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Management
Systemisches Konsensieren
Wie Sie tragfähige Entscheidungen treffen
Das traditionelle Mehrheitsprinzip stößt bei mehr als zwei Entscheidungsalternativen an seine Grenzen. Wenn demokratisch abgestimmt wird, setzt sich die Mehrheit durch. Übrig bleiben die überstimmten Minderheiten, die mit der Entscheidung meistens unzufrieden sind. Oder eine Mehrheitsentscheidung scheitert, weil die zur Auswahl stehenden Alternativen gleich viele Stimmen bekommen. Es kann sogar so weit gehen, dass eine Alternative gewinnt, obwohl die Mehrheit dagegen ist. Ein solches Ergebnis durchsetzen zu wollen, ist gefährlich für den Teamfrieden. Auf der Verliererseite kann großer Frust entstehen, bis hin zum Boykott.
Minimales Konfliktpotenzial als Ziel
Entscheidungen, die nicht von allen mitgetragen werden, sind kaum etwas wert. Setzen Apothekenleiter Entscheidungen über ihre Machtstellung durch, kann offen oder verdeckt im Hintergrund viel Widerstand erzeugt werden. Nur wenn das Ausmaß der Unzufriedenheit bekannt ist, die diese Entscheidung im Team zur Folge hat, kann auch das Konfliktpotenzial eingeschätzt werden.
Systemisches Konsensieren ist ein Werkzeug für konfliktfreie Gruppenentscheidungen. Mit ihm wird der Weg des größten gemeinsamen Nenners gegangen, ganz ohne faule Kompromisse. Ausgangspunkt ist eine zu treffende Entscheidung zwischen mehr als zwei Alternativen. Das Konsensieren führt zu effektiven, schnellen, einfachen und friedlichen Entscheidungen. Streitgespräche und ausufernde Diskussionen gehören damit der Vergangenheit an. Statt den Willen einer relativen Mehrheit zu erfüllen, hat das Konsensieren das minimale Konfliktpotenzial aller Beteiligten zum Ziel. Es verwandelt das Vorteilsdenken des Einzelnen in eine Leistung für das ganze Team.
Die Widerstände im Team ermitteln
Konsensieren bringt Gewissheit über die zu erwartenden tatsächlichen Widerstände im Team. Sie werden beim Konsensieren vorweg gemessen. Teamentscheidungen vom Widerstand abhängig zu machen, erscheint im ersten Moment etwas befremdlich, denn wir wollen doch bitteschön immer positiv denken. Der Versuch, das positive Denken in ein Entscheidungsverfahren einfließen zu lassen, bringt jedoch Probleme. Wenn nur Pro-Stimmen berücksichtigt werden, wird der Widerstand logischerweise nicht ermittelt, was später häufig zu Konflikten führt. Eine geringe Zustimmung ist eben doch nicht das gleiche wie ein hoher Widerstand.
Die Methode hat sich in der Praxis bewährt. Sie ist so einfach, dass man sich schnell fragt, warum nicht mehr Entscheidungen auf diesem Wege getroffen werden. Zudem es nach oben kaum Grenzen gibt: Es können beliebig viele Personen beteiligt werden und auch die Anzahl der Vorschläge kann theoretisch beliebig groß sein. Die Methode eignet sich sowohl für einfache als auch für komplexe Entscheidungssituationen.
So geht’s
An diesem einfachen Beispiel wird das Konsensieren schnell klar: Angenommen, Sie möchten mit Ihrem Team einen Betriebsausflug machen. Es werden Ideen gesammelt und nun möchten Sie eine Entscheidung finden, die möglichst alle zufriedenstellt. Im Gespräch sind die folgenden vier Vorschläge: Stadtrallye, Segeltour, Kletterwald und Kochkurs.
Jedes Teammitglied erhält einen Zettel mit den untereinander aufgeführten Vorschlägen. Dann überlegt jeder, welches Ausflugsziel ihm am liebsten, zweitliebsten, drittliebsten und viertliebsten wäre bzw. welches er absolut ablehnt. Der Umfang der Ablehnung wird über eine Skala von 0 bis 10 ausgedrückt. Null bedeutet volle Zustimmung, d. h. es gibt keinen Widerstand gegen den Vorschlag. Zehn bedeutet, dass der Vorschlag für die Person unannehmbar ist. Alle Werte dazwischen werden nach gefühlter Stärke des Widerstands vergeben. Zum Schluss werden alle Bewertungen auf ein großes Blatt übertragen. Die Summe der Einzelbewertungen ergibt den Gruppenwiderstand für jeden Vorschlag. Der Vorschlag mit dem geringsten Gesamtwiderstand gilt als „konsensiert“. Gibt es zwei gleichrangige Vorschläge, wird der gewählt, der die geringsten Einzelwiderstände aufweist (s. Tab. 1).
Teilnehmer |
1 |
2 |
3 |
4 |
WIST |
Rang |
---|---|---|---|---|---|---|
Vorschlag | ||||||
Stadtrallye |
0 |
8 |
6 |
7 |
21 |
4 |
Segeltour |
0 |
0 |
10 |
10 |
20 |
3 |
Kletterwald |
7 |
4 |
0 |
4 |
15 |
1 |
Kochkurs |
4 |
8 |
5 |
0 |
17 |
2 |
WIST = Widerstandsstimmen |
Bei dem Vorschlag mit dem geringsten Wert ist die Akzeptanz am größten und das Konfliktpotenzial am kleinsten. Es ist sehr wahrscheinlich, dass diese Entscheidung von allen mitgetragen wird. Mit 15 Widerstandsstimmen (WIST) ist der Vorschlag „Kletterwald“ die Lösung, mit der alle am besten leben können.
Egoismus geht ins Leere
Beim Konsensieren vertreten wir unsere eigenen Interessen am besten, indem wir die Vorschläge der anderen nach den eigenen Bedürfnissen abgestuft bewerten. Bei der nachfolgenden Bewertung haben die Teilnehmer 3 und 4 alle fremden Vorschläge mit größtmöglichem Widerstand ablehnt. Damit haben sie die Entscheidung den anderen überlassen. Sie haben die Chance vergeben, die Entscheidung positiv zu beeinflussen, falls der eigene Vorschlag nicht gewählt wird (s. Tab. 2).
Teilnehmer |
1 |
2 |
3 |
4 |
WIST |
Rang |
---|---|---|---|---|---|---|
Vorschlag | ||||||
Stadtrallye |
0 |
8 |
10 |
10 |
28 |
4 |
Segeltour |
0 |
0 |
10 |
10 |
20 |
1 |
Kletterwald |
7 |
4 |
0 |
10 |
21 |
2 |
Kochkurs |
4 |
8 |
10 |
0 |
22 |
3 |
Das Konsensieren führt zu einem „Machtparadoxon“, bei dem egoistische oder machtorientierte Vorschläge keinen Erfolg haben. Jeder lässt die Finger davon, sobald er verstanden hat, dass er sich damit selber schaden kann.
Gruppendynamik ändert sich
Mehrheitsbeschlüsse können ein Team in getrennte Lager spalten. Statt tragfähige Alternativen zu finden, geht es hier in erster Linie darum, andere auf die eigene Seite zu ziehen. Beim Konsensieren hingegen gewinnt der Vorschlag mit dem geringsten Widerstand. Wer also einen eigenen Vorschlag durchbringen möchte, muss Lösungen finden, die seine Interessen genauso berücksichtigen wie die Interessen der anderen. Er stellt sich die Fragen: Was würde Widerstand wecken und was nicht? Welche Interessen und Bedürfnisse haben die anderen? Wie weit kann ich den anderen entgegenkommen?
Teams, die bisher ihre Energie auf Machtspiele, Manipulation oder Taktieren verwandt haben, zeigen nun eine komplette Verhaltensumkehr. Sie denken um, denn nur diejenigen haben Einfluss bei Entscheidungen, die ein gemeinschaftliches Denken an den Tag legen. Erfahrungen zeigen, dass Teams, in denen Entscheidungen konsensiert werden, rücksichtsvoller und wertschätzender miteinander umgehen. Die Personen fühlen sich stärker geachtet sowie besser gehört und verstanden. Zudem können sich solche Teams besser selbst organisieren.
Online Konsensieren unter https://www.konsensieren.eu
Acht gute Gründe für das Konsensieren
Eine konsensierte Entscheidung
1. erzeugt die geringste Unzufriedenheit und den geringsten Widerstand im Team.
2. schafft dadurch auch das geringste Konfliktpotenzial.
3. erhält von allen gemeinsam die größtmögliche Akzeptanz.
4. erzielt den besten Interessenausgleich unter den Beteiligten und kommt dem Konsens am nächsten.
5. wird weitgehend widerstandsfrei umgesetzt und ist daher eine nachhaltige Lösung.
6. kommt nicht durch die verbale Überlegenheit einzelner Personen zustande.
7. lässt keinen Raum für Egoismus und Machtstrategien.
8. schweißt ein Team eher zusammen, anstatt es in Gewinner und Verlierer zu spalten.
Es gibt zahlreiche Entscheidungen, bei denen das Team mitbestimmen sollte: An welchem Tag soll das regelmäßige Teammeeting stattfinden? Welche Kosmetikmarke wollen wir zusätzlich ins Sortiment aufnehmen? Welche Arbeitskleidung möchten wir zukünftig tragen?
Mehrheitsentscheidung oder Konsensieren: Wie entscheiden Sie sich? |
Literatur
Georg Paulus / Siegfried Schrotta / Erich Visotschnig
Systemisches Konsensieren –
Der Schlüssel zum gemeinsamen Erfolg
Danke-Verlag 2013
ISBN 978-3-9808635-4-4
Siegfried Schrotta (Hrsg.)
Wie wir klüger entscheiden:
einfach – schnell – konfliktlösend
A-BiS GmbH, SmarterLife 2013
ISBN 978-3-934051-06-5
Zu beziehen über den Deutschen Apotheker Verlag Telefon (07 11) 25 82-3 41, Telefax (07 11) 25 82-2 90, E-Mail: service@deutscher-apotheker-verlag.de
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