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Beratung

Unaufhaltsam

Bei Diarrhö den Leidensdruck der Patienten lindern

Durchfall ist ein multifaktorielles Symptom verschiedener intestinaler und extraintestinaler Erkrankungen. Schweregrad und Dauer der Diarrhö sowie Begleitumstände und Charakteristika des Stuhls bestimmen das klinische Bild und sind wichtige Hinweise für die Beratung im Rahmen der Selbstmedikation. | Von Tatjana Buck

Der intestinale Wasser- und Elektrolyttransport ist in unserem Organismus in einem ausgeklügelten Gleichgewicht. Pro Tag gelangen etwa 8,5 l Flüssigkeit in den Intestinaltrakt, ca. 1,5 l über die Nahrung, ca. 7 l über die Sekretion von Speicheldrüsen, Magen, Pankreas, Galle und Darmepithel. Treibende Kraft der intestinalen Sekretion von Wasser und Elektrolyten ist die aktive Sekretion von Chlorid-Ionen, die durch das integrale Membranprotein Cystic Fibrosis Transmembrane Conductance Regulator (CFTR) apikal transportiert werden. Der entstehende elektrochemische Gradient bewirkt eine passive, parazelluläre Diffusion von Kationen, vorwiegend Natrium-Ionen, der osmotische Gradient sorgt para- und transzellulär für den Einstrom von Wasser in das Darmlumen.

Die Anionen-Sekretion über den CFTR-Kanal ist abhängig von Calcium-Ionen, cyclischem Guanosinmonophosphat (cGMP) und cyclischem Adenosinmonophosphat (cAMP). Bakterielle Toxine können durch intrazelluläre Konzentrationserhöhung dieser Botenstoffe die Offenwahrscheinlichkeit des Kanals deutlich erhöhen, die Sekretion von Chlorid-Ionen bei gleichzeitiger Hemmung der NaCl-­Absorption stimulieren und den intestinalen Wasser­einstrom fördern.

Unter physiologischen Bedingungen werden innerhalb von 24 Stunden lediglich 100 ml Wasser ausgeschieden. 8,4 l Flüssigkeit sowie 50 bis 100 g Elektrolyte werden im Dünndarm (6,5 l) und Dickdarm (1,9 l) (re)resorbiert. Spezialisierte Epithelstrukturen ermöglichen durch eine enorme Oberflächenvergrößerung eine hohe Resorptionskapazität. Im Dünndarm können täglich bis zu 20 l, im Dickdarm bis zu 5 l Flüssigkeit aufgenommen werden. Die Absorption von Wasser erfolgt passiv para- und transzellulär. Elektrolyte werden über integrale Pumpen, Carrier und Kanäle primär, sekundär oder tertiär aktiv transportiert.

Zur Resorption von Natrium existieren verschiedene Transportmechanismen:

  • elektroneutrale Na+-Resorption über Na+-H+-Austauscher (1:1), meist gekoppelt an Cl--HCO3--Austauscher mit Absorption von Chlorid-Ionen (Kolon, Ileum), Hemmung durch Calcium-Ionen, cGMP und cAMP ist möglich;
  • epithelialer Natrium-Ionen-Kanal;
  • Nährstoff-gekoppelte Resorption von Natrium-Ionen, z. B. Kopplung an Aminosäuren und Glucose. Der Natrium-Glucose-Cotransporter SGLT1 ermöglicht den Symport von Natrium und Glucose (2 : 1) über einen elektrochemischen Na+-Gradienten und ist unabhängig von intrazellulären Botenstoffen. Auch unter Toxineinfluss ist der Symporter aktiv, der Ausgleich der Flüssigkeits- und Salzbilanz möglich. Diese Besonderheit ist die Grundlage des Konzepts der oralen Rehydratation.

Gestörte physiologische Homöostase = Durchfall

Durchfall ist ein Ungleichgewicht zwischen Sekretion und Resorption im Darm mit mehr als drei ungeformten Stühlen innerhalb von 24 Stunden oder einem Wassergehalt über 75% oder einem Stuhlgewicht von mehr als 250 g. Jeder dritte Deutsche erkrankt durchschnittlich 1,7-mal pro Jahr an einer akuten Durchfallepisode. Im Jahr 2015 zählten Noro-Virus-, Campylobacter- und Rota-Virus-Gastroenteritiden zu den häufigsten meldepflichtigen Erkrankungen, wie aus dem „Infektionsepidemiologischen Jahrbuch meldepflichtiger Krankheiten“ des Robert Koch-Instituts hervorgeht. Die Gesamtinzidenz war bei Säuglingen und Klein­kindern (0 bis 4 Jahre) am höchsten, gefolgt von älteren Menschen ab 79 Jahren. 47% der Infektionen wurden bei Kindern unter fünf Jahren durch Rota-Viren ausgelöst. Seit Juli 2013 wird die routinemäßige Rota-Virus-Impfung von Säuglingen unter sechs Monaten von der STIKO empfohlen.

Durchfall kann nach seiner Dauer klassifiziert werden in akuten und chronischen Durchfall:

  • akut: Die Symptomatik dauert bis zu 14 Tage an.
  • chronisch: Die Symptomatik dauert länger als 14 Tage an.

Die Behandlung eines akuten Durchfalls ist in der Selbstmedikation auf zwei bis drei Tage beschränkt, während eine akute Durchfallepisode bis zu 14 Tage dauern kann.

Je nach dem Schweregrad erfolgt eine Einteilung in:

  • mild: keine körperliche Beeinträchtigung,
  • moderat: Beeinträchtigung der Alltagsaktivitäten oder
  • schwer: schwere körperliche Beeinträchtigung.

Ursachen

Es können mehrere pathogenetische Mechanismen an der Entstehung von Durchfall beteiligt sein (Tab. 1). So resultiert eine osmotische Diarrhö aus einer unzureichenden Absorption von schwer resorbierbaren Soluten. Die entstehende hypertone Flüssigkeit wird im Dünndarm durch den Einstrom von Wasser isoton (290 mmol/l). Der entleerte Stuhl enthält wenig Natrium- und Kalium-Ionen. Typisch bei osmotischer Diarrhö ist ein Sistieren nach 24- bis 48-stündiger Nahrungskarenz. Die sekretorische Diarrhö ist durch aktive Sekretion von Chlorid-Ionen und/oder Resorptionsstörungen von Elektrolyten charakterisiert. Der entleerte Stuhl enthält viel Natrium-, Kalium- und Chlorid-Ionen.

Tab. 1: Mechanismen, Auslöser und weitergehende Diagnostik bei Durchfall
Mechanismus
mögliche Auslöser
Diagnostik
osmotische Diarrhö
erhöhte Anzahl osmotisch aktiver Substanzen im Darmlumen
Sorbitol, Xylit, hoch dosiertes Magnesium, Lactulose, Intoleranzen (Lactose­unverträglichkeit, Zöliakie)
Fastentest, Bestimmung der osmotischen Lücke „osmotic gap“, H2-Lactosetest
sekretorische Diarrhö
erhöhte Sekretion osmotisch aktiver Substanzen in das Darmlumen unter Erhalt der Entero­zyten-Integrität
bakterielle Toxine (Salmonellen, Cholera, pathogene E. coli), Viren (Noro-Virus, Rota-Virus),Parasiten
Stuhlmikrobiologie, Ileokolo­skopie, mit eventueller Biopsie
exsudative Diarrhö
gesteigerte Permeabilität durch Verlust der Enterozyten-Integrität, Exsudation von Blut, Schleim und Eiweiß, häufig Bauch­beschwerden und -krämpfe, Fieber und Gewichtsverlust
chronisch entzündliche Darm­erkrankungen (Morbus Crohn, Colitis ulcerosa), Kolonkarzinome, invasive Bakterien (Shigellen, Campylobacter)
Stuhlmikrobiologie, Sonografie
Motilitätsstörungen
erhöhte Dünn- und/oder Dickdarm-Motilität mit verminderter Wasserresorption
Stress, Psyche, Reizdarm-­Syndrom, diabetische Enteropathie, Hyperthyreose
Sonografie, Endoskopie, Blutuntersuchung

Verzichtet der Patient auf Nahrung und fastet, so bleiben bei einer sekretorischen Diarrhö die Symptome bestehen, während sie bei einer osmotischen Diarrhö nicht mehr auftreten.

Sekretions- und Resorptionsstörungen können durch bakterielle Toxine beeinflusst werden. So können Reisediarrhöen durch ein Toxin aus Escherichia coli hervorgerufen werden, das Enterotoxin von Vibrio cholerae sorgt über eine Erhöhung der cAMP-Konzentration für eine Stimulation von CFTR mit Blockade der Na+-Resorption und massiven Verlusten an Natrium- und Chlorid-Ionen sowie Wasserverlusten (bis zu 2 l pro Stunde). Exsudative Diarrhöen umfassen vorwiegend entzündliche Erkrankungen mit Verlust der Enterozyten-Inte­grität. Blut- und Schleimbeimengungen im Stuhl sind oftmals vorhanden. Motilitätsstörungen beeinflussen die Transitzeit im Dünn- und Dickdarm sowie Sekretions- und Resorptionsvorgänge. Oftmals liegen Mischformen einzelner Diarrhömechanismen vor.

Die Stuhlbeschaffenheit kann auch durch den Ballaststoffgehalt der Nahrung beeinflusst werden, durch sportliche Betätigung (z. B. Marathonlauf) und auch durch Arzneimittel (Tab. 2). Das Antidiabetikum Metformin verursacht sehr häufig vor allem zu Behandlungsbeginn Übelkeit, Erbrechen und Durchfall. Bei einer Erstverordnung sollte daher unbedingt darauf hingewiesen werden, dass die Verträglichkeit deutlich verbessert werden kann, wenn Metformin während oder nach der Mahlzeit eingenommen wird. Auch die Aufteilung der Gesamtdosis auf zwei bis drei Einnahmen und eine langsame Dosissteigerung senken das Durchfallrisiko. Über eine Schädigung der physiologischen Darmflora verursachen Antibiotika in den ersten Tagen und bis zu zwei Monate nach Beendigung der Therapie Diarrhöen. Meist handelt es sich um eine osmotische Diarrhö, aber auch Infektionen mit Clostridium difficile sind möglich und müssen ärztlich abgeklärt werden. Das Immunsuppressivum Methotrexat schädigt durch Einfluss auf Zellen mit DNA-Synthese die Darmschleimhaut. Entzündungen sorgen für sekretorische Durchfälle. Metoclopramid wirkt nicht nur prokinetisch im Magen, sondern auch im Duodenum. Die verkürzte Transitzeit vermindert die Resorption von Wasser aus dem Darm­lumen, sodass der Stuhl verflüssigt wird. Auch herzwirk­same Glykoside, Antiparkinsonmittel, Mineralstoffe, Laxanzien und Antihypertonika können Durchfälle verursachen. Durch eine einfache Medikationsanalyse können unerwünschte Arzneimittelwirkungen erkannt werden.

Tab. 2: Arzneistoffe, die oft mit Durchfall als unerwünschter Wirkung einhergehen [Quelle: Lauer-Fischer Taxe, Stand 15. Juli 2017].
Indikationsgebiet
Beispiele
Antidiabetika
Metformin, Exenatid, Acarbose
Antibiotika
Cephalosporine der dritten Generation, Breitband­penicilline, Fluorchinolone
Zytostatika
Methotrexat
herzwirksame Glykoside
Digoxin, Digitoxin
Magen-Darm-Therapeutika
Metoclopramid
Antiparkinsonmittel
Levodopa
Mineralstoffe
Calcium, Magnesium
Laxanzien
Lactulose, Bisacodyl, Natriumpicosulfat
Antihypertonika
ACE-Hemmer, Calcium­kanal-Blocker

Selbstmedikation – ohne klare Abgrenzung keine Therapie

In 90% der Fälle liegt eine sekretorische und somit infek­tiöse Diarrhö vor. Der entscheidende Schritt der Beratung in der Apotheke ist die Abgrenzung eines diagnosebedürftigen Durchfalls. Bei Verdacht auf einen komplizierten Verlauf, muss dem Patienten ein Arztbesuch empfohlen werden.

Die Grenzen der Selbstmedikation sind:

  • Risikogruppen für Dehydratation: Säuglinge und Kleinkinder unter zwei Jahren, Personen über 65 Jahren, Patienten mit Grunderkrankungen, Schwangere, Stillende,
  • Flüssigkeitsverlust bei Erwachsenen mehr als 5% des Körpergewichts, bei Kindern 3% des Körpergewichts,
  • Durchfall länger als zwei bis drei Tage,
  • Fieber über 39°C, Blut und Schleim im Stuhl,
  • Abdominalschmerzen und -krämpfe,
  • Arzneimittel-Nebenwirkung,
  • Durchfall nach Aufenthalt im Ausland,
  • Wechsel von Diarrhö und Obstipation,
  • Antibiose in den letzten beiden Monaten.

Akute, unkomplizierte Verläufe können im Rahmen der Selbstmedikation behandelt werden. Sie sind selbstlimi­tierend und dauern zwei bis drei Tage.

Therapie

Ziele der antidiarrhoischen Therapie sind

  • die Prävention einer Dehydratation,
  • die Normalisierung von Stuhlfrequenz und Stuhlgewicht und
  • die Reduktion der Durchfalldauer. 

Orale Rehydratationslösung (ORS)
Die orale Gabe einer Glucose-Salz-Lösung ist Grundlage jeder therapeutischen Maßnahme. Die Weltgesundheitsorganisation WHO empfiehlt seit 2002 eine Lösung mit einem Natrium-Anteil von 75 mmol/l und einer Osmolarität von 245 mmol/l (Tab. 3). Auf dem deutschen Markt befindet sich aktuell ein Präparat (Saltadol®), das der Empfehlung der WHO entspricht. Die europäische Gesellschaft für pädia­trische Gastroenterologie, Hepatologie und Ernährung (ESPGHAN) reduzierte in der aktuellen Leitlinie den Natrium-Gehalt weiter auf 60 mmol/l (Tab. 3). Positive Effekte auf Stuhlfrequenz, Erbrechen und die Notwendigkeit einer intravenösen Therapie sind nachgewiesen. Lösungen mit höherem Natrium-Gehalt sollten nicht mehr verwendet werden. Die Unterschiede hinsichtlich der enthaltenen Natrium-Ionen lassen sich auf die unterschiedlichen Gastroenteritiserreger zurückführen. So eignen sich bei Infektion mit Vibrio cholerae aufgrund des hohen Elektrolytverlustes Lösungen mit hohem Natrium-Gehalt (90 mmol/l), während sich bei Infektionen mit Rota-Viren Lösungen mit einem Natrium-Gehalt von 40 bis 60 mmol/l bewährt haben. Vor allem bei Kindern sollten orale Rehydratationslösungen mit einem hohem Gehalt an Natrium-Ionen nicht mehr verwendet werden. Die Zubereitungen sind stark hyperosmolar, erhöhen das Risiko einer Hypernatriämie und können den Durchfall verstärken. Cola und Salzstangen sind ebenfalls nicht zu empfehlen. Diese Kombination enthält viel Zucker (≥ 110 g/l), kaum Natrium-Ionen, keine Citrate und keine Kalium-Ionen. Die Osmolarität ist hoch, sodass der Durchfall sogar verstärkt werden kann.

Tab. 3: Zusammensetzung der oralen Rehydratations­lösung (ORS) nach Empfehlung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und der European Society for Paediatric Gastroenterology Hepatology and Nutrition (ESPGHAN) [Quelle: Lauer-Fischer Taxe, Stand 15. Juli 2017, Koletzko 2008]
Ionen
(mmol/ml)
ORS nach WHO vor 2002 (z. B. Elotrans®)
ORS nach WHO seit 2002 (z. B. Saltadol®)
ORS nach ESPGHAN
(z. B. Oral­pädon® 240)
Natrium
90
75
60
Kalium
20
20
20
Chlorid
80
65
60
Bicarbonat
0
0
0
Citrat
10
10
10
Glucose
111
75
90
Osmolarität
311 mosm/l
245 mosm/l
240 mosm/l

Eine orale Rehydratationslösung beeinflusst weder die Stuhlkonsistenz noch die Stuhlfrequenz. Da der Leidensdruck der Patienten meist hoch ist, ist die symptomatische Therapie mit Antidiarrhoika (Tab. 4) angeraten. Sie verkürzen die Durchfalldauer und erhöhen die Lebensqualität.

Tab. 4: Wirkstoffe zur Selbstmedikation der Diarrhö, die die Kriterien evidenzbasierter Medizin erfüllen. [Quelle: Lauer-Fischer Taxe, Stand 15. Juli 2017)
Wirkstoff(e)
Präparate (Beispiele)
Indikation
Kontraindikationen
Anwendung
Dauer der Anwendung
Beratungs­hinweise
Elektrolyte mit Kohlenhydraten
Oralpädon® 240 neutral, Apfel Banane, Erdbeere
Rehydratation und Elektrolyt­sub­stitution bei Durchfaller­krankungen
Nieren­insuffizienz (akut, chronisch),
metabolische Alkalose
Erwachsene: ein bis zwei Beutel nach jedem Stuhlgang,
Kinder: ein Beutel,
Säuglinge und Kleinkinder: drei bis fünf Beutel in 24 Stunden
Erwachsene: 36 Stunden,
Säuglinge und Kleinkinder: 24 Stunden
häufige UAW Magenreizung, zu Beginn in kleinen Schlucken trinken,
Beutelinhalt in genau 200 ml Trinkwasser lösen,
Lösung ist 24 Stunden im Kühlschrank haltbar
Loperamid
Imodium® akut Hartkapseln, lingual Schmelz­tabletten, N duo Tabletten (mit Dimeticon)
Lopedium® akut
symptomatische Behandlung von akuten Diarrhöen für Erwachsene und Jugendliche ab zwölf Jahren
Ileus,
Megacolon,
toxische Megacolon
Erwachsene: initial: 4 mg Loperamid, nach jedem weiteren ungeformten Stuhl 2 mg, max. 12 mg/Tag;
ab 12 Jahren: 2 mg, max. 8 mg/Tag
zwei Tage
häufige UAW: reaktive Obstipation und Flatulenz, Schmelztabletten direkt aus der Packung auf die Zunge legen, ohne Wasser einnehmen
Racecadotril
Vaprino®
symptomatische Behandlung des akuten Durchfalls bei Erwachsenen über 18 Jahren
Durchfälle mit Fieber, Blut oder Schleim, Durchfälle nach Antibiose
initial: 2 Kapseln zu Beginn, vor den Hauptmahlzeiten eine Kapsel, max. vier Kapseln/Tag,ab Tag 2: dreimal täglich eine Kapsel
drei Tage
häufige UAW: Pruritus, Urtikaria, Ödeme,
keine Empfehlung für Patienten mit Angioödem in der Vorgeschichte
Lactobacillus rhamnosus GG
Infectodiarrstop® LGG (Kombination mit Elektrolyten und Kohlenhydraten, 60 mmol/l)
Therapie der Diarrhö bei Säuglingen und Kleinkindern
Nieren­insuffizienz (akut, chronisch)
Kinder ab zwei Jahren: zwei bis drei Beutel/Tag,
Säuglinge und Kleinkinder: ein bis zwei Beutel/Tag
drei Tage
kühl lagern (2 bis 8 °C), nicht in Tee, Fruchtsäfte oder heiße Getränke einrühren
Saccharomyces boulardii
Perenterol® 50 mg, forte 250 mg Kapseln, Junior 250 mg Beutel
symptomatische Behandlung akuter Durchfallerkrankungen, Vorbeugung und symptomatische Behandlung von Reisediarrhöen sowie Diarrhöen unter Sonden­ernährung,
ab zwei Jahren
Immunschwäche
akut: ein bis zwei Beutel bzw. Kapseln/Tag
keine Beschränkung des Anwendungs-zeitraums
Kapseln können zur erleichterten Einnahme geöffnet werden und in Getränke und Speisen (max. 50 °C) eingerührt werden,
zur Vorbeugung von Reisediarrhö Beginn fünf Tage vor Reisestart,
weitere Indikation: zur begleitenden Behandlung (als Adjuvans) bei chronischen Formen der Akne

Motilitätshemmer Loperamid
Loperamid bindet an μ-Opioid-Rezeptoren der Darmwand und hemmt dort die Freisetzung von Acetylcholin und Prostaglandinen. Als Folge nimmt die propulsive Peristaltik des Darmes ab, die Transitzeit verlängert sich. Wasser und Elektrolyte können verstärkt resorbiert werden, die Hypersekretion normalisiert sich. Günstiger Nebeneffekt ist eine Er­höhung des Analsphinktertonus mit Abnahme des Stuhldrangs und Verbesserung einer Inkontinenz. Loperamid wirkt innerhalb von 30 bis 60 Minuten, die Wirkdauer ist dosisabhängig und kann bis zu 72 Stunden (16 mg) betragen. Bei der Anwendung ist unbedingt zu beachten, dass Loperamid ein Substrat des CYP-Systems (CYP3A4) und von p-Glycoprotein ist. Interaktionen sind vor allem bei Poly­medikationssituationen möglich.

Sekretionshemmer Racecadotril
Das Prodrug Racecadotril (Vaprino®) hemmt in seiner aktiven Form Thiorphan die Zellmembran-Peptidase Enkephalinase des Dünndarmepithels. δ-Opioid-Rezeptoren werden stimuliert und bewirken eine Hemmung der intramukosalen Adenylatcyclase und somit eine Senkung des intrazellulären cAMP, second messenger des CFTR. Die Hypersekretion von Wasser und Elektrolyten normalisiert sich. Die basale Sekretion bleibt ebenso wie die Transitzeit unbeeinflusst.

Racecadotril wirkt nur im Darm antisekretorisch. Die Wirkung tritt innerhalb von 30 Minuten ein, Wirkdauer sind ca. acht Stunden (100 mg).

Vergleichsstudien haben gezeigt, dass Racecadotril gegenüber Loperamid weniger sekundäre Obstipationen verursacht. Die bessere Verträglichkeit wird durch die weitere Möglichkeit der Erregerausscheidung unter Racecadotril unterstützt. Im Vergleich zu Saccharomyces boulardii war die Verträglichkeit ähnlich, allerdings wirkt Racecadotril deutlich schneller. Racecadotril zeigt keine Wechselwirkungen und kann so auch bei Polymedikation eingesetzt werden.

Tipps zur schnellen Genesung

  • leichte Kost, wie leichte Suppen (Möhrensuppe nach Moro), Reis, Banane, Zwieback, Tee
  • Hygienemaßnahmen: Händewaschen! Hände­desinfektion!
  • körperliche Schonung, kein Sport
  • Behandlung von Begleitsymptomen mit Gastropro­kinetika auf pflanzlicher Basis (z. B. Iberogast®) oder Spasmolytika wie Butylscopolamin (z. B. Buscopan®)

Probiotika
Probiotika bewirken über ein Remodeling der mikrobiellen Darmflora eine kompetitive Verdrängung pathogener Erreger sowie eine Aktivierung des körpereigenen Immun­systems. Aufgrund der hohen Diversität der eingesetzten Stämme und der Inhomogenität vorhandener Studien wird eine generelle Empfehlung für Erwachsene und Kinder kontrovers diskutiert.

Die probiotischen Effekte scheinen Stamm-spezifisch zu sein. Entscheidend sind auch die verwendete Dosis und der Einnahmebeginn.

Bevorzugt sollen Probiotika eingesetzt werden, die ihre Wirkung und Unbedenklichkeit in randomisierten klinischen Studien nachgewiesen haben. Laut ESPGHAN sind dies Lactobacillus rhamnosus GG und Saccharomyces boulardii. Lactobacillus rhamnosus GG reduziert die Durchfall­dauer um bis zu 25 Stunden (Rota-Virusinfektionen). Probiotika reduzieren auch die Dauer und Intensität intestinaler Symptome. Ein Cochrane-Review bewertet den Einsatz von Probiotika bei Kindern ebenfalls positiv. Eine generelle Empfehlung für den Einsatz von Probiotika bei Erwachsenen gibt es nicht.

Adsorbenzien, Adstringenzien und Phytopharmaka
Es gibt keine ausreichende Evidenz für den Einsatz von Adsorbenzien, Adstringenzien und Phytopharmaka. In den Leitlinien der Fachgesellschaften sind sie nicht erwähnt oder ihr Einsatz nicht empfohlen. In der Apothekenpraxis werden sie dennoch oft verwendet und von Patienten in Wirkung und Verträglichkeit für gut befunden.

Das bekannteste Adsorbenz ist neben Pektin die medizinische Kohle. Aufgrund der großen Oberfläche adsorbiert sie Bakterien, Bakterientoxine und andere Giftstoffe. Die Adsorption ist gering, Desorption vor allem bei Giftstoffen ein Problem, weshalb 30 bis 60 Minuten nach Einnahme ein salinisches Abführmittel angewendet werden muss. Bei akutem Durchfall sind bis zu 16 Tabletten pro Tag einzunehmen, bei Vergiftungen liegt die Zahl der einzunehmenden Tabletten über 100 Stück. Medizinische Kohle ist daher heute nicht mehr Mittel der Wahl.

Tannin-Eiweiß wird als Adstringenz eingesetzt. Das ent­haltene Tannin (50%) verdichtet durch Eiweißfällung die Oberfläche der Darmschleimhaut und verhindert so die Resorption toxischer Substanzen, schützt die Schleimhaut vor Reizungen und reduziert so die Hypersekretion.

Ethacridinlactat hat ebenfalls eine adstringierende Wirkung. Das Kontakttherapeutikum ist zusätzlich krampf­lösend und antibakteriell wirksam. Bei Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff ist eine Kontaktdermatitis möglich.

Die Kombination Tannin-Eiweiß und Ethacridinlactat hat sich bei Reisedurchfall bewährt.

Gerbstoffe aus Heidelbeeren und Eichenrinde sind ebenfalls positiv monografiert zur Behandlung unspezifischer Diarrhöen.

Phytotherapeutisch kommt bei akutem Durchfall die Uzara-Wurzel zur Anwendung. Eine Positiv-Monografie der Kommission E liegt vor. Herzglykoside vom Cardenolid-Typ und Gerbstoffe wirken motilitätshemmend und krampflösend an der glatten Muskulatur von Darm, ableitenden Harnwegen sowie am Uterus. Seit Mai 2006 ist der Einsatz nur noch für Kinder ab zwei Jahren möglich. Vorsicht ist geboten bei Überdosierung. Eine Digitalis-artige Wirkung am Herzen ist zu erwarten. Auch sollte Uzara-Wurzel nicht eingenommen werden, wenn bereits Herzglykoside vom Digitalis-Typ in der Medikation vorhanden sind. |

Quelle

Akuter Durchfall. S1-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM), AWMF-Register-Nr. 053/030, Stand September 2013

Borsch J. Selbstmedikation – Oft ein Fall für die Selbstmedikation. DAZ 2013;23:38ff, www.deutsche-apotheker-zeitung.de

Caspary WF, Kist M, Stein J (Hrsg.). Infektiologie des Gastrointestinaltraktes. Springer Verlag, 2006

Diarrhoea and vomiting caused by gastroenteritis in under 5s: diagnosis and management. Clinical guideline, Stand 22. April 2009, www.nice.org.uk

Eberlin M, Mück T, Michel MC. A comprehensive review of the pharmacodynamics, pharmacokinetics, and clinical effects of the neutral endopeptidase inhibitor racecadotril. Front Pharmacol 2012;3:93

Gallelli L, Colosimo M, Tolotta GA et al. Prospective randomized double-blind trial of racecadotril compared with loperamide in elderly people with gastroenteritis living in nursing homes. Eur J Clin Pharmacol 2010;66(2):137-144

Gastrointestinale Infektionen und Morbus Whipple. S2k-Leitlinie. Ergebnisse einer S2k-Konsensuskonferenz der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselerkrankungen (DGVS) gemeinsam mit der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM), der Deutschen Gesellschaft für Hygiene und Mikrobiologie (DGHM) u. a., AWMF-Register-Nr. 021/024

Goldenberg JZ, Lytvyn L, Steurich J, Parkin P, Mahant S, Johnston BC. Probiotika zur Vorbeugung von Antibiotika-assoziierter Diarrhoe bei Kindern, 22. Dezember 2015, www.cochrane.org/de

Guarino A (Coordinator), Ashkenazi A, Gendrel D, Lo Vecchio A, Shamir R, Szajewska H. European Society for Pediatric Gastroenterology, Hepatology, and Nutrition/European Society for Pediatric Infectious Diseases Evidence-Based Guidelines for the Management of Acute Gastroenteritis in Children in Europe: Update 2014, www.espghan.org

Infektionsepidemiologisches Jahrbuch meldepflichtiger Krankheiten für 2015, Robert Koch-Institut, Berlin, Stand: 1. März 2016, www.rki.de

Information und Beratung im Rahmen der Selbstmedikation am Beispiel Durchfall. Arbeitshilfe der Bundesapothekerkammer (BAK) zur Qualtitätssicherung, Stand 23. November 2016

Koletzko S, Lentze MJ. Akute infektiöse Gastroenteritis – Leitlinie Pädiatrische Gastroenterologie. Leitlinie der Gesellschaft für Pädiatrische Gastroenterologie und Ernährung (GPGE), 2008, www.awmf.de

Lankisch PG, Mahlke R, Lübbers H, Lembcke B, Rösch W. Leitsymptom Diarrhö. Dtsch. Aeblt 2006;103(5):A261-269

Oral rehydration salts, Production of the new ORS, World Health Organization (WHO), Division of Child and Adolescent Health and Development (CAH), 2006 WHO/FCH/CAH/06.1

Pape HC, Kurtz A, Silbernagl S. Physiologie. Thieme Verlag 2014

Prado D, Global Adult Racecadotril Study Group. A multinational comparison of racecadotril and loperamide in the treatment of acute watery diarrhoea in adults. Scand J Gastroenterol 2002;37(6):656-661

Praxishandbuch klinische Ernährung und Infusionstherapie, Resorption und Sekretion von Wasser und Elektrolyten, Stein, Caspary, Springer Verlag

Autorin

Tatjana Buck studierte Pharmazie in Tübingen, 2007 Approbation, Weiterbildung in Homöopathie und Naturheilkunde sowie geriatrischer Pharmazie, ATHINA-Apothekerin und -Tutorin.

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