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Bottroper Apotheker soll in großem Stil Zytostatika-Zubereitungen gestreckt haben
Als am 1. Dezember 2016 bekannt wurde, dass ein Bottroper Apotheker in großem Stil „Krebsmittel gestreckt“ haben soll und die Staatsanwaltschaft Essen ermittelt, verbreitete sich die Nachricht wie ein Lauffeuer in allen Medien. Der Beschuldigte soll seit 2012 bei der Herstellung von Zytostatika-Infusionen mit Vorsatz abweichend von der ärztlichen Verordnung zu niedrige Wirkstoffkonzentrationen eingesetzt, mit den Kassen aber die verordnete Dosierung abgerechnet haben, so der Vorwurf. Von 40.000 unsachgemäßen Zubereitungen und einem finanziellen Schaden in einer Größenordnung von 2,5 Millionen Euro ist die Rede. Der Westdeutsche Rundfunk spricht unter Berufung auf die Staatsanwaltschaft Essen von einer 50%igen Differenz zwischen Einkaufsmenge und Abgabemenge. Zudem gibt es zwei weitere gravierende Anschuldigungen:
Der Apotheker soll die Zytostatika in Straßenkleidung hergestellt und damit gegen Hygienevorschriften verstoßen haben. Und: er soll für die Entsorgung vorgesehene Altarzneimittel weiter verwendet haben.
Der Beschuldigte, der wegen Fluchtgefahr in Untersuchungshaft sitzt, schweigt zu den Vorwürfen.
Inzwischen wurden sowohl seine Privat- als auch die Apothekenräume durchsucht. Dabei sollen Listen mit Patientennamen sichergestellt worden sein. Allerdings sei es nicht leicht herauszufinden, welche der behandelten Patienten tatsächlich eine falsche Zubereitung erhalten haben, so die Staatsanwaltschaft Essen. Damit ist offen, welchen gesundheitlichen Schaden der Apotheker angerichtet haben könnte.
Verunsicherte Patienten
Bei den Patienten ist die Verunsicherung entsprechend groß. Die Deutsche Stiftung Patientenschutz hat die Ermittler aufgefordert, schnellstens aufzuklären, welche Patienten gestreckte Medikamente erhalten haben. „Das Schweigen des Apothekers darf den Opferschutz nicht behindern. Schließlich sind die Daten der Patienten den belieferten Krankenhäusern und Arztpraxen bekannt“, so der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz Eugen Brysch. Er forderte Kliniken und Ärzte auf, nicht nur die Staatsanwaltschaft bei den Ermittlungen zu unterstützen, sondern direkt Kontakt mit den betroffenen Patienten aufzunehmen.
Bislang ermittelt die Essener Staatsanwaltschaft nur wegen des Verstoßes gegen das Arzneimittelgesetz. Das reicht der Deutschen Stiftung Patientenschutz nicht. Sie verlangt eine Ausweitung des Verfahrens wegen des Verdachts der Körperverletzung und der Körperverletzung mit Todesfolge.
„Qualitätskontrolle reicht nicht!“
Auch wird die Qualitätskontrolle in den Zytostatika herstellenden Apotheken kritisiert. In Deutschland gebe es rund 200 Onkologie-Schwerpunktapotheken, die hunderttausende von schwerkranken Krebspatienten versorgen. Sie müssten höchsten Qualitätsanforderungen genügen. Brysch: „Hier kommt es nicht allein auf ordnungsgemäße Dokumentation, korrekte Lagerung der Wirkstoffe und die nötige Qualifikation der Mitarbeiter an. Ohne Zweifel funktioniert die Endkontrolle am Produkt nicht ausreichend.“
Nur Stichproben möglich
Allerdings kann es keine lückenlose Endkontrolle geben. Das machte der VZA-Vorsitzende und ebenfalls in der Zytostatika-Versorgung tätige Apotheker Dr. Klaus Peterseim aus Essen im Gespräch mit der DAZ deutlich.
„Behördliche Kontrollen finden auch heute schon regelmäßig statt. Und sie können, das ist ausdrücklich vorgesehen, unangemeldet durchgeführt werden“, erklärte Peterseim. Dabei liege es im Ermessen der Behörde, wie oft sie die Zytostatika-herstellenden Apotheken in ihrem Zuständigkeitsbereich überprüfe. Die geforderte Kontrolle am Endprodukt könne jedoch nur stichprobenweise erfolgen, da es sich um patientenindividuelle Einzelanfertigungen mit ständig wechselnden Zusammensetzungen und Dosierungen handele. Wie oft und wie häufig solche behördlich angeordneten Stichproben durchgeführt werden können, hänge dabei letztlich von den Möglichkeiten und Kapazitäten staatlicher Untersuchungsstellen ab. „Dort liegt der begrenzende Faktor!“ so Peterseim. Ihm ist es wichtig, darauf hinzuweisen, dass Zytostatika-versorgende Apotheker selbstverständlich für behördliche Kontrollen zur Verfügung stehen und auch in der Vergangenheit daran mitgewirkt haben. So habe es vor einigen Jahren eine Untersuchung von Proben aller Zytostatika-herstellenden Apotheken in Nordrhein-Westfalen gegeben. Dabei seien alle Proben einwandfrei gewesen, sowohl mikrobiologisch als auch in Sachen Gehalt.
Machtlos gegen kriminelle Energie
Auf den aktuellen Fall angesprochen zeigte sich Peterseim ratlos und entsetzt. Der unter Verdacht stehende Kollege aus dem benachbarten Bottrop sei in seiner Stadt hoch angesehen gewesen. Er habe zwei Lose der Knappschaft Bahn-See gewonnen und war auch Vertragspartner der GWQ und der DAK. Die Verträge würden ruhen, die Versorgung sei von umliegenden Apotheken übernommen worden, so Peterseim. Es wird davon ausgegangen, dass der Apotheker die Rezepturen im Alleingang hergestellt habe. Für Peterseim unvorstellbar. Denn bei kritischen Rezepturen und gerade in der Zytostatikaherstellung gelte das Vier-Augen-Prinzip. Dass ein Apotheker willentlich eine falsche Medikation abgebe, sei ein unfassbarer Vorgang. Aber, so Peterseim resigniert: „Gegen kriminelle Energie ist jeder Berufsstand machtlos.“ |
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