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Rx-Versandverbot: Gröhe legt Gesetzentwurf vor
Bundesgesundheitsminister will Regelung bis zum Sommer beraten haben
Es ist ein umfangreicher Gesetzentwurf: Auf 16 Seiten legt das Bundesgesundheitsministerium (BMG) das bestehende Problem, die Lösung und die dahinter stehenden Gründe dar. Ausgangspunkt ist das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 19. Oktober 2016, das die Apothekenwelt kräftig durcheinander gebracht hat. In seiner Folge müssen die deutschen Apotheken einen erheblichen Wettbewerbsnachteil gegenüber den Versandapotheken mit Sitz im EU-Ausland hinnehmen. Denn für letztere gilt die Preisbindung für verschreibungspflichtige Arzneimittel nicht – sie ist den EuGH-Richtern zufolge ein nicht gerechtfertigter Eingriff in den freien Warenverkehr. Das BMG geht dadurch von einer zunehmenden Verschiebung der Marktanteile hin zu den ausländischen Versandapotheken aus. Und diese werde mit einer Ausdünnung des bestehenden Netzes öffentlicher Apotheken einhergehen, die bislang die persönliche und wohnortnahe Arzneimittelversorgung gewährleisten, heißt es im Gesetzentwurf.
ABDA: Richtiger Schritt
Bei der ABDA kommt Gröhes zügige Vorlage des Gesetzentwurfs gut an. Das EuGH-Urteil habe eine extreme Schieflage im Wettbewerb erzeugt, betonte ABDA-Präsident Friedemann Schmidt. „Ein umgehendes Versandhandelsverbot ist die konsequente Lösung, die es jetzt braucht, um wieder faire Wettbewerbsbedingungen für die Präsenz-Apotheken herzustellen und die Versorgung in der Fläche zu sichern. Man kann das Problem nicht auf die lange Bank schieben und zusehen, wie die Situation in der Arzneimittelversorgung kippt.“ Auch dass der Gesetzentwurf den Botendienst von Präsenz-Apotheken konkretisiere, sei vernünftig. Schmidt unterstrich: „Alle politischen Kräfte, denen am Erhalt einer guten Arzneimittelversorgung und an der Absicherung der Eckpfeiler unseres Gesundheitssystems gelegen ist, müssen ein solches Gesetz unterstützen. Der Gesetzgeber hat hier die Chance zu zeigen, dass er seinen Gestaltungsspielraum in der Gesundheitspolitik konsequent zum Nutzen der Patienten ausschöpft.“
Was Versender nicht können
Das BMG hat keinen Zweifel: „Versandapotheken werden diese Lücke nicht schließen können. Dies betrifft vor allem den Notdienst sowie die pharmazeutische Betreuung.“ Die weitere Gesetzesbegründung macht deutlich, was die Apotheken vor Ort leisten: Komplexe Beratungen älterer Patienten mit Polymedikation könnten im persönlichen Kontakt und in Kooperation mit dem lokalen heilberuflichen Netzwerk besser und wirkungsvoller erbracht werden als über Telefon oder Internet. Präsenzapotheken böten niedrigschwelligen Zugang zu Gesundheitsdienstleistungen einschließlich der Selbstmedikationsberatung und entlasteten damit in vielen Fällen Ärzte, wirkten aber erforderlichenfalls auch auf einen Arztbesuch hin. „Eine vergleichbare Lotsenfunktion können Versandapotheken nicht wahrnehmen“, heißt es in der Begründung.
Keine Alternativen
Deshalb will das BMG das Rx-Versandverbot. Vor allem, um die wohnortnahe, flächendeckende Arzneimittelversorgung zu sichern, aber auch um die Steuerungsfunktion der Zuzahlungsregelungen nicht durch Boni ausländischer Versender zu unterlaufen. Zu einem Verbot sieht es keine Alternativen. So scheide eine Freigabe des Preiswettbewerbs bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln auch für die inländischen (Versand-)Apotheken aus. Diese hätte nämlich noch erheblichere Auswirkungen auf die Arzneimittelversorgung als eine Beibehaltung der Inländerdiskriminierung, heißt es im Gesetzentwurf. So könnten in bestimmten Regionen mit lückenhafter Apothekenstruktur (oder zu bestimmten Zeiten) die Preise für stark nachgefragte oder – zum Beispiel wegen eines Lieferengpasses – schwer verfügbare Arzneimittel teilweise erheblich steigen. Ebenfalls nicht zielführend sei es, die Präsenzapotheken durch eine bessere Honorierung zu stärken – schließlich sorgt das für steigende Kosten.
Gröhe: Versandapotheken haben Kompromiss gekippt
Kurz bevor sein Gesetzentwurf publik wurde, hat Gesundheitsminister Hermann Gröhe in einem Interview mit dem Südwestrundfunk (SWR) seine Forderung nach dem Versandverbot bekräftigt. Dort erklärte er zu den Beweggründen: „Den früher gefundenen Kompromiss, den Onlinehandel zwar zuzulassen, aber mit denselben Preisen wie in der Apotheke, haben die Versandapotheken gekippt. Und jetzt halte ich es für angemessen, dass wir das, was 21 EU-Staaten tun – nämlich zur Sicherstellung einer guten Versorgung den Versandhandel mit rezeptpflichtigen Arzneimitteln zu untersagen –, dass wir diesen Schritt auch gehen.“ Gröhe wies auch darauf hin, dass man die Debatte um das Versandhandelsverbot nicht mit der Diskussion um zu hohe Arzneimittelpreise verwechseln dürfe. „Es geht nicht darum, Preise künstlich hochzuhalten. Wir machen Rabattverträge, wir haben gerade vorgeschlagen, das Preismoratorium zu verlängern. Natürlich geht es uns darum, die Preisentwicklung in Schach zu halten“, sagte Gröhe.
Allerdings machte der Minister auch keinen Hehl, dass er noch nicht alle auf seiner Seite hat: „Wir müssen da auch noch werben, vor allem bei der SPD.“
Wo wird angesetzt?
Technisch will das Ministerium so vorgehen: Zunächst soll im Arzneimittelgesetz klargestellt werden, dass nur noch nicht-verschreibungspflichtige Arzneimittel sowie solche, die nur zur Anwendung bei Haustieren zugelassen sind, mit behördlicher Erlaubnis im Wege des Versands in den Verkehr gebracht werden dürfen (§ 43 AMG). Gestrichen wird zudem die Bestimmung, die die Arzneimittelpreisverordnung auf EU-Versandapotheken erstreckt (§ 78 Abs. 1 Satz 4 AMG). Ferner wird klargestellt, dass das Versandverbot auch für Betäubungsmittel gilt.
Neue Botendienst-Regelung
Nicht zuletzt will das BMG eine klare Abgrenzung des Versandhandels vom Botendienst vornehmen. Diese hat sich in der Vergangenheit immer wieder als schwierig erwiesen. Das Apothekegesetz soll einen neuen § 11c erhalten, demzufolge die Zustellung von Arzneimitteln durch „Personal der Apotheke“ nur unter den Voraussetzungen der Apothekenbetriebsordnung zulässig ist. Diese Voraussetzungen sollen in einem neuen Absatz in § 17 ApBetrO (Erwerb und Abgabe von Arzneimitteln und Medizinprodukten) geregelt werden. Die Zustellung durch Personal der Apotheke in ihrem „jeweiligen Einzugsbereich“ ist demnach im Einzelfall zulässig, wenn dem Patienten ein Aufsuchen der Apotheke nicht möglich oder nicht zumutbar ist und die Arzneimittel auch nicht durch einen Beauftragten abgeholt werden können. Auf Wunsch eines Kunden sollen auch Arzneimittel, die nicht vorrätig sind und zunächst bestellt werden müssen, vom Boten gebracht werden dürfen. Die Beratung hat in der Apotheke oder durch pharmazeutisches Personal der Apotheke bei der Auslieferung der Arzneimittel zu erfolgen. Eine neue Bestimmung soll es auch für den Zeitpunkt der Vorlage des Rezepts geben: Dieses muss spätestens bei der Aushändigung der Arzneimittel im Original vorliegen.
Wie geht es nun weiter?
Gröhe hat den Entwurf diese Woche Montag an Georg Nüßlein (CSU), Karl Lauterbach (SPD), Maria Michalk (CDU) sowie Hilde Mattheis (SPD) geschickt. In einem begleitenden Brief betont er nochmals den Handlungsbedarf. Er verweist auf den Bundesrat, der ebenfalls ein Rx-Versandverbot gefordert hat. Der Minister schreibt ferner, dass er den Entwurf auch an das Kanzleramt zur Frühkoordinierung mit den Ministerien geschickt hat.
Gröhe erhofft sich nun eine „zügige Beratung dieses Regelungsvorschlags bis zum Sommer“.
Ob sich der Koalitionspartner allerdings bewegen wird, steht in den Sternen. Die Arbeitsgruppe Gesundheit der SPD-Bundestagsfraktion hat sich am 13. Dezember dem Vernehmen nach klar gegen den Entwurf Gröhes gestellt. Die Abgeordnete Sabine Dittmar erklärte gegenüber DAZ.online, man habe zwar das gemeinsame Ziel, nach dem EuGH-Urteil für gleiche Wettbewerbsbedingungen zwischen inländischen und ausländischen Apotheken zu sorgen. Die bessere Alternative sieht die SPD-Fraktion derzeit allerdings in einer Konkretisierung des § 129 SGB V. Dahinter steckt der vom SPD-Gesundheitspolitiker Edgar Franke ins Spiel gebrachte Vorschlag, Rx-Boni im Sozialrecht zu verbieten oder zu deckeln. |
Linken-Antrag erledigt?
Mit dem Gesetzentwurf aus dem Gesundheitsministerium hat sich ein Antrag der Linken-Fraktion wohl erledigt. Sie wollten folgende Aufforderung beschließen lassen: „Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf, einen Gesetzentwurf vorzulegen, der durch Änderung von § 43 Arzneimittelgesetz den Versandhandel mit rezeptpflichtigen Arzneimitteln verbietet.“ Genau dies tut der jetzt vorgelegte Gesetzentwurf Gröhes.
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