Arzneimittel und Therapie

Levothyroxin für Ältere ohne Benefit?

Bei über 65-Jährigen mit latenter Hypothyreose konnten Symptome nicht gebessert werden

Müdigkeit, Gewichtszunahme, Hauttrockenheit und Haarausfall zählen zu den häufigsten und belastendsten Symptomen einer Hypothyreose. Standardtherapie ist die Levothyroxin-Substitution. Doch profitieren davon auch ältere Patienten mit latenter Unterfunktion?

Dieser Frage wurde in der randomisierten placebokontrollierten Studie TRUST (Thyroid hormone replacement for untreated older adults with subclinical hypothyroidism) nachgegangen. Einschlusskriterien waren ein Mindestalter von 65 Jahren und anhaltend erhöhte TSH-Spiegel im Bereich zwischen 4,60 und 19,99 mU/l. Das freie Thyroxin (fT4) lag im Normalbereich. Die Untersuchung wurde randomisiert und doppelblind durchgeführt, wobei die meisten Patienten der Verumgruppe (n = 368, Placebo: n = 369) zu Studienbeginn 50 µg Levothyroxin pro Tag erhielten, bei einem Körpergewicht unter 50 kg oder einer koronaren Herzerkrankung dagegen nur 25 µg/d. Im weiteren Verlauf erfolgte eine Dosisanpassung. Zielwert war ein TSH-Spiegel zwischen 0,40 und 4,59 mU/l. Der Behandlungserfolg wurde mithilfe von Bewertungsskalen wie dem Thyroid-Related Quality-of-Life Patient-Reported Outcome measure Hypothyroid Symptoms Score (ThyPRO), dem Tiredness Score sowie weiterer Parameter über ein Jahr evaluiert.

TSH-Spiegel rasch im Zielbereich

Im Laufe der ersten Behandlungswochen sanken die TSH-Spiegel bei den Patienten der Verumgruppe rasch ab und lagen nach 12 Monaten bei 3,63 mU/l. Der Unterschied zur Placebogruppe lag bei etwa 2 mU/l. Das Befinden der Patienten verbesserte sich dagegen im Laufe eines Jahres nicht. Auch weitere Parameter wie Blutdruck, Body-Mass-Index oder Bauchumfang wurden durch die Levothyroxin-Gabe nicht beeinflusst. Schwere unerwünschte Ereignisse wie beispielsweise Herzinsuffizienz, Vorhofflimmern, Frakturen oder neu diagnostizierte Osteoporose traten in beiden Gruppen etwa gleich häufig auf.

Kein Benefit für Ältere

Die Gründe dafür, dass die Levothyroxin-Gabe bei den älteren Patienten (mittleres Alter 74,4 Jahre) keine Symptomverbesserung brachte, können vielfältig sein. Die Autoren diskutieren beispielsweise, dass der Ziel-TSH-Bereich von 0,40 bis 4,60 mU/ zwar leitlinienkonform ist, andere Fachgesellschaften aber durchaus andere Bereiche wie z. B. 0,40 bis 2,50 mU/l empfehlen. Um dorthin zu gelangen, müsste eine „aggressivere“ Behandlung erfolgen, die dann vielleicht zu einer Symptomverbesserung führen würde.

Wie hoch ist erhöht?

Die DEGAM-Leitlinie spricht ab einem TSH-Wert von 4,0 mU/l von erhöhten Werten. Sie weist jedoch auch darauf hin, dass die von Laboren festgelegten Referenzbereiche häufig variieren. Beispielsweise kann der obere TSH-Grenzwert bei 2,5 oder 5 mU/l liegen. Subgruppenanalysen in der amerikanischen Bevölkerung weisen zudem darauf hin, dass bei älteren Menschen von höheren TSH-Referenzwerten ausgegangen werden muss, beispielsweise bei über 70- bis 79-Jährigen von einem oberen TSH-Referenzwert von 5,9 mU/l, bei über 80-Jährigen von 7,5 mU/l. Für altersabhängige Referenzbereiche reicht jedoch die bisherige Evidenz aus Studien nicht aus.

Was deutsche ­Leitlinien empfehlen

Die S2k-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM) „Erhöhter TSH-Wert in der Hausarztpraxis“ empfiehlt bei primär latenter Hypothyreose eine Substitution mit 25 bis 50 μg Levothyroxin pro Tag. Dagegen trifft die Leitlinie für ältere (≥ 60 Jahre) und hochbetagte (≥ 85 Jahre) Patienten die Aussage, dass unter dem Aspekt der Multimorbidität und der damit einhergehenden Polymedikation geprüft werden sollte, ob eine Levothyroxin-Therapie einen Benefit für den Patienten bringt. Es bestehe, so die Leitlinienautoren, ansonsten die Gefahr der Übertherapie.

Erhöhter TSH-Wert in der Hausarztpraxis. S2k-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM), Stand Juni 2016

Für jüngere Patienten mit latenter Hypothyreose empfiehlt die Leitlinie eine individuelle Entscheidung. Ein asymptomatischer Patient mit leicht erhöhtem TSH (≤ 10 mU/l) sollte nicht substituiert werden. Bei symptomfreier Hypothyreose kann eine Hormonsubstitution eingeleitet werden, wenn der TSH-Wert über 10 mU/l liegt oder wenn der Patient dies nach Aufklärung wünscht. Patienten mit behandlungsbedürftiger Hypothyreose sollen auf jeden Fall mit Levothyroxin substituiert werden (s. Abb.). |

Apothekerin Dr. Claudia Bruhn

Quelle

Stott DJ et al. Thyroid hormone therapy for older adults with subclinical hypothyroidism. NEJM 2017, online publiziert am 3. April 2017, www.nejm.org, DOI: 10.1056/NEJMoa1603825

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