Arzneimittel und Therapie

Asthma unter Kontrolle

Italienische Apotheker punkten mit Medikationsanalyse-ähnlicher Intervention

Ein von italienischen Apothekern durchgeführter Medicines Use Review (MUR) bei Asthma-Patienten hatte eine klinisch relevante Wirkung auf die Kontrolle der Erkrankung. Außerdem verbesserte die mit einer Medikationsanalyse 2a vergleichbare Intervention die Kosteneffektivität der Behandlung.

Apotheker können es durchaus schaffen, dass Gesundheitspolitiker und Krankenversicherungen ihre Leistungen in der Versorgung besser anerkennen und auch honorieren, und zwar, indem sie aussagekräftige Studien abliefern. Das ist mit einer Studie zu MUR bei Asthma gelungen.

Ein wesentlicher Schwerpunkt der heute gängigen Behandlungsansätze bei Asthma liegt darauf, die Erkrankung unter Kontrolle zu halten (asthma control). Hier sind die Apotheker besonders gefragt, wenn es darum geht, die Patienten bei ihrer medikamentösen Therapie zu unterstützen. Es gibt bereits einige Studien zu Interventionen von Apothekern im Rahmen der Asthma-Therapie. Ein Review aus 2016 fand dazu immerhin 21 Untersuchungen, in denen über klinische Ergebnisse berichtet wurde. Jedoch hatten nur neun davon ein passendes Design, und nur zehn erfassten die Kontrolle des Asthmas. Lediglich eine bewertete die ökonomischen Auswirkungen der Intervention.

Wissenschaftler von der Medway School of Pharmacy in Kent und der London School of Economics and Political Science, Großbritannien, haben in „BMC Health Services” die Ergebnisse einer neuen Studie publiziert, die diese Fragen besser beantwortet. Nach Angabe der Autoren handelt es sich um eine der größten Studien, die auf dem Gebiet bisher gemacht wurde. Die Cluster-randomisierte, multizen­trische, kontrollierte Studie bei erwachsenen Patienten mit Asthma wurde von September 2014 bis Juli 2015 in fünfzehn der zwanzig Regionen Italiens durchgeführt. Sie wurde vom ita­lienischen Apothekerverband (FOPI) unterstützt und finanziert.

Foto: Jonas Glaubitz – Fotolia.com
Einfach durchatmen! Asthmatiker bekommen ihre Krankheit besser in den Griff, wenn sie pharmazeutisch betreut werden.

Was passiert in einem Medicines Use Review?

Die Studie setzte ein adaptiertes britisches MUR-Protokoll (I-MUR) ein. Der sogenannte Medicines Use Review (MUR) gehört in Großbritannien zu den erweiterten Dienstleistungen (advanced services) der Apotheker im Rahmen des National Health Service. Ein MUR ist ein strukturierter Review der Medikation eines Patienten und zwar mit direkter Einbeziehung der Patienten. Er entspricht unserer Definition einer Medikationsanalyse 2a. Zu dem MUR bringen die Patienten alle ihre Arzneimittel mit in die Apotheke. Der Apotheker erläutert ihnen die Gründe für die Verschreibungen und versucht herauszufinden, ob die Arzneimittel richtig angewendet werden und ob es Probleme dabei gibt. Neben der Verbesserung der Adhärenz der Patienten sollen MUR auch helfen, überflüssige Verordnungen zu reduzieren.

Der italienische Medicines Use Review beinhaltete ein strukturiertes Interview, das ebenfalls in den öffentlichen Apotheken durchgeführt wurde. Die Fragen zielten auf folgende fünf Bereiche ab: die Asthma-Symptome, die Verwendung von Arzneimitteln, die Einstellung zu den Arzneimitteln, die Adhärenz sowie mögliche Probleme im Zusammenhang mit der pharmazeutischen Betreuung (pharmaceutical care issues, PCI).

Der primäre Zielparameter der Studie war die Asthmakontrolle, die in drei-Monats-Intervallen mit dem Asthmakontrolltest (ACT) gemessen wurde. Der Test liefert eine bestimmte Punktzahl. Dabei steht ein ACT-Score ≤ 14 für „nicht unter Kontrolle“, 15 bis ≤ 19 für „teilweise unter Kontrolle“ und ≥ 20 für „unter Kontrolle“. Ein klinisch relevanter Unterschied wurde in der Studie definiert als Wechsel von „nicht oder teilweise unter Kontrolle“ zu „unter Kontrolle“.

Sekundäre Zielparameter waren die Anzahl der Wirkstoffe, die die Patienten zum Zeitpunkt der Durchführung des I-MUR brauchten, im Vergleich zum drei-Monats-Follow-up, die von den Patienten selbst berichtete Adhärenz und die Kosteneffektivität im Vergleich mit der üblichen Ver­sorgung.

Viel Aufklärungsbedarf

Insgesamt nahmen 283 Apotheker und 1263 Patienten an der Studie teil. Sie wurden zwei Gruppen zugeteilt: In Gruppe A erhielten die Apotheker ihre Unterweisung für die Studie zu Stu­dienbeginn, und die Intervention, das heißt der Medicines Use Review, wurde ebenfalls zu diesem Zeitpunkt durchgeführt. Bei Gruppe B passierte beides drei Monate später. Die Patienten hatten eine schlechte oder nur teilweise Asthmakontrolle. Bei der Durchführung des I-MUR identifizierten die Apotheker bei 527 Patienten 1256 Probleme im Zusammenhang mit der pharmazeutischen Betreuung (im Mittel 1,54 pro Patient in der gesamten Studienpopulation). Meist gab es Aufklärungs- oder Überwachungsbedarf. Oft konnte eine Diskrepanz zwischen der verschriebenen und der tatsächlich verwendeten Dosis festgestellt werden, oder es bestanden Zweifel an der Wirksamkeit der Therapie – alles Probleme, die durch eine eingehende Beratung durch Apotheker gelöst oder vermieden werden können.

ACT-Score verbessert

201 Apotheker und 816 Patienten schlossen die Studie ab. Nach der Per-Protocol-Analyse war die Asthmakon­trolle bei den Patienten in Gruppe A mit dem MUR bei Studienbeginn beim ersten Testzeitpunkt nach drei Monaten im Vergleich mit Baseline statistisch signifikant und klinisch relevant verbessert. Der mediane ACT-Score stieg von 19 auf 20,5 („unter Kontrolle“), und der Anteil der Patienten mit einem kontrollierten Asthma nahm von 48,7 auf 59 Prozent zu.

In der Gruppe B ohne MUR zu Studienbeginn verbesserte sich der ACT-Score zwar ebenfalls statistisch signifikant, aber nur von 18 auf 19 und damit klinisch nicht relevant. Sechs Monate später, das heißt drei Monate nach der I-MUR-Intervention, wurde dieses Ziel auch in Gruppe B erreicht. Bei jedem Messpunkt erhöhte sich der Anteil der Patienten mit kontrolliertem Asthma in beiden Gruppen weiter. Am Studienende nach neun Monaten hatte der Anteil der Patienten, die ihr Asthma unter Kontrolle hatten, gegenüber Baseline in Gruppe A um 40 und in Gruppe B um 45 Prozent zugenommen.

Weniger Wirkstoffe,bessere Adhärenz

Erfolge vermelden die Autoren auch hinsichtlich des Umfangs der Medikation. Die durchschnittliche Zahl der Wirkstoffe, die die Patienten für ihre Asthmabehandlung benötigten (im Schnitt fünf pro Patient), reduzierte sich nach der Intervention um 7,9 Prozent. Die Zahl stieg auch im weiteren Verlauf der Studie nicht mehr.

Die Adhärenz verbesserte sich drei Monate nach der Intervention um rund 35 und nach sechs Monaten um 40 Prozent. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Intervention kosteneffektiver ist als die übliche Versorgung, erreichte nach neun Monaten 100 Prozent.

In ihrer Diskussion der Ergebnisse betonen die Autoren, dass die Beratung zum optimalen Einsatz zusammen mit einem regelmäßigen Monitoring ausschlaggebend dafür war, dass die Adhärenz und damit die Asthmakon­trolle der Patienten verbessert werden konnten.

Versicherer zahlen

Wer gute Daten vorlegt, kann auch die Versicherer überzeugen. Auf Basis der Studie wurde der italienische Asthma-MUR als erster kognitiver Service der Apotheker in Italien anerkannt, der finanziert wird. Nun wird auch die Umsetzung für andere Atemwegserkrankungen erwogen. |

Quelle

Manfrin A, Tinelli M, Thomas T et al. A cluster randomised control trial to evaluate the effectiveness and cost-effectiveness of the Italian medicines use review (I-MUR) for asthma patients. BMC Health Serv Res 2017;17:300.

Garcia-Cardenas V, Armour C, Benrimoj SI, Martinez-Martinez F, Rotta I, Fernandez-Llimos F. Pharmacists‘ interventions on clinical asthma outcomes: a systematic review. Eur Respir J. 2016 Apr;47(4):1134-43

Apothekerin Dr. Helga Blasius

Das könnte Sie auch interessieren

Nutzen für die Patienten und die Gesellschaft

Was Apotheker bei der Rx-Abgabe leisten

Arzneimittel digital kontrolliert einnehmen, um die Adhärenz zu fördern

Digitale Helfer

Bedarfstherapie mit inhalativen Glucocorticoiden bei leichtem Asthma auf dem Prüfstand

Von kurzer Dauer?

Adhärenz und Applikationstechnik lassen sich durch vernetzte Arzneiformen verbessern

Digital kontrolliert inhalieren

LAMA, LABA und ICS sinnvoll einsetzen

SMARTe Asthmatherapie

Erste Ergebnisse der interprofessionellen WestGem-Studie vorgestellt

Medikationsanalyse hilft, Medikationsmanagement ist besser

Optimale Bedarfstherapie bei Asthma

ICS-Formoterol besser als SABA allein

ICS-Formoterol punktet gegenüber SABA-Monotherapie

Besser mit inhalativem Corticosteroid

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.