduktion als eine Monotherapie mit Ibuprofen. Was die Notwendigkeit einer Rescue-Medikation anbelangt, so wurde diese von 16% der Ibuprofen-plus-Coffein-Gruppe, von 32,5% der Ibuprofen-Gruppe, von 64,3% der Coffein-Gruppe und von 75,7% der Placebo-Gruppe benötigt.
Schnellerer Wirkungseintritt
Die Zeitspanne bis zum Eintreten der Schmerzlinderung war unter der Fixkombination geringer als unter der Monotherapie mit Ibuprofen (1,13 Stunden vs. 1,78 Stunden; p = 0,0001) (Abb., B). Unerwünschte Wirkungen traten selten und in jeder Gruppe auf. Nach der ersten achtstündigen Studienphase erhielten die Probanden zur Weiterbehandlung fünf Tage lang dreimal täglich entweder Ibuprofen plus Coffein oder Ibuprofen. Die Verträglichkeit der Medikation wurde als sehr gut oder ausgezeichnet eingestuft, wobei die fixe Kombination etwas besser bewertet wurde.
Warten auf OTC-Switch
Bislang ist noch kein Ibuprofen-plus-Coffein-haltiges Arzneimittel im deutschen Markt. Allerdings hat der Sachverständigenausschuss für Verschreibungspflicht am 27. Juni 2017 empfohlen, Ibuprofen plus Coffein zur oralen Anwendung aus der Verschreibungspflicht zu entlassen. Und zwar in der maximalen Einzeldosis von 400 mg Ibuprofen plus 100 mg Coffein zur oralen Anwendung bei akuten mäßig starken Schmerzen bei Erwachsenen. Die Firma Sanofi Aventis hatte diese Entlassung beantragt. Sie möchte ein entsprechendes OTC-Produkt einführen. Dazu muss der Verordnungsgeber der Empfehlung des Sachverständigenausschusses für Verschreibungspflicht folgen und die Arzneimittelverschreibungsverordnung durch Rechtsverordnung ändern. Diese Änderung bedarf der Zustimmung des Bundesrats. Wann damit zu rechnen ist, ist offen. |
Quelle
[1] Herdegen T: Koanalgetikum Coffein – Ein Psychoanalgetikum als Wirkverstärker. Dtsch Apoth Ztg 2017, Nr. 9, S. 50
[2] Weiser T et al.: Efficacy and safety of a fixed-dose combination of ibuprofen and caffeine in the management of moderate to severe dental pain after third molar extraction. Eur J Pain Open Access 14. August 2017 doi:10.1002/ejp.1068
[3] Derry CJ et al.: Caffeine as an analgesic adjuvant for acute pain in adults. Cochrane Database of Systematic Reviews 2014;12: Art. No.: CD009281. DOI: 10.1002/14651858.CD009281.pub3
1 Kommentar
Häufigere Nebenwirkungen
von Philip Prech am 02.09.2017 um 21:40 Uhr
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