Arzneimittel und Therapie

ASS als „Pro-Baby-Pille“?

Hinweise auf eine erhöhte Fruchtbarkeit unter niedrigdosierter ASS

Eine alte Bekannte lässt Frauen mit Kinderwunsch hoffen, die bereits mindestens eine Fehlgeburt erlitten haben und bei denen schon vor einer erneuten Schwangerschaft Anzeichen für niedrigschwellige Entzündungsprozesse vorliegen: Die tägliche Einnahme von Acetylsalicylsäure (ASS) vor und während der Schwangerschaft führte in einer Studie zu signifikant mehr Schwangerschaften und Lebendgeburten als Placebo. Für eine Empfehlung ist es aber noch viel zu früh.

Aus der Literatur bekannt ist der wahrscheinliche Zusammenhang zwischen Entzündungsprozessen und einer verminderten Fruchtbarkeit. Auch wird ein erhöhter Blutspiegel des Entzündungsmarkers C-reaktives Protein (CRP) während einer Schwangerschaft mit Komplikationen wie Gestationsdiabetes oder Präeklampsie assoziiert [1]. Die deutsche S1-Leitlinie „Diagnostik und Therapie hypertensiver Schwangerschaftserkrankungen“ empfiehlt zur Präeklampsie-Prophy­laxe bei Frauen mit erhöhtem Risiko (z. B. schwere Präeklampsie in der Anamnese) einmal täglich 100 mg ASS von der 16. bis 34. Schwangerschaftswoche [4]. Eine generelle ASS-Prophylaxe ist aber nicht indiziert. Auch die U.S. Preventive Services Task Force rät Frauen mit hohem Risiko einer Präeklampsie eingeschränkt zu einer niedrigdosierten ASS-Therapie ab der 13. Schwangerschaftswoche mit 81 mg ASS täglich [5, 6]. Beide Empfehlungen liegen klar unterhalb der Tagesdosis von 150 mg ASS, die in Deutschland vor allem im dritten Trimenon absolut kontraindiziert ist [7].

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Das Warten auf den Storch kann lang werden. Kann ASS Frauen mit Kinderwunsch und vergangenen Fehlgeburten helfen?

Frauen mit hohen Entzündungsmarkern profitieren eher

Neue Erkenntnisse lieferten nun US-amerikanische Forscher: In der EAGeR-Studie (Effects of Aspirin in Gestation and Reproduction) untersuchten sie, inwiefern sich systemische niedrigschwellige Entzündungen bereits vor einer Empfängnis auf die reproduktive Gesundheit auswirken [1 - 3]. Dazu schlossen sie 1228 Frauen im Alter von 18 bis 40 Jahren in die Studie ein, die in der Vergangenheit mindestens eine Fehlgeburt erlitten hatten. Sie wurden auf zwei Studiengruppen randomisiert. Frauen der Interventionsgruppe bekamen jeweils 81 mg ASS plus 0,4 mg Folsäure, die Probandinnen der Kontrollgruppe erhielten Placebo plus 0,4 mg Folsäure. Die Frauen nahmen die Medikation vom Studieneinschluss bis zur 36. Schwangerschaftswoche oder bis zum sechsten Monatszyklus ein, falls eine Schwangerschaft ausblieb.

Die statistische Analyse der Gesamtstichprobe gemäß Studienprotokoll führte zu keinen signifikanten Ergebnissen, aber eine weitere explora­tive Analyse zeigte, dass Frauen mit hohen Entzündungsmarkern in Bezug auf die Fruchtbarkeit und die Anzahl der Lebendgeburten profitierten [1]. Dazu wurde die Stichprobe auf Basis des präkonzeptionellen hochsensitiven CRP-Werts (hsCRP) in drei Tertile unterteilt: niedrig (< 0,7 mg/l), mittel (0,7 bis < 1,95 mg/l) und hoch (≥ 1,95 mg/l). Bei Frauen mit den höchsten hsCRP-Werten (≥ 1,95 mg/l) wurden in der Interventions-Gruppe 71% schwanger, in der Kontroll-Gruppe nur 54% (p ≤ 0,01). Die Lebendgeburtenrate lag unter ASS bei 59%, unter Placebo bei 44% (p ≤ 0,01).

Was bedeutet Präeklampsie?

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Präeklampsie, auch Gestose genannt, ist eine Schwangerschaftskomplikation, die erhebliche gesundheitliche Gefahren für die Mutter und das ungeborene Kind bedeuten kann [4, 8]. Sie ist die Vorstufe einer Eklampsie, bei der es zu tonisch-klonischen Krämpfen kommt, die keiner anderen Ursache zugeordnet werden können. Besonders gefährdet sind Frauen, die Mehrlinge erwarten oder an Nierenerkrankungen, Bluthochdruck oder Diabetes leiden. Die Präeklampsie ist klinisch gekennzeichnet durch eine Gestationshypertonie (≥ 140/90 mmHg) und gleichzeitige Protein­urie (> 0,3 g/Tag im 24-Stunden-Sammelurin). Schwangere werden bei jeder Vorsorgeuntersuchung auf diese Symptome untersucht. Erste Anzeichen können Wassereinlagerungen im Gewebe sein, verbunden mit einer plötzlichen Gewichtszunahme von mehr als einem Kilogramm pro Woche im dritten Trimenon und einem ausgeprägten Gesichts­ödem. In diesem Fall braucht die Schwangere Ruhe, zusätzliche Stressfaktoren sollten ausgeschaltet werden (eventuell Arbeitsunfähigkeit). Ab Werten von 150/100 mmHg sollte die werdende Mutter in einem Krankenhaus vorstellig werden. Eine medikamentöse Therapie sollte nur bei schweren Verlaufsformen eingeleitet werden und darf ausschließlich stationär unter engmaschiger Blutdruckkontrolle erfolgen. Für die antihypertensive Behandlung ist Alpha-Methyldopa das Mittel der 1. Wahl. Eingeschränkt geeignet sind Nifedipin retard und ß1-selektive Betablocker (z. B. Metoprolol). Die einzige kausale Therapie ist die Entbindung. Tritt eine Präeklampsie nach abgeschlossener 37. Schwangerschaftswoche auf, wird vorzeitig entbunden.

Studie mit Hindernissen

Die Ergebnisse waren jedoch erst dann signifikant, nachdem jene Probandinnen nachträglich aus der Analyse ausgeschlossen wurden, deren hsCRP-Werte bei 10 mg/l oder darüber lagen (n = 55). Die Autoren rechtfertigten ihre Vorgehensweise damit, dass CRP-Werte in dieser Höhe mit akuten entzündlichen und behandlungsbedürftigen Erkrankungen einhergehen und zudem chronische niedrigschwellige Entzündungszeichen überlagern [1]. Im Hinblick auf das Studiendesign fällt außerdem auf, dass die Einschlusskriterien nach Beginn der Randomisierung gelockert wurden, da sich die Rekrutierung einer ausreichenden Anzahl von Teilnehmerinnen schwierig gestaltete [2].

Erhöhtes Blutungsrisiko

In Bezug auf die Probandensicherheit ist zu berücksichtigen, dass unter ASS im Gegensatz zur Kon­troll-Gruppe eine signifikant höhere Inzidenz vaginaler Blutungen auftrat (22% vs. 17%; p = 0,02). Auch die kombinierte Inzidenz aus vaginaler Blutung, subchorionischer Hämorrhargie oder beiden Ereignissen war in der ASS-Gruppe höher (26% vs. 20%; p = 0,01) [3]. Schwere Komplikationen in Bezug auf Föten oder Neugeborene (inklusive Tod) unterschieden sich zwischen den Studiengruppen nicht signifikant. Die Autoren räumen jedoch selbst ein, dass die EAGeR-Studie unter Umständen zu wenig Power besaß, um seltene, aber potenziell schwerwiegende Komplikationen zu detektieren [3]. So trat in der ASS-Gruppe beispielsweise ein Fall von pulmonaler arterieller Hypertonie auf, die möglicherweise mit dem Verschluss des Ductus arteriosus in Verbindung steht – einer bekannten Nebenwirkung von COX-Inhibitoren [3, 6]. Darüber hinaus konstatierten die Autoren, dass die Stichprobe vorwiegend aus Frauen mit kaukasischem Hintergrund bestand, die der höheren Bildungsschicht angehörten und sozioökonomisch privilegiert waren, sodass die Ergebnisse nur eingeschränkt verallgemeinerbar sind [1, 3].

Fazit

Die Sekundäranalyse der EAGeR-­Studie zeigt neue Erkenntnisse im Hinblick auf eine Niedrigdosistherapie mit ASS, die bereits vor Beginn einer Schwangerschaft ansetzt. Gleichzeitig ist diese Studie ein gutes Beispiel dafür, wie differenziert Studienergebnisse betrachtet werden sollten. Im vorliegenden Fall erscheint eine mangelnde Power in Bezug auf seltene und schwere Nebenwirkungen als wichtiger Grund, um die auf den ersten Blick positiv anmutenden Ergebnisse nur unter Vorbehalt zu werten. Erschwerend kommen dabei auch Aspekte der Studienvalidität (a posteriori veränderte Einschlusskriterien, Ausschluss bestimmter Probanden vor Analyse) hinzu. Die Ergebnisse sollten daher vorerst nur als Hinweis auf einen Nutzen der diskutierten Therapie gesehen werden, der durch weitere harte klinische Daten untermauert werden muss. Von einer Therapieempfehlung an betroffene Frauen, bereits vor einer Schwangerschaft ASS einzunehmen, sollte zum jetzigen Zeitpunkt und unter Berücksichtigung aktueller Leitlinien [4, 6] abgesehen werden. Die Aussicht darauf, mit einer denkbar simplen Therapie Frauen mit Kinderwunsch helfen zu können, lässt jedoch auf weitere Untersuchungen in naher Zukunft hoffen. |

Quelle

[1] Sjaarda L et al. J Clin Endocrinol Metab 2017 (online ahead of print); doi: 10.1210/jc.2016-2917

[2] Schisterman EF et al. Paediatr Perinat Epidemiol 2013;27:598–609

[3] Ahrens KA et al. Obstet Gynecol 2016;127:689–698

[4] S1-Leitlinie „Diagnostik und Therapie hypertensiver Schwangerschaftserkrankungen“, AWMF-Register Nr. 015/018, 2013 (Gültigkeit verlängert bis 11/2017)

[5] Henderson JT et al. Ann Intern Med 2014;160:695-703

[6] LeFevre ML et al. Ann Intern Med 2014;161:819-826

[7] Fachinformation Aspirin® N 100 mg/- 300 mg; Stand: Juni 2013

[8] Stanek B. J Hyperton 2007;11(2):12-16

Apotheker Jan Fodor

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