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Wirtschaft
Bitterer Ausstieg für Importeure
Brexit verändert den Parallelhandel mit Arzneimitteln in Europa
Bereits im Februar 2016 antizipierten die Finanzmärkte die Folgen eines Austritts Großbritanniens aus der EU. Die Befürchtung, dass es zur Brexit-Entscheidung kommen könnte, führte an den Devisenmärkten dazu, dass es mit dem britischen Pfund abwärts ging. Analysten der Großbank Goldman Sachs prognostizierten zeitgleich einen weiteren Einbruch der britischen Währung um 15 bis 20 Prozent, sollte eine Mehrheit der Briten tatsächlich für das Ausscheiden ihres Landes aus der EU stimmen, weil Investoren reihenweise das Vereinigte Königreich verlassen könnten.
Am 23. Juli 2016 kam es dann zu einer historischen Entscheidung – die wohl auch viele britische Bürger überraschte. Eine Mehrheit der wahlberechtigten Engländer, Waliser, Schotten und Nord-Iren entschieden sich für den Brexit, das Ausscheiden ihres Landes aus der EU.
Warum verändert Brexit den Arzneimittel-Parallelhandel?
Der europäische Arzneimittelmarkt ist in einzelne Ländermärkte aufgeteilt. Eine Folge dieser Aufteilung sind unterschiedliche Preisniveaus. Parallelhändler nutzen diese Preisunterschiede, indem sie Originale in den EWR-Mitgliedsländern mit niedrigen Preisen aufkaufen und in weiteren Ländern des EWR wieder verkaufen. Obwohl erhebliche Kosten z. B. für Logistik und Umverpackung von den Parallelhändlern getragen werden, ist der Arbitragehandel grundsätzlich ein attraktives Geschäft – ist doch das Marktvolumen in diesem Segment des europäischen Pharmamarktes während der letzten Jahre angestiegen. Aktuell ist der Parallelimportmarkt in den sogenannten Netto-Importländern) im EWR allerdings leicht rückläufig. Bei den Ländern, in die mehr Arzneimittel importiert als parallel exportiert werden, handelt es sich um Deutschland, Großbritannien, die Niederlande, die Republik Irland und die skandinavischen Länder. Sie stehen für rund 95 Prozent des europäischen Parallelhandels (s. Abb. 1).
Für den Parallelhandel im europäischen Binnenmarkt ist das Vereinigte Königreich eine wichtige Drehscheibe – als Parallelexportmarkt, aber auch als das zweitgrößte Importland mit einem Anteil von 20 Prozent nach Wert. Aufgrund des schwachen Pfunds gehen die Parallelimporte nach Großbritannien jedoch aktuell zurück.
Das Vereinigte Königreich wird höchstwahrscheinlich – nach einem vollzogenen Brexit – den Zugang zum europäischen Binnenmarkt verlieren. Seit Oktober 2016 wurde immer deutlicher, dass die britische Regierung keine Zugeständnisse hinsichtlich der Personenfreizügigkeit machen wird und die EU wiederum auf die Erfüllung aller vier Grundfreiheiten (freier Warenverkehr, freier Dienstleistungsverkehr, freier Kapitalverkehr und freier Personenverkehr) besteht.
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Norwegen gibt ein Beispiel, wie eine Teilnahme Großbritanniens an der europäischen Wirtschaft aussehen könnte: Das skandinavische Land ist Mitglied im EWR und zahlt ins Budget der EU ein. Allerdings kann es keinen Einfluss auf die EU-Gesetzgebung nehmen. Spätestens seit die britische Premierministerin May am 17. Januar 2017 erstmals konkrete Ziele für den Brexit formulierte und klar machte, dass sie einen „harten Brexit“ ohne Personenfreizügigkeit und daher auch ohne Binnenmarktzugang anstrebt, ist das „Norwegische Modell“ wohl aber nicht mehr zu realisieren.
Das Vereinigte Königreich wird – aller Wahrscheinlichkeit nach – in Zukunft nicht mehr am EWR teilnehmen. Die rechtlichen Grundlagen für den europäischen Parallelhandel werden sich fundamental ändern und höchstwahrscheinlich wird der Parallelhandel mit Großbritannien zum Erliegen kommen.
Wechselkurse beeinflussen den Parallelhandel in Europa
Neben Preisunterschieden, politischen Entscheidungen, Gesetzen und der Rechtsprechung beeinflussen vor allem Wechselkurse den Warenstrom im EWR. Wie stark insbesondere der britische Parallelimportmarkt durch den Pfundkurs bestimmt wird, zeigen die Jahre 2008 und 2009. Zeitgleich mit einem schwachen Wechselkurs des Pfunds brachen die Parallelimporte nach Großbritannien ein. Im Jahr 2008 um - 18 Prozent und ein Jahr später sogar um - 45 Prozent. Britische Händler „entdeckten“ während diesen Jahren insbesondere Deutschland als Zielmarkt für Arzneimittel. Zeitweise führte diese Ausrichtung auf den deutschen Markt sogar zu einer Arzneimittelknappheit in Großbritannien. Während der letzten Jahre bzw. bis Anfang 2016 prägte ein starkes Pfund den Parallelhandel mit dem Vereinigten Königreich, entsprechend hoch waren die Parallelimporte auf die britischen Inseln.
Seit der Brexit-Entscheidung dreht sich das Blatt wieder. Aufgrund der schwachen Entwicklung des Pfunds ist der Parallelimportanteil (nach Wert) zwischen Juli und August 2016 von 10 Prozent auf 9 Prozent zurückgegangen. Im Februar und März 2016 lag der Anteil noch bei 11 Prozent. Umgekehrt treibt der schwache Pfundkurs die Parallelexporte von Großbritannien in andere Länder des EWR an – allen voran nach Deutschland.
Im Oktober 2016 erreichte der Pfundkurs den tiefsten Stand. Laut „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ überholte während dieses Zeitraums die französische Wirtschaft die britische Volkswirtschaft, darüber hinaus standen alle Zeichen auf „harten“ Brexit. Der Parallelimportanteil fiel um einen weiteren Prozentpunkt. Verlautbarungen der britischen Regierung, den Zugang zum europäischen Binnenmarkt ggf. zu „erkaufen“, führten im November 2016 zu einer leichten Erholung des Pfund-Kurses. Spätestens seit der Kommunikation des Zwölf-Punkte-Plans von Theresa May Mitte Januar 2017 steht jedoch so gut wie fest, dass das Vereinigte Königreich nicht nur die EU sondern auch den EWR verlassen wird.
Parallel gehandelte Arzneimittel sind ein begehrtes Gut. Wenn die Ware nicht mehr ins Vereinigte Königreich importiert werden kann, stehen diese Arzneimittel für andere Ländermärkte im EWR zur Verfügung. Die weiteren Monate bleiben spannend. |
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