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Medizin

Chamäleon zwischen Organ- und Tumormarker

Was PSA-Werte bedeuten können und was nicht

Es gibt wohl wenig Laborwerte, deren prädiktive Aussagekraft so kontrovers beurteilt wird wie der des Prostata-spezifischen Antigens (PSA-Wert). Zwar ist eine Krebserkrankung mit steigendem PSA-Wert wahrscheinlicher, niedrige PSA-Spiegel schließen sie indes nicht aus. Eine endgültige Aussage ist auch bei hohen Werten erst anhand einer Gewebeprobe möglich. Dabei werden unter Umständen sehr langsam wachsende Karzinome entdeckt, die in der Lebensspanne des Betroffenen vielleicht nie zu Symptomen oder gar zum Tod geführt hätten. In diesem Fall kann eine PSA-Bestimmung unnötige Ängste wecken und zu überflüssigen Eingriffen führen. Anders verhält es sich beim Prostatakarzinom-Patienten: Hier herrscht Konsens darüber, dass eine Überwachung des PSA-Wertes wichtige Hinweise auf den Krankheitsverlauf gibt.  | Von Petra Jungmayr

In den 60er- und 70er-Jahren des letzten Jahrhunderts kam die Frage auf, ob Tumor-spezifische Antigene als Biomarker oder Targets für eine Immuntherapie bei Krebserkrankungen hilfreich sein könnten. In diesem Zusammenhang wurde auch nach Proteinen im Prostatagewebe und Sperma gesucht. 1960 berichtete der amerikanische Urologe Rubin Flock über die Eigenschaften eines Antigens in der Prostata. Dem folgten Arbeiten japanischer und amerikanischer Wissenschaftler und 1970 identifizierten Richard Ablin und seine Mitarbeiter zwei für die humane Prostata spezifische Antigene. In weiteren Schritten wurde das Protein charak­terisiert, sensitive ELISA-Immunoassays entwickelt und der klinische Einsatz als Biomarker für Prostatakarzinome evaluiert.

Der PSA-Wert

Das Prostata-spezifische Antigen (PSA) ist ein sekretorisches Glykoprotein (Serinproteinase), das in den Epithelzellen der Prostata gebildet wird und ein Molekulargewicht von etwa 33 kD aufweist. Seine physiologische Aufgabe besteht in der Verflüssigung gelartiger Proteine des Ejakulats, die die Beweglichkeit der Spermien blockieren. In der Seminalflüssigkeit kommt PSA in freier Form vor, im Plasma in freier Form und gebunden an Alpha-1-Anti-Chymotrypsin und Alpha-2-Makroglobulin. PSA wird überwiegend von normalem, hyperplastischem und malignem Prostatagewebe gebildet und ist in geringen Spuren im Blut nachweisbar. Erhöhte PSA-Konzentrationen im Serum weisen auf eine Erkrankung der Prostata hin, können aber auch durch eine Vielzahl weiterer Noxen verursacht werden. Problematisch ist die Abgrenzung zwischen einer benignen Prostatahyperplasie und einem Prostatakarzinom sowie zwischen hoch- und niedrig malignen Prostatakarzinomen. Zu einer besseren Einschätzung können neben der Bestimmung des Gesamt-PSA-Wertes weitere Parameter herangezogen werden:

  • Die PSA-Anstiegsgeschwindigkeit oder PSA-Velocity (PSA-Erhöhung pro Zeiteinheit, gemessen in ng/ml und Jahr): Man geht davon aus, dass bei Patienten mit einem Prostatakarzinom das Prostatavolumen schneller zunimmt als bei der benignen Hyperplasie. Der PSA-Anstieg pro Zeiteinheit erlaubt daher, das Wachstumsverhalten und die Differenzierung von Prostatagewebe abzuschätzen.
  • Die PSA-Dichte (der Quotient aus PSA-Konzentration und sonographisch bestimmtem Prostatavolumen).
  • Der freie PSA-Wert: dieser wird zur Abgrenzung einer benignen Hyperplasie von einem Prostatakarzinom herangezogen.
  • Der Quotient freies PSA/Gesamt-PSA: diese Bestimmung soll die Spezifität der Messung erhöhen. Einen festen Stellenwert hat der Test noch nicht.


  • Tab. 1: Grenzwerte der Parameter
    Gesamt-PSA
    < 4 ng/ml; im Alter steigend
    PSA-Velocity
    < 0,75 ng/ml/Jahr
    Freies PSA
    > 9 eher Prostatakarzinom
    < 9 eher Prostatahyperplasie
    PSA-Dichte
    großes Adenom: PSA-Wert↑
    kleines Adenom: PSA-Wert↓

Die PSA-Bestimmung

Die Bestimmung des PSA-Wertes erfolgt aus dem Serum mithilfe der ECLIA-Methode (ECLIA = Elektrochemilumineszenz-Immunoassay) zur quantitativen In-vitro-Messung des gesamten PSA (freies und proteingebundenes PSA). Nach Möglichkeit sollte der PSA-Wert immer nach derselben Methode und im selben Labor durchgeführt werden, um Abweichungen aufgrund eines Messverfahrens auszuschließen. Der PSA-Test ist kein Bestandteil des gesetz­lichen Früherkennungsprogramms. In der Regel ist die Bestimmung des PSA-Wertes eine Igel-Leistung und kostet ca. 30 Euro. Teststreifen zur Bestimmung des PSA-Wertes sind ungeeignet.


„Es ist ganz entscheidend, den Patienten im Vorfeld darüber aufzuklären, welche Folgen ein auffälliger Befund haben kann“.

Prof. Dr. Markus Graefen auf Medscape am 24. Januar 2017

Was ist normal?

Der PSA-Wert ist ein Organmarker und es gibt keine absoluten Werte, die mit dem Auftreten eines Tumors verknüpft sind, zumal zahlreiche Faktoren den PSA-Wert beeinflussen können. Dazu zählen das Alter, Entzündungen der Prostata oder Blase, Prostatahyperplasie, Blasenentleerungsstörungen, Druck auf die Prostata z. B. durch Radfahren oder die Prostata-Tastuntersuchung, Geschlechtsverkehr und die Einnahme von Medikamenten (Abnahme durch 5-alpha-Reduktase-Hemmer). Zwar gibt es altersspezifische Normwerte, deren Aussagekraft ist aber begrenzt. Das heißt, auch wenn ein sehr niedriger PSA-Wert vorliegt, kann ein Karzinom bestehen und vice versa muss bei hohen PSA-Werten nicht automatisch ein Tumor der Prostata vorliegen. Als grobe Richtlinie gilt derzeit, dass

  • bei PSA-Spiegeln unter 1 ng/ml der Wert allenfalls alle drei Jahre kontrolliert werden sollte.
  • bei Werten zwischen 1 ng/ml und 2 ng/ml der Mess­abstand enger gefasst werden sollte.
  • bei Werten größer 2 ng/ml eine jährliche Bestimmung empfohlen wird.
  • ein PSA-Wert über 4 ng/ml als suspekt gilt. Bleibt der Wert so hoch, sollte über eine Biopsie nachgedacht werden.

Wenn der PSA-Wert steigt und wieder fällt, ist die Ursache wahrscheinlich eher eine Prostatitis oder sonstige Reizung der Prostata. Steigt der PSA-Wert ständig und wird die Prostata nicht größer, ist dies ein Hinweis auf einen möglichen Tumor.

Zwischen Benefit und Überdiagnostik

Die Aussagekraft des PSA-Wertes im Rahmen der Vorsorge wird nicht einheitlich beurteilt. Ob ein Screening empfohlen wird, hängt unter anderem von nationalen Empfehlungen und den zugrunde liegenden Studien ab.

So führten in den USA die Ergebnisse der PLCO-Studie (Prostate, Lung, Colorectal and Ovarian Cancer Screening Trial) zu einer Ablehnung des PSA-Screenings. In dieser Studie wurden Männer, die einen PSA-Test durchführten, mit Männer verglichen, die dies unterließen. Dabei zeigte sich hinsichtlich der Prostatakrebsmortalität kein Benefit für die gescreenten Probanden.

Was spricht für den PSA-Test?

  • Verfechter der Früherkennung mithilfe des PSA-Tests gehen unter anderem davon aus, dass es eine Untergruppe von Patienten gibt, deren Tumoren schnell und aggressiv wachsen. Bei ihnen könnte eine frühe Erkennung durch regelmäßige Untersuchungen dazu beitragen, die Lebenserwartung zu verlängern.
  • Ein solches aggressives Wachstum findet sich nicht selten bei Männern, bei denen mehrere Erkrankungen in der Familie oder Erkrankungen im Alter von 60 oder weniger Jahren auf ein eventuell genetisches Risiko deuten. Allerdings finden sich gerade unter diesen Betroffenen auch Männer, bei denen selbst ein sehr aggressives Prostatakarzinom den PSA-Wert nur vergleichsweise wenig ansteigen lässt.

Was spricht gegen den PSA-Test?

  • Geht es nach den schärfsten Kritikern des PSA-Tests, sollten Männer auf seine Durchführung besser ganz verzichten, da der Nutzen nicht gesichert ist. Was nutzt es, so die Mahnung vieler Krebsexperten, sehr früh von einer Krebserkrankung zu erfahren, wenn sich dies nicht in einem Gewinn an Lebensjahren auswirkt?
  • Dahinter steht die Überlegung, dass rein statistisch die meisten Männer erst in sehr fortgeschrittenem Alter erkranken – ihr Tumor würde oft gar nicht zu Beschwerden führen und ihr Leben nicht verkürzen. Erfahren sie dagegen von ihrer Krebserkrankung, führt dies zu psychischer wie körperlicher Belastung und zu möglicherweise unnötigen Behandlungen.
  • Es gibt Hochrechnungen, dass auf einen Patienten, der dank des Tests länger lebt, zwischen 30 und 40 Patienten kommen, die keinen Vorteil, sondern nur Nebenwirkungen der Therapie erleben. Diese Zahlen sind allerdings nicht unumstritten.

Quelle: Deutsches Krebsforschungszentrum; Krebsinformationsdienst

Doch nun wird dieser Studie in einer Neubewertung eine fehlerhafte Auswertung vorgeworfen. Nachträglich stellte sich heraus, dass 90% der angeblich Nicht-Getesteten doch einen PSA-Test durchführen ließen und sich – falls erforderlich – einer Behandlung unterzogen. Zudem hatte nicht jeder Teilnehmer der Testgruppe einen PSA-Test durchführen lassen – es wurden also zwei Gruppen verglichen, in denen der PSA-Wert beinahe gleich häufig bestimmt worden ist. Die ursprünglichen Schlussfolgerungen hatten jedoch zu einer Abnahme der PSA-Tests und damit zu einer verzögerten ­Diagnostik mit einem Anstieg aggressiver Tumore geführt.

In der ERSPC-Studie (European Randomised Study of Screening for Prostate Cancer Trial) konnte der Nutzen des PSA-Screenings belegt werden. Sie zeigte eine Abnahme der Prostatakrebsmortalität binnen 13 Jahren um gut ein Fünftel durch ein PSA-Screening. Doch trotz des erwiesenen Screeningeffekts sprachen sich die Autoren der ERSPC-Studie nicht für ein allgemeines PSA-Screening aus. Und dies aus folgendem Grund: Nach den Berechnungen der ERSPC-Studiengruppe würden durch das Screening 12 bis 13 von 10.000 Männern vor dem Tod durch Prostatakrebs bewahrt. Dem standen mehr als 340 von jeweils 10.000 Männer gegenüber, bei denen das Screening einen Krebs entdeckte, der ansonsten unbemerkt geblieben wäre.

Dies deckt sich auch mit einer Auswertung des schwedischen Krebsregisters. Auch sie kommt zu dem Schluss, dass ein sorgfältiges und geregeltes PSA-Screening die Sterblichkeit durch Prostatakrebs günstig beeinflussen könne. Allerdings werde der Test häufig den falschen Altersgruppen angeboten. Insbesondere bei älteren Männern führe die Messung häufig zu Überdiagnosen und unnötigen Behandlungen. Ähnlich sieht dies ein Cochrane Review aus dem Jahr 2013.

Derzeitiges Fazit: Die Möglichkeit der Überdiagnostik und das ungeklärte Verhältnis zwischen Nutzen und Schaden durch das PSA-Screening bleiben problematisch und müssen individuell beurteilt werden.

Was sagt die aktuelle S3-Leitlinie?

Die im Dezember 2016 aktualisierte S3-Leitlinie zur Früherkennung, Diagnose und Therapie der verschiedenen Stadien des Prostatakarzinoms trifft folgende Aussagen (Auszug):

  • Der Anteil von nachgewiesenen Prostatakarzinomen ist signifikant höher in Screeninggruppen verglichen mit Beobachtungsgruppen. Durch das Screening werden auch zahlreiche Karzinome entdeckt, die keiner Behandlung bedürfen. Die Prostatakarzinom-spezifische Mortalität wird durch das Screening entweder gesenkt oder nicht signifikant beeinflusst. Ein Einfluss auf die Gesamtüberlebenszeit ist nicht nachgewiesen.
  • Männer, die mindestens 45 Jahre alt sind und eine mutmaßliche Lebenserwartung von mehr als zehn Jahren haben, sollen prinzipiell über die Möglichkeit einer Früherkennung informiert werden. Bei Männern mit erhöhtem Risiko für ein Prostatakarzinom kann diese Altersgrenze um fünf Jahre vorverlegt werden. Die Männer sollen über die Vor- und Nachteile der Früherkennungsmaßnahmen aufgeklärt werden, insbesondere über die Aussagekraft von positiven und negativen Testergebnissen sowie über gegebenenfalls erforderliche weitere Maßnahmen.
  • Männern, die nach der Aufklärung eine Früherkennungsuntersuchung wünschen, soll das Bestimmen des PSA-Wertes als Untersuchungsmethode angeboten werden.
  • Ein erhöhter PSA-Wert soll unter Berücksichtigung von Einflussfaktoren kontrolliert werden.
  • Bei Männern, die weiterhin eine PSA-Früherkennungsuntersuchung wünschen, sollte sich das Intervall der Nachfolgeuntersuchung am aktuellen PSA-Wert und am Alter der Patienten orientieren, sofern keine Indikation zur Biopsie gegeben ist. Für die Altersgruppe ab 45 Jahren und einer Lebenserwartung von mehr als zehn Jahren gilt:
  • PSA < 1 ng/ml: Intervall alle 4 Jahre
  • PSA = 1 – 2 ng/ml: Intervall alle 2 Jahre
  • PSA > 2 ng/ml: Intervall jedes Jahr
  • Für Männer über 70 Jahre und einem PSA-Wert < 1 ng/ml wird eine weitere PSA-gestützte Früherkennung nicht empfohlen.

In einem Sondervotum spricht sich die DEGAM (Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin) gegen eine allgemeine Information über den PSA-Wert aus. Nach ihrer Auffassung ist ein systematisches Ansprechen der Männer auf das PSA-Screening nicht zu empfehlen, da die Evidenz zum Nutzen eines PSA-Screenings nicht ausreicht und es deutliche Hinweise für einen potenziellen Schaden des PSA-Screenings gibt.

PSA-Bestimmung in der Nachsorge

Nach der Behandlung eines Prostatakarzinoms wird im Rahmen der Nachsorge in regelmäßigen Abständen der PSA-Wert kontrolliert. Nach der operativen Entfernung der Prostata sinkt der PSA-Wert in der Regel soweit ab, dass er nicht mehr nachweisbar ist. Auch nach erfolgreicher Strahlenbehandlung fällt der PSA-Wert auf einen niedrigen Wert, allerdings relativ langsam. Steigt der Wert erneut an, besteht der Verdacht auf ein Rezidiv.

Patienten mit metastasiertem Prostatakarzinom erhalten meist zunächst eine antihormonelle Therapie. Der PSA-Wert im Blut dient dann als Marker für den Erfolg einer Behandlung. Spricht das metastasierte Prostatakarzinom nicht mehr auf eine Hormonbehandlung an, zeigt sich das an einem wieder ansteigenden PSA-Wert. Bei einem kastra­tionsrefraktären Verlauf kann eine Chemotherapie erfolgen; fällt der PSA-Wert dann ab, ist dies ein Zeichen für die Rückbildung des Tumors. |

Quellen:

Interdisziplinäre Leitlinie der Qualität S3 zur Früherkennung, Diagnose und Therapie der verschiedenen Stadien des Prostatakarzinoms. Dezember 2016. AWMF-Register-Nummer 043/022OL.

DEGAM-Manual zur Hausärztlichen Beratung zu PSA-Screening. Stand 01/2016.

Shoag J et al. Reevaluating PSA testing tates in the PLCO Trial. N Engl J Med 2016;374:1795-1796.

Hu JC et al. Increase in Prostate Cancer Distant Metastases at Diagnosis in the United States. JAMA Oncology, epub 29.12.2016, doi:10.1001/jamaoncol.2016.5465.

Andriole G et al. Mortality Results from a Randomized Prostate-Cancer Screening Trial. N Engl J Med 2009;360:1310-1319.

Schröder F et al. Screening and prostate cancer mortality: results of the European Randomised Study of Screening for Prostate Cancer (ERSPC) at 13 years of follow-up. Lancet 2014;384:2027-2035.

Bublak R. Mit falschen Daten schlechtgeredet? Ärzte Zeitung vom 16.11.2016.

Bokhorst, L. et al. Correlation between stage shift and differences in mortality in the European Randomised study of Screening for Prostate Cancer (ERSPC). BJU Int 2016;118:677.

Catalona W. History of the discovery and clinical translation of prostate-specific antigen. Asian Journal of Urology 2014;1:12-14.

Stattin P et al. Prostate cancer mortality in areas with high and low prostate cancer incidence. J Natl Cancer Inst. 2014 Mar;106(3):dju007. doi: 10.1093/jnci/dju007.

Ilic D et al. Screening for prostate cancer. Cochrane Database Syst Rev. 2013;(1):CD004720. doi: 10.1002/14651858.CD004720.pub3.

http://www.uniklinik-ulm.de/struktur/institute/klinische-chemie/home/praeanalytik/untersuchungen-leistungsverzeichnis/nop/psa.html.

http://www.onkolleg.de/Hilfe-fuer-Patienten/Prostatakrebs/Diagnose-und-Frueherkennung/PSA.htm?ID=804

https://www.krebsinformationsdienst.de/tumorarten/prostatakrebs/

Autorin

Dr. Petra Jungmayr

ist Apothekerin und freie Mitarbeiterin der DAZ.

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