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Stuttgarter Gespräche
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Was bei unseren Standesorganisationen gut läuft und was sich ändern muss
„Ein enger Schulterschluss ist derzeit bei den Standesorganisationen angesagt“, analysiert Kai-Peter Siemsen den Ist-Zustand der Kammer- und Verbände-Landschaft. Der Grund dafür sei ein äußerer Feind, das EuGH-Urteil und seine Folgen. Das Zusammenrücken, so der Hamburger Kammerpräsident, überdecke aber bestehende Probleme. „Es wird sich nichts ändern in den nächsten vier Jahren: Es gibt wenig Transparenz und die Mitgliedsorganisationen werden von der ABDA nicht mitgenommen. Der Gesamtvorstand der ABDA sollte laut Satzung die politische Ausrichtung und die strategischen Ziele vorgeben, aber das wird nach meiner Ansicht nicht gelebt“, klagt Siemsen. Seine Kritik: Die Apotheker seien immer mehr von drei Personen abhängig, die entscheiden, wo’s langgehen soll, nämlich vom ABDA-Präsidenten Friedemann Schmidt, vom ABDA-Hauptgeschäftsführer Sebastian Schmitz und vom Verbandschef Fritz Becker. Für Siemsen stellt sich die Frage: „Verstehen diese Personen ihre Stellung als Machtposition oder wollen sie etwas für den Berufsstand erreichen?“ Wirtschaftlich gesehen sei die Arbeit der ABDA in den letzten Jahren nicht erfolgreich gewesen, ist Siemsen überzeugt, mit dem Standardspruch „es hätte alles noch schlimmer kommen können“ habe man versucht, alles als tollen Erfolg zu verkaufen. Siemsen: „Wenn man so schön im Lindencorso sitzt, dann ist der Weg schon weit bis zu den Kollegen an der Basis.“
Claus-Dieter Meyer, Inhaber der Mylius-Apotheken in Ludwigsburg, stimmt Siemsen zu. Auch er sieht eine Riesen-Distanz zwischen den Apothekern vor Ort, vor allem den Jüngeren, und der ABDA. Die jungen Apotheker haben ganz andere Probleme als sich um ein Perspektivpapier zu kümmern, als darüber zu diskutieren, ob die Zukunft der Apotheke kaufmännisch entschieden wird oder ob sie sich mit Medikationsmanagement befassen sollen. „Das kann nicht die Rettung der Apotheken in den nächsten zwanzig Jahren sein“, so Apotheker Meyer. Nach seiner Ansicht wird die Zukunft der Apotheke nur zum Teil heilberuflich entschieden: „Apotheker sind Heilberufler und Kaufleute – die wirtschaftliche Basis muss doch stimmen!“
Natürlich sei es richtig, so Holger Seyfarth, seit zwei Jahren stellvertretender Vorsitzender des Hessischen Apothekerverbands, dass die Standespolitik immer abhängig ist von den Personen, die diese Ämter bekleiden. „Die Apothekenzukunft auf ein Medikationsmanagement und auf Wechselwirkungschecks aufzubauen, das halte ich für sehr weit hergeholt“, ist der Verbandspolitiker überzeugt, „irgendwann steht an der Apotheke: Wir haben QMS gemacht, wir haben dokumentiert und abgeheftet, Unterschriften, Vornamen, Telefonnummern und Versorgungszeiträume geprüft, sind aber leider pleite, weil wir uns mit all diesen Dingen beschäftigt haben, aber nur nicht damit, Geld zu verdienen.“ Und er ergänzt: „Wir sollten mehr entrümpeln, mehr Ballast abwerfen, dann käme auch die Berufsfreude zurück.“ Für Seyfarth stellt es sich als überholtes Modell dar, wenn Ehrenämtler versuchen, irgendwie Standespolitik zu machen: „Ich selbst kann es mir zwar leisten, weil ich genug Approbierte habe, aber ich bin kein Profi im eigentlichen Sinn. Warum holen wir uns nicht Experten, die im Gesundheitsbereich Ahnung haben – Geld ist da! In anderen Verbänden und Gremien sitzen solche Leute. Warum holen wir die nicht in unsere Reihen?“ Seyfarth sieht zudem ein Nachfolgeproblem: „Die jüngere Generation möchte eine ausgeglichene Work-Life-Balance und nicht für ein leicht verbessertes Angestelltengehalt 60 bis 70 Stunden pro Woche arbeiten: „Die Standesführung scheint sich derzeit nicht um diese Fragen zu kümmern.“
Ehrenamt oder Hauptamt – wer macht was?
Auf den ersten Blick gut organisiert: 17 Kammern, 17 Verbände, zwei Bundesorganisationen und eine Dachorganisation – „aber dann entscheiden am Ende doch nur drei Personen, ist das nicht ein bisschen bitter?“, fragt Kaapke die ehemalige Kammerpräsidentin von Baden-Württemberg, Karin Wahl. Hätte sie da „noch Bock“, so Kaapke flapsig, heute mitzumachen? Als Vertreterin einer Körperschaft des öffentlichen Rechts habe sie damals überall Termine bekommen, so Wahl, das habe sie geschätzt und dazu genutzt, Kontakte zu pflegen. „Heute wird doch nur noch Krisenmanagement gemacht, reagiert und kaum agiert“, klagt sie. Für Wahl ist es klar: „Professionalität ist heute bei den Standesvertretern leider nicht vorhanden.“ Sie habe sich damals auf eigene Kosten im Managementzentrum St. Gallen fortgebildet, um Professionalität zu erlangen: „Kammerarbeit zu machen bedeutete für mich, den Außendienst zu übernehmen, und für die Hauptämtler die Stellung zu halten.“ Heute mache sie nur noch Politik im Kleinen.
Seyfarth stimmt zu: „Für die Verbandsarbeit nicht speziell ausgebildete Ehrenämtler können die Anforderungen nicht so erfüllen wie es Profis hauptberuflich tun können.“ Das beginne schon damit, dass manche Vorstände von Kammern und Verbänden kaum Zeit fänden, an den Sitzungen teilzunehmen, weil sie keine Vertretung in ihrer Apotheke haben. Seyfarth bemängelt auch, dass die ehrenamtlichen Berufspolitiker meist reaktiv seien und von ihnen aktiv kaum Vorschläge kämen: „Wo sind unsere Angebote an die Politik und Krankenkassen? Wo sind unsere zukunftsträchtigen Ideen und Versorgungsmodelle – mal abgesehen vom Perspektivpapier? Hier vermisse ich die Kreativität.“
Mit Blick auf die Hauptämtler in den 34 Geschäftsstellen fragt Kaapke: „Sitzen dort nicht die Profis? Dürfen die bloß nicht? Immerhin sind unter ihnen Geschäftsführer mit einem veritablen Gehalt. Sollte man lieber Consulter in Anspruch nehmen, also externe Söldner, die das Ehrenamt beraten?“ Dr. Markus Preißner, wissenschaftlicher Leiter am Institut für Handelsforschung, Köln, bricht eine Lanze für die Geschäftsstellen: Dort werde durchaus gute Arbeit gemacht beim Service, bei der Verwaltung. Die Mitglieder sind mit diesen Serviceleistungen sehr zufrieden, wie Umfragen zeigten. „Schwieriger wird es bei der Interessenvertretung für den Berufsstand“, so Preißner, „wer ist für was zuständig? Primär die Kammern? Die Verbände? Ist es ein Thema, das auf Landesebene behandelt werden sollte oder gehört es auf die Bundesebene? Wäre es manchmal besser, einiges gemeinsam zu machen? Man könnte durchaus darüber nachdenken, ob nicht professionelle Beratungsunternehmen zur Seite stehen könnten.“
Für Benjamin Wessinger, DAZ-Chefredakteur, ist es immer wieder erstaunlich, wie oft sogar Delegierte ihrer Kammer und Verbandsmitglieder ihrem Verband distanziert gegenüberstehen. „Wer ist denn die Kammer, wenn nicht jeder einzelne Apotheker?“ Er sieht das grundsätzliche Problem, dass Apotheker zu viel von ihrer Berufsvertretung erwarten: „Einerseits sollen die Organisationen agieren, andererseits ist es doch bei einer Interessenvertretung wesensimmanent, den Status quo zu verteidigen.“ Und natürlich müsse die ABDA auch den schwächsten Apotheker vertreten, da er ein Mitglied der Kammer sei.
„Es geht allerdings nicht nur um die Stärksten oder Schwächsten“, ergänzt Seyfarth, „es geht auch um die Heterogenität im Markt, um die Offizin-Apotheken, die Versandapotheken, die Zytostatika-herstellenden Apotheken, die heim- und krankenhausversorgenden Apotheken usw. Und für jede dieser Interessengruppen gibt es einen eigenen Verband neben der ABDA, der die Interessen wahrnehmen möchte.“ Für Seyfarth ist es klar: „Wenn wir uns immer nur auf den kleinsten gemeinsamen Nenner reduzieren, dann überholen uns andere und wir werden abgehängt.“
Kaapke fragt, wie man vor dem Hintergrund der heutigen Rahmenbedingungen eine Organisationsstruktur erstellen würde, wenn es sie nicht gäbe. Nach seiner Auffassung sei es die Aufgabe eines Verbands und einer Kammer nicht nur, den Status quo zu halten, sondern für alle machbar weiterzuentwickeln. Siemsen gibt zu bedenken, dass Kammer und Verband nicht dieselben Mitglieder haben. Der Verband ist nur für die Apothekenleiter zuständig, während die Kammer auch alle Mitarbeiter umfasst, aber auch Apotheker, die in anderen Berufszweigen wie Industrie oder Krankenhaus beschäftigt sind. Schon vor diesem Hintergrund gebe es eine unterschiedliche Interessenvertretung.
Profis an die Spitze
„Der Hauptgeschäftsführer der ABDA ist für mich nicht wahrnehmbar“, stellt Kaapke fest. Im Gegensatz dazu platzierten die Verbände anderer Branchen ihre Hauptgeschäftsführer eher im Vordergrund und das Ehrenamt trete punktuell nur dort auf, wo es mehr Professionalität habe als der Hauptamtliche. „Wenn in anderen Branchen der Hauptamtliche nicht mehr weiterweiß, dann holt er sich einen Berater, das ist Ausdruck seiner Professionalität. Aber das spielen die Apotheker bescheiden bis beschämend“, so Kaapkes Eindruck. Und er fügt hinzu: „Ein Friedemann Schmidt würde gewinnen, wenn er zu gegebener Zeit seine Hauptämtler nach vorne schicken würde. Aber das Sendungsbewusstsein eines Ehrenamts steht bei den Apothekern sichtlich im Vordergrund.“ Dabei gebe es sehr gute Personen unter den Kammer- und Verbandsgeschäftsführern, ergänzt Kaapke.
Auch Siemsen hätte damit kein Problem, „wenn der ABDA-Hauptgeschäftsführer ein Mann mit Charisma und Ideenreichtum wäre und nach vorne träte. Mit unserem jetzigen fernsehaffinen Präsidenten allerdings wird alles auf ihn zugeschnitten. Letztlich habe ich damit kein Problem“, räumt Siemsen ein, „allerdings müssen wir als Apotheker sagen, wo wir hinwollen und das Hauptamt muss die Arbeit machen.“ Der Kammerpräsident plädiert zudem dafür, eine Art Denkwerkstatt bei der ABDA aufzubauen, es sollte Vordenker geben, die verschiedene Zukunftsmodelle bauen, die zu Google gehen, die mit innovativen Start-ups reden.
„Für die Interessensvertretung bräuchten wir Profis“, ist sich Meyer sicher mit Blick auf die Interessensvertretung der Ärzte und all das, was sie z. B. beim Honorar, beim Medikationsplan erreicht haben. „Ein anderes Beispiel: Der Verband der Automobilindustrie mit Matthias Wissmann vertritt erfolgreich seine Interessen“, so Meyer, „es müssen nicht unbedingt Consulting-Unternehmen im Hintergrund sein, aber wir brauchen eine professionelle Zuarbeit, Leute, die für unsere Vertreter das Material aufbereiten.“ Dann könne man entscheiden, ob man in dem einen Fall eher das Ehrenamt, in einem anderen Fall eher das Hauptamt nach vorne schickt – „ohne jede Eitelkeit“, wie Kaapke hinzufügte. Es sollten allein die besseren Kenntnisse auf dem jeweiligen Gebiet ausschlaggebend sein.
Karin Wahl unterstreicht: „Es ist einfach wichtig, gut gebrieft zu sein, sich auf dem Gebiet, das man zu vertreten hat, z. B. das Gebiet der Gesundheitsökonomie, fortzubilden.“ Zum Verhältnis zwischen Kammer und Verband erklärt Wahl, dass die Verbände, da sie nur sich für die wirtschaftlichen Belange für zuständig halten, oft dominant nach außen auftreten. Sie habe in ihrer Zeit als Kammerpräsidentin sogar Abmahnungen vom Verband erhalten mit dem Tenor, die Kammer dürfe nicht über wirtschaftliche Themen reden. Was die Medien betrifft, plädiert Wahl für einen ehrlichen und offenen Umgang. Es bringe nichts, wenn man den Medien eine heile Apothekenwelt vorgaukle. Sie habe den Medien immer gesagt, dass es auch schwarze Schafe unter den Apothekern gebe. Und wenn man als Standespolitiker in den Medien erscheint, schlägt einem auch Neid und Missgunst von Kolleginnen und Kollegen entgegen, wie sie selbst erfahren musste, als sie im SWR in einer Rundfunkserie mitwirkte. Trotz aller kleinen lokalen Erfolge: „Die Apotheker stehen nicht so da wie sie könnten“, ist Kaapke überzeugt.
Seyfarth bezweifelt, ob es effizient ist, wenn es 17 + 17 Geschäftsführer gibt: „Eine Verzettelung, die sich kein Wirtschaftsunternehmen leisten könnte!“ Dagegen ist es in den Augen Wessingers gut, dass die Apothekerschaft regional organisiert ist. Die Krankenkassen brauchen z. B. auch auf Landesebene einen Ansprechpartner. Und allein für die Mitgliederverwaltung seien zahlreiche Mitarbeiter notwendig, deren Zahl sich bei einer Zentralisierung kaum reduzieren ließe. Mehr Sorgen sollte man sich lieber um die Professionalität der Kammern und Verbände machen.
Ob es allerdings nötig ist, 34 regionale Pressemitteilungen zum gleichen Thema zu bekommen, formuliert es Kaapke überspitzt, sei fraglich, „man findet immer einen Landesfürsten, der eine andere Meinung hat.“ Diese mangelnde Professionalität führt letztlich dazu, dass die Apotheker auseinanderdividiert werden.
Ist die ABDA überhaupt noch notwendig? Bei dieser Frage schaut Siemsen in Richtung Ärzte, die keine mit der ABDA vergleichbare Dachorganisation haben. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) werde zwar professionell geführt, aber er sei froh, diese sich dort abzeichnenden Probleme nicht zu haben. „Den Ärzten fehlt so eine Dachorganisation wie die ABDA“, stellt Siemsen fest. Unter einem gemeinsamen Dach könnten die Ärzte einen internen Streit besser austragen als ihn nach außen zu bringen. Nach seiner Auffassung liegt es nicht an der Organisationsstruktur, sondern eher an der Frage, ob jemand ein Amt antritt, um etwas zu erreichen oder nur um einen Sitz zu haben, ob man etwas bewegen will oder nur einen Platz im Machtgefüge einnehmen will.
Wie sieht die Struktur der Standesorganisationen in zehn Jahren aus?
In der Grundaussage sind sich die Gesprächsteilnehmer einig: In zehn Jahren gibt es noch Kammern und Verbände und auch die ABDA. Allerdings hat jeder so seine individuelle Vorstellung von der Anzahl und den Aufgaben dieser Standesorganisationen. Preißner kann sich vorstellen, dass bei den 17 + 17 Kammern und Verbänden „ein bisschen mehr Professionalität Einzug hält“. Die Standesorganisationen sollten sich mehr Expertise von außen holen und sich über die Zukunft austauschen. Außerdem: Nach seiner Ansicht wäre es vorteilhaft, wenn sich Fachverbände unter dem Dach der ABDA institutionalisieren würden: „Es ist kontraproduktiv“, so Preißner, „wenn bestimmte Interessen der Basis nicht über die Standesorganisationen vertreten werden. Dies führt zu Flucht und erschwert die Interessenvertretung.“
Wahl sieht Veränderungen, wenn das Fremd- und Mehrbesitzverbot aufgehoben würde, „dann hätten wir es vermutlich nur noch mit einem Verband zu tun – ob es dann noch Kammern gäbe, ist mit Blick in die Schweiz fraglich“, so Wahl.
Meyer wünscht sich eine Verschlankung der Verbände, indem bestimmte Aufgaben zentralisiert werden: „Man sollte einfach mehr darüber nachdenken, was besser regional und was eher zentral bearbeitet werden kann.“
„In zehn Jahren wird es auf jeden Fall noch die DAZ geben“, ist Wessinger überzeugt, „es wird auch Apotheken geben. Und solange die Apotheken wirtschaftliche Interessen haben, wird es auch Verbände geben.“ Möglicherweise gebe es sogar noch einige weitere Spezialverbände, zum Beispiel einen Verband der Filialleiter oder der „Clan-Apotheker“. Wessinger hofft, dass es bei der ABDA zu Veränderungen kommt, wer was entscheidet, und die Einbindung der Apotheker besser funktioniert: „Die Mitglieder wollen heute direkter mitentscheiden. Zum Beispiel könnten auf dem Apothekertag bestimmte Wahlen stattfinden.“
Ob er in zehn Jahren noch im Amt ist, wisse er nicht, so Siemsen, es komme darauf an, ob ihn die Hamburger Apotheker noch wählen, „ob sie noch mit mir zufrieden sind. Ich werde sicher nicht ABDA-Präsident, das sehe ich in meiner Lebensplanung nicht mehr vor“. Siemsen kann sich zudem vorstellen, dass vier Verbände (Hamburg, Bremen, Berlin und Saarland) mit anderen fusionieren. Die Verbände werden nur noch Rumpfdienstleistungen anbieten, eine zentrale Servicestelle könnte die meisten Aufgaben übernehmen. Und bei den Kammern sieht er eine mögliche Fusion von Berlin und Brandenburg, falls diese beiden Bundesländer zusammengehen. Die ABDA werde es als Dachverband auch in zehn Jahren noch geben, möglicherweise mit einem verkleinerten geschäftsführenden Vorstand. Siemsen hofft darauf, dass die Apotheker professionelle Leute fürs Hauptamt einkaufen, die von den Ehrenamtlichen beauftragt werden, die Mitgliedsorganisationen neu aufzustellen und die Transparenz zu verbessern.
Konzentrationsprozesse bei den Verbänden sieht auch Seyfarth. Nach seiner Ansicht sind sie allerdings nicht in diesem Umfang notwendig: „Mehr Mitbestimmung von der Basis halte ich für sinnvoll, allerdings mit Einschränkungen. Zu wichtigen Themen und Fragestellungen sollte auch die Expertise von externen Fachleuten eingeholt werden.“
Und wie wird die Zukunft entschieden? Kaufmännisch oder pharmazeutisch? „Ich glaube, sie wird nicht kaufmännisch entschieden, allenfalls auf einer kaufmännischen Basis“, überlegt Siemsen. „Denn eine kaufmännische Zukunft wäre ein reiner Handel wie z. B. bei Drogeriemärkten. Da wird nur geschaut, wo man günstig einkaufen kann, was macht der Mitbewerber und wie sind die Kundenwünsche. Fertig. Allerdings, zurzeit bröckelt die kaufmännische Basis der Apotheker.“
Für Meyer entscheidet sich die Zukunft des Apothekerberufs vor allem in den Köpfen der Kunden: „Wie denken die Kunden über die Apotheken! Auch die Ansicht von Krankenkassen und die Politik spielt dabei eine Rolle.“
Wenn man einen Wunsch frei hätte …
Apotheker sollten selbstbewusster auftreten, Mut zur Veränderung haben, den Blick nach vorne richten und nicht nur Karabinerhaken und Besitzstandswahrung nachlaufen – so bringt es Seyfarth auf den Punkt. Die Angst vor dem Versandhandel sei nicht begründet, auch nicht nach dem EuGH-Urteil. Denn nach neuesten Untersuchungen informieren sich die meisten Leute zwar im Internet, sie kaufen aber wieder mehr vor Ort.
Siemsens Wunsch: Die ABDA-Spitze sollte das Ohr dicht an der Basis haben, die richtigen Dinge entscheiden und sie so in der Basis kommunizieren, dass sie von allen mitgetragen werden können. Mehr Professionalität bei der berufspolitischen Arbeit, und dies bitte rasch, und eine bessere Kommunikation mit der Basis – das steht auf Wessingers Wunschliste ganz oben.
Professionalisierung der ABDA in alle Richtungen, also gegenüber der Politik, den Marktbeteiligten und der Basis selbst, wünscht sich Meyer und hofft, dass man auch den Mut hat, die richtigen Entscheidungen umzusetzen.
„Ich wünsche mir, dass unser Nachwuchs mehr Chancen bekommt und unterstützt wird, z. B. bei der Übernahme von Apotheken“, so Wahl. Verbände und Kammern sollten den Nachwuchs so begleiten, dass dieser eine realistische Chance hat, eine Apotheke pharmazeutisch und betriebswirtschaftlich gut zu führen. Auch eine modernere Ausbildung wäre wünschenswert, mehr kundenorientiert, mehr heilberuflich.
Effektive Arbeitsteilung, professionelle Aufgabenübernahme und weniger Sand im Getriebe sind die Wünsche von Preißner.
Der erste Schritt zur Professionalisierung
Kaapkes Fazit aus dem Stuttgarter Gespräch über die Standesorganisationen: „Wie heißt der Matthias Wissmann der Apothekerschaft? Schaffen es die Apotheker, eine solche Figur aufzubauen, die bei der Politik gehört wird? Welche Basisqualifikationen brauchen Mandatsträger, unabhängig davon, ob sie im Ehren- oder Hauptamt arbeiten, um das Mandat bewerkstelligen zu können? Wer diese Qualifikationen nicht mitbringt, kann dieses Amt nicht ausfüllen – das ist der erste Schritt zur Professionalisierung“, bringt es Kaapke auf den Punkt. Es werde auch die Frage beantwortet werden müssen, wann jeweils das Ehrenamt oder das Hauptamt nach vorne tritt. „Die Apotheker brauchen den Mut für zwei Prozesse“, regt Kaapke an, „den Mut für eine Ideenwerkstatt, in der Apotheker Ideen und Visionen – agierend und nicht reagierend – entwickeln dürfen, auch schräge Ideen, die dann wertfrei hinter verschlossenen Türen diskutiert werden. Und zweitens brauchen die Apotheker eine Strukturdiskussion über eine neue Ablauforganisation. Nur so kann Fortschritt entstehen. Wenn der Berufsstand es nicht schafft, die Prozesse zu modernisieren, zu professionalisieren, dann werden sie abgestraft werden.“ Die Aufgabe in den nächsten fünf Jahren werde es auch sein, nicht auf die Entwicklung von Spezialverbänden hinzuwirken, stattdessen sollte man Verbände wieder zurückholen. „Wenn das diese ABDA als Klammer von Verbänden und Kammern nicht schafft, dann ist es keine Klammer, dann braucht man sie nicht.“ Kaapkes Schlusssatz: „Mit dem alten Adam hat man den Krieg noch nie gewonnen.“ |
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