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Beratung
Was gegen Schnupfen hilft
Evidenzbasierte Selbstmedikation der Erkältung
Der Begriff Erkältung ist nicht einheitlich in der Literatur definiert und wird umgangssprachlich mit dem grippalen Infekt, dem Schnupfen oder der Verkühlung synonym verwendet. Die Deutsche Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie benutzt den Begriff akute Rhinosinusitis für Erkältung in der aktuellen Leitlinie „Rhinosinusitis“ von 2011 [2]. Wissenschaftliche Literatur definiert die Erkältung als eine ansteckende Erkrankung, die Entzündungen der Nasen- und Pharynxmukosa auslöst [3, 4].
Ätiologisch handelt es sich bei einer Erkältung um eine selbstlimitierende virale Erkrankung, die durch mehr als 200 serologisch unterschiedliche Viren ausgelöst wird [3, 5]. In 30 bis 50% der Erkrankungen sind Rhino-Viren für die Infektion der oberen Atemwege verantwortlich, in 10 bis 15% Corona-Viren [3, 6]. Der Übertragungsweg beim Menschen findet durch eine Tröpfchen- bzw. Schmier- und Kontaktinfektion statt.
Krankheitsbild
Die ersten Symptome einer Erkältung treten meist mit einem Halskratzen und einem Kältegefühl bzw. Frieren auf, das etwa für zwei bis drei Tage bleibt. Darauf folgt die Nasenbeteiligung in Form einer Entzündung der Nasenschleimhaut (Rhinitis), die häufig mit Nasenlaufen und Niesreiz verbunden ist. Die als Schnupfen bekannten Symptome haben am zweiten Tag ihren Höhepunkt. In den folgenden vier bis fünf Tagen kann es zu Kopfschmerzen und Fieber kommen. Viele Patienten fühlen sich bei voller Ausprägung einer Erkältung abgeschlagen und matt. Infolge der Entzündungen der Nasenschleimhaut kann der Geruchssinn reversibel vermindert sein. Der Krankheitsverlauf einer Erkältung erstreckt sich durchschnittlich über sieben Tage. Die Erkrankung kann sich aber auch in einigen Fällen auf die Nasennebenhöhlen mit einer Nasennebenhöhlenentzündung (Sinusitis), auf die Bronchien mit einer Bronchitis bzw. auf das Mittelohr mit einer Mittelohrentzündung (Otitis media) ausweiten. In seltenen Fällen kann aus einer Erkältung eine Lungenentzündung (Pneumonie) oder Kehlkopfentzündung (Laryngitis) hervorgehen.
Arzneimitteltherapie im Rahmen der Selbstmedikation
Eine mögliche evidenzbasierte und patientenindividuelle Arzneimitteltherapie im Rahmen der Selbstmedikation soll anhand des folgenden Patientenfalls konkretisiert werden und eine mögliche Therapieempfehlung zeigen.
Patient
Herr A. S. ist 33 Jahre alt. Er ist Familienvater von einem dreijährigen Sohn und einer 18-jährigen Tochter, die Hausstauballergikerin ist. Seine Frau ist erneut bereits im zweiten Monat schwanger.
Der Manager beschreibt im Beratungsgespräch, dass ihm seit zwei Tagen die Nase ständig läuft, die mittlerweile verstopft ist, und er leichte Kopfschmerzen hat: Der Manager hat keine Grunderkrankungen und nimmt auch keine andere Medikation ein. Er möchte vom Apotheker eine Therapieempfehlung, wie er seine Erkältung am schnellsten und effektivsten therapieren kann. Er habe in der Werbung von Kombinationspräparaten wie z. B. Boxagrippal® gehört.
Wie lautet das Therapieziel für diesen Patienten?
Die Erkältung ist eine virale Erkrankung und kann als solche mit den bisher verfügbaren Arzneimitteln im Rahmen der Selbstmedikation nicht kausal therapiert werden. Herr A. S. hat das Ziel, den viralen Infekt so schnell wie möglich zu überstehen. Es ist sinnvoll, Herrn A. S. über Arzneimittel zu informieren und zu beraten, damit er die Symptome der Erkältung lindern kann. Zusätzlich kann man ihm nicht medikamentöse Therapieempfehlungen mit auf den Weg geben.
Leitliniengerechte Therapie der Beschwerden
Für die Auswahl einer evidenzbasierten Arzneimitteltherapie der Beschwerden von Herrn A. S. werden zuallererst gemäß der Bundesapothekerkammer-Leitlinie (Information und Beratung des Patienten bei der Abgabe von Arzneimitteln – Selbstmedikation) die Symptome hinterfragt. Wichtige Aussagen von Herrn A. S. sind:
- seit zwei Tagen (akute Infektion),
- keine Grunderkrankungen bzw. Komedikation,
- keine Symptome, die eine direkte Behandlung vom Arzt erfordern,
- Schnupfen.
Die Symptome von Herrn A. S. deuten auf das Krankheitsbild der Rhinosinusitis hin. Für dieses Krankheitsbild gibt es eine deutsche Leitlinie, die gerade überarbeitet wird und eine aktuellere europäische Leitlinie von 2012. Für die Selbstmedikation in der Apotheke kommt nur die akute Rhinosinusitis infrage. Nach der europäischen Leitlinie handelt es sich um eine akute Rhinosinusitis, wenn zwei Symptome der folgenden vorliegen und diese innerhalb von zwölf Wochen vollständig ausheilen:
- verstopfte Nase oder verfärbtes Sekret
- stirnseitige Schmerzen/Kopfschmerzen
- Riechstörung
Die Symptomhinterfragung bei Herrn A. S. deutet auf eine akute Rhinosinusitis hin (Kopfschmerzen und verstopfte Nase).
Wirkstoffklasse |
Wirkstoffe/Extrakte |
---|---|
Analgetika/nicht-steroidale Antirheumatika (NSAIDs) |
Acetylsalicylsäure, Ibuprofen, Paracetamol |
Dekongestiva, lokal
Dekongestiva, systemisch
|
Tramazolin, Oxymetazolin, Xylometazolin
Pseudoephedrin, Phenylephrin, Ephedrin
|
Phytopharmaka |
Myrtol, Cineol, Pelargonium-Extrakte, Fünffach-Kombination aus Enzianwurzel, Schlüsselblumenblüten, Sauerampferkraut, Holunderblüten und Eisenkraut |
Die aktuellen Therapieoptionen, die die europäische Leitlinie [1] anhand der Evidenzen vorschlägt sind (s. Tabelle 1):
- Analgetika/nicht-steroidale Antirheumatika (NSAID)
- Dekongestiva
- einige Phytopharmaka
- Nasenspülung mit Kochsalz
Analgetika
Bei einer Erkältung laufen Entzündungsreaktionen in der Nasen- und Pharynxmukosa ab. Deshalb ist der Einsatz antiinflammatorischer Wirkstoffe zu empfehlen. Nicht-steroidale antiinflammatorisch wirksame Arzneimittel wie Ibuprofen konnten die Symptome Abgeschlagenheit und Erkältungsschmerzen (Kopf-, Hals-, Ohren- und Gliederschmerzen) lindern. Kim et al. haben in einem Cochrane Review aus dem Jahre 2013 mit neun eingeschlossenen Studien und 1069 Patienten diesen Effekt bestätigt [7]. Auf andere Symptome wie Husten und Schnupfen gab es keine eindeutigen positiven Effekte durch die NSAIDs. Die deutsche Leitlinie für Rhinosinusitis schließt Diclofenac in die Therapie der Erkältung mit ein [2]. Anzumerken ist, dass die NSAIDs nicht in der Schwangerschaft, vor allem nicht im dritten Trimenon angewendet werden sollen und bei Patienten mit einer blutgerinnungshemmenden Medikation kontraindiziert sind. Kinder bis 16 Jahre dürfen aufgrund der Gefahr des Reye-Syndroms keine Acetylsalicylsäure einnehmen.
Li et al. haben 2013 in einem Review vier Studien mit 758 erwachsenen Teilnehmern eingeschlossen, um den Effekt von Paracetamol in der Therapie der Erkältung einzuordnen [8]. Zwei von vier Studien haben eine Wirksamkeit bei Kopfschmerzen attestiert; die Evidenzlage ist geringer als bei den NSAIDs. Paracetamol ist in hohen Dosierungen hepatotoxisch und sollte insbesondere bei Kindern nach dem Körpergewicht dosiert werden. Paracetamol gilt nach wie vor als Mittel der Wahl zur Behandlung von Schmerzen in der Schwangerschaft und kann nach Abklärung des Nutzen-Risikos in notwendigen Fällen gegen Kopfschmerzen appliziert werden. Alternativ stehen im ersten und zweiten Trimenon auch Diclofenac und Ibuprofen zur Verfügung.
Dekongestiva
Die symptomatische Behandlung einer verstopften Nase ist durch lokale und systemische Dekongestiva möglich, die zu einer Abschwellung der Nasennebenhöhlenschleimhaut und zu einer subjektiven Erleichterung des Krankheitsbildes führen. Ein Cochrane Review über sieben Studien mit 740 Teilnehmern bestätigt diesen Effekt und führt in der europäischen Leitlinie zu einer Empfehlung systemischer Dekongestiva [9]. Vier Studien bewerten den Einsatz von oral eingenommenem Pseudoephedrin, eine von lokal appliziertem Oxymetazolin, und jeweils eine zu oral eingenommenem Phenylpropanolamin bzw. Norephedrin. Der Vorteil der systemischen Anwendung ist, dass die Belüftung der Nasennebenhöhlen gewährleistet wird. Die deutsche Leitlinie, die zur Zeit überarbeitet wird, empfiehlt bisher lokale Dekongestiva. Laut Expertenmeinung ist aber eine Annäherung an die europäische Leitlinie anzunehmen.
Pseudoephedrin ist die Substanz, bei der die besten Erfahrungswerte vorliegen. Sie hat einen schleimhautabschwellenden Effekt, ihr Nebenwirkungspotenzial gilt dem von Placebo ähnlich. Als α–Mimetikum hat es vor allem kardiovaskuläre Nebenwirkungen und sollte bei Patienten mit einer Hypertonie und Herzinsuffizienz nicht ohne Rücksprache mit einem Arzt eingenommen werden. Wechselwirkungen treten vor allem mit Antihypertonika und Antidepressiva auf.
Die Dekongestiva werden auf dem deutschen Markt in zahlreichen Kombinationen angeboten. Die Kombination aus einem Antihistaminikum und einem Dekongestivum wurde in einem Cochrane-Review bezüglich der nasalen Obstruktion als nicht sicher klinisch relevant bewertet [10]. Der Einsatz macht nur bei allergisch bedingter Rhinitis Sinn.
Für Kombinationen von Analgetika und Dekongestiva wie z. B. Ibuprofen mit Pseudoephedrin (z. B. Boxagrippal®) bzw. Acetylsalicylsäure mit Pseudoephedrin (z. B. Aspirin® complex) konnten in klinischen Studien synergistische Effekte gezeigt werden [11] (siehe Tabelle 2). Sie wirken gegen den mit der Erkältung assoziierten Schmerz und helfen, die Nasenschleimhaut abzuschwellen. Für den Einsatz in der Selbstmedikation muss die Krankheitsgeschichte des Patienten, das Alter und die Einnahme der Komedikation unbedingt hinterfragt werden. Generell ist der Einsatz von Kombinationspräparaten auch nur sinnvoll, wenn alle Symptome vorliegen, gegen die das Mittel wirksam ist. Dies bezieht sich z. B. auf Dextrometorphan-haltige Kombinationen, die auch nur dann sinnvoll sein können, wenn Husten vorliegt. Die Einnahme von systemischen Dekongestiva wird ab zwölf Jahren empfohlen; jüngere Kinder sollen auf lokale Dekongestiva ausweichen.
Wirkstoff |
Handelsname |
Dosierung |
---|---|---|
Ibuprofen + Pseudoephedrin |
Boxagrippal®, Ibuhexal Grippal®, Olytabs®, Ratiogrippal®, Spaltgrippal®, Wick DuoGrippal®
|
|
Acetylsalicylsäure + Pseudoephedrin |
Aspirin® complex, Gripphexal®
|
|
Paracetamol + Phenylephrin |
Doregrippin®
Geloprosed®
|
|
Phytopharmaka
In einem Cochrane-Review über die traditionellen chinesischen Kräuter konnte kein positiver Effekt bei der Symptomlinderung einer Erkältung gezeigt werden [12]. Auch die Datenlage für Echinacea gilt als unzureichend, Echinacea-Präparate werden daher auch nicht von der europäischen Leitlinie für Rhinosinusitis empfohlen [1]. Auch die deutsche Leitlinie spricht keine Anwendungsempfehlung aus. Bei Echinacea-Präparaten konnte zwar gezeigt werden, dass einige Präparate beim banalen Schnupfen besser als Placebo wirkten, aber der Effekt reiche nicht für eine Empfehlung aus. Zudem seien allergisch bedingte Reaktionen möglich [2].
Die ätherischen Öle Cineol (z. B. Soledum®,CIN®) und Myrtol (z. B. Gelomyrtol®) bzw. Pelargonium-Extrakte (z. B. Umckaloabo®, Pelargonium-ratiopharm®) sind zur antiviralen Therapie von Atemwegsinfekten geeignet. In klinischen Studien konnten im Vergleich einer Placebo-Therapie positive Effekte am vierten Tag der Behandlung gezeigt werden.
Auch mit der Kombination aus fünf Pflanzenextrakten (Enzian, Schlüsselblume, Sauerampfer, Holunder und Eisenkraut) konnten positive therapeutische Effekte im Vergleich zu Placebo erzielt werden. Diese Kombination (z. B. Sinupret®, Solvohexal®) kann zur symptomatischen Therapie im Rahmen der Selbstmedikation empfohlen werden.
Nasenspülung mit isotonischer Kochsalzlösung
Durch eine lokale Anwendung isotonischer Kochsalzlösung soll das Nasensekret verflüssigt und die mukoziliäre Clearance verbessert werden. Nasenduschen und -spülungen können dem Patienten als Add-on angeboten werden, da sie bei akuten und chronischen Rhinosinusitiden zumindest eine Beschwerdelinderung bewirkten. Sie sollten aufgrund ihres geringen Effekts nicht als alleinige Therapiemaßnahme empfohlen werden [1, 2].
Bewertung der Therapie von Herrn A. S.
Der Entscheidungsbaum aus der europäischen Leitlinie ist eine Rationale, nach der die Arzneimitteltherapie abgestimmt werden kann (siehe Abb. 1). Wie bereits beschrieben erfüllt Herr A. S. die Leitsymptomatik (zwei Symptome: Kopfschmerz und verstopfte Nase) und auch den zeitlichen Verlauf (weniger als fünf Tage Krankheitsdauer) der Erkrankung. Gemäß der europäischen Leitlinie für Rhinosinusitis kann man Herrn A. S. eine Therapie bestehend aus einem Dekongestivum und einem Analgetikum empfehlen. Weil er keine Komedikation einnimmt und auch sonst keine Grunderkrankungen hat, ist eine Monotherapie ebenso wie die Einnahme eines Kombinationspräparats für einen kurzen Zeitraum von drei bis fünf Tagen denkbar.
Für den Fall, dass seine schwangere Frau ebenfalls erkältet ist, so sollte beachtet werden, dass die nicht-steroidalen antiinflammatorisch wirksamen Arzneimittel und Kombinationspräparate während des letzten Drittels der Schwangerschaft kontraindiziert sind. Hier können eine Dampfinhalation in Kombination mit Nasenspülungen und – nach Rücksprache mit dem Arzt – unter Umständen lokale Dekongestiva angebracht sein. Für die erwachsene Tochter des Patienten ist eine Kombination mit einem Antihistaminikum eventuell sinnvoll, sofern der Schnupfen bei ihr durch die Hausstauballergie hervorgerufen wird. Falls sein kleiner Sohn erkrankt, sollte man ihm raten, einen Arzt zu konsultieren. Jedoch gibt es auch für diese Altersklasse Analgetika und Dekongestiva in entsprechenden Dosierungen. |
Literatur
[1] Mullol WJ, Fokkens VJ, Lund J et al. EPOS 2012: European position paper on rhinosinusitis and nasal polyps 2012. Rhinology 2012;50(23):1-298
[2] Stuck BA et al. Leitlinie Rhinosinusitis. Langfassung. HNO 2012;60(2):141-162, Stand: 03/2011, Leitlinie wird im Moment überprüft
[3] Eccles R. Understanding the symptoms of the common cold and influenza. Lancet infectious diseases 2005;5(11):718-725
[4] Laven A. Entwicklung einer qualitätsgesicherten pharmazeutischen Beratung in der Selbstmedikation am Beispiel des Common Cold: evidenzbasiert, patientenzentriert, strukturiert und praxistauglich. Dissertation 2014, abgerufen am 22. Dezember 2016, http://docserv.uni-duesseldorf.de/servlets/DocumentServlet?id=31396
[5] Johnston S, Holgate S. Epidemiology of viral respiratory infections. In: Myint S, Taylor-Robinson D. eds. Viral and other infections of the human respiratory tract. London: Chapman & Hall 1996:1-38
[6] Heikkinen T, Järvinen A. The common cold. Lancet 2003;361:51-59
[7] Kim SY, Chang YJ, Cho HM, Hwang YW, Moon YS. Non-Steroidal Anti-Inflammatory Drugs For the Common Cold. Cochrane Database of Systematic Reviews 2013
[8] Li S, Yue J, Dong BR, Yang M, Lin X, Wu T. Acetaminophen (Paracetamol) For the Common Cold In Adults. Cochrane Database of Systematic Reviews 2013
[9] Taverner D, Latte GJ. Nasal Decongestants for the Common Cold. Cochrane Database of Systematic Reviews 2009
[10] De Sutter AI, Lemiengre M, Campbell H. Antihistamines for the Common Cold. Cochrane Database of Systematic Reviews 2009
[11] de Sutter AI, Van Driel ML, Kumar AA, Lesslar O, Skrt A. Oral Antihistamine-Decongestant-Analgesic Combinations For the Common Cold. Cochrane Database of Systematic Reviews 2012
[12] Zhang X, Wu T, Zhang J, Yan Q, Xie L, Liu GJ. Chinese Medicinal Herbs For the Common Cold. Cochrane Database of Systematic Reviews 2007
Wenn Ökotest rot sieht
Ein Kommentar von Doris Uhl
Es ist wieder Erkältungszeit und die Zeit, in der die Tester und Arzneimittelkritiker der Nation besonders gerne medienwirksam Erkältungspräparate aus der Apotheke bewerten. Der Duktus ist seit Jahren der gleiche: Kombinationspräparate sind des Teufels, bei Monopräparaten wird grünes Licht gegeben. So bemüht auch das Magazin Ökotest in seiner ersten Ausgabe in diesem Jahr die schlichte Signalkraft der Ampel in Kombination mit Daumen rauf und runter:
- Daumen hoch und grün für Acetylsalicylsäure, Ibuprofen und Paracetamol,
- Daumen quer und gelb für den Zusatz von Coffein (ist in Ordnung, bringt aber nichts),
- Daumen runter und rot für alle Dekongestiva wie Phenylephrin und Pseudoephedrin, Hustenblocker wie Dextromethorphan und Schleimlöser wie Guaifenisin, Antihistaminika wie Doxylamin und Chlorphenamin und zum guten Schluss Vitamin C.
Dann wird noch der Geschäftsführer des Arzneitelegramms Wolfgang Becker-Brüser zitiert, der schlichtweg alle Kombinationen zur Behandlung von Erkältungen als nicht rational einstuft. Sicher kann man über Sinn und Unsinn von Vitamin C als Zusatz streiten. Doch schon beim Coffeinzusatz gibt es spannende Daten, die dem Psychostimulans eine coanalgetische Wirkung bescheinigen – und zwar in der Form, dass die Wirkung des Analgetikums verstärkt wird und sie zudem noch schneller eintritt. Das könnte durchaus für den einen oder anderen Patienten von Vorteil sein, beispielsweise, weil weniger Schmerzmittel benötigt werden. Und auch die von Ökotest für entbehrlich gehaltenen Kombinationen aus Schmerzmittel und Dekongestivum, also schleimhautabschwellenden Wirkstoffen, haben eine Rationale. So beginnen akute Erkältungen gerne mit Kopfschmerzen, Fieber und Schnupfen. Klar, Nasentropfen und eine ASS-Brausetablette können vollkommen reichen. Aber für Patienten, die schnell Nasennebenhöhlenentzündungen entwickeln und keine Kontraindikationen für eine systemische Gabe der Dekongestiva aufweisen, können Kombinationen aus ASS oder Ibuprofen mit Dekongestiva eine sinnvolle Option sein, um Antibiotikatherapien zu vermeiden. Denn mit der systemischen Gabe von Dekongestiva lassen sich die Atemwege gegebenenfalls effektiver frei halten als mit Tropfen, einer bakteriellen Superinfektion kann so unter Umständen der Nährboden besser entzogen werden. Was allerdings wirklich keinen Sinn macht, und da muss man den Experten von Ökotest Recht geben, sind Kombinationen, die Hustenblocker gegen einen noch nicht vorhandenen Husten enthalten, dann auch noch kombiniert mit müde machendem Antihistaminikum und aufputschendem Sympathomimetikum, so dass die Wirkung tatsächlich unkalkulierbar wird.
Erkältung ist nicht gleich Erkältung, immer wird es Situationen geben, die Leitlinien nicht abbilden und für die Studien fehlen. Dann ist unser pharmazeutischer Sachverstand gefragt.Er wird sicher so manches Mal eine rote Daumen-runter-Ökotest-Empfehlung in eine grüne Daumen-rauf-Apotheker-Empfehlung umschlagen lassen. Entscheidend ist, dass jeder Patient optimal versorgt wird.
In dem Beitrag „Was gegen Schnupfen hilft“ in DAZ 2017, Nr. 2, S. 38 bis 43 ist uns bedauerlicherweise im Abschnitt „Analgetika“ auf S. 40 ein Fehler unterlaufen. Richtig ist, dass Ibuprofen und Diclofenac im ersten und zweiten Trimenon angewendet werden können. Nicht-steroidale Antirheumatika dürfen im dritten Trimenon nicht eingesetzt werden, da sie zum vorzeitigen Verschluss des Ductus arteriosus beim Fetus führen können.
Auch auf der Seite 43 fehlt der Hinweis, dass nicht-steroidale Antirheumatika im ersten und zweiten Trimenon einer Schwangerschaft angewendet werden können. Wir bitten um Entschuldigung!
Die falsche Formulierung haben wir hier in diesem Text korrigiert, da wir nicht möchten, dass die
Information falsch verbreitet wird.
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