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DAZ aktuell
Ringen um Rx-Versandverbot
Die Folgen des EuGH-Urteils beschäftigen Politiker in Bund und Ländern
Melanie Huml (CSU), die bayerische Gesundheitsministerin, hatte schon einen Tag nachdem der Europäische Gerichtshof (EuGH) sein Urteil zu Rx-Preisen im grenzüberschreitenden Arzneimittelversandhandel gesprochen hatte, eine Bundesratsinitiative angekündigt: Der Rx-Versand soll wieder verboten werden. Mittlerweile liegt der Antrag aus Bayern vor. Er sollte am 9. November – nach DAZ-Redaktionsschluss – im Gesundheitsausschuss des Bundesrats diskutiert werden.
Der bayerische Antrag zum Verbot des Rx-Versandhandels sieht vor, die hierfür nötigen Änderungen im Arzneimittel- und Apothekengesetz mit dem GKV-Arzneimittelversorgungsstärkungsgesetz (AMVSG) unterzubringen. In der Begründung zu der Initiative heißt es, die Entscheidung des EuGH in Verbindung mit dem in Deutschland zulässigen Versandhandel auch für verschreibungspflichtige Arzneimittel führe zu einer konkreten Gefährdungslage für die flächendeckende Arzneimittelversorgung der Bevölkerung durch öffentliche Apotheken. „Da eine Zerschlagung dieser bewährten Versorgungsstruktur unumkehrbar sein dürfte und andere denkbare Versorgungsstrukturen weder vorhanden noch erwiesenermaßen besser sind, sind sofortige Gegenmaßnahmen erforderlich.“
„Nicht nur geeignet, sondern auch erforderlich“
Die Bayern sehen keine Alternative zum Rx-Versandverbot: „Ein Verbot des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln erscheint hierfür nicht nur geeignet, sondern auch erforderlich. Eine andere, ebenso rechtsklare Regelung, mit der dieses Ziel erreicht werden könnte und die auch den unions- und verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt, ist nicht ersichtlich.“
Wie die anderen Bundesländer zu diesem Antrag stehen, wird sich am 9. November genauer zeigen. Unter anderem aus Hessen, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Baden-Württemberg gab es im Vorfeld jedoch positive Signale. Zunächst müsste der Gesundheitsausschuss des Bundesrats den Antrag ins Plenum bringen. Wird er dort angenommen, müsste der Bundestag darüber befinden. Hier könnten dann die gleichen Probleme auftreten, die derzeit auch der Bundesgesundheitsminister hat: Die SPD-Fraktion lehnt das Rx-Versandverbot bisher ab.
Bemerkenswert ist, dass Bayern die Regelung ans AMVSG andocken will. Dessen erste Lesung steht am 10. November auf der Tagesordnung des Bundesrates. Manch einer befürchtet, dass das Gesetzgebungsverfahren für das Pharmagesetz mit einem Änderungsantrag zum Rx-Versandverbot verzögert werden könnte. Auch die Apotheker dürften ein Interesse haben, dass die hier vorgesehene Honorarerhöhung für Rezepturen und die höheren Gebühren für die Bearbeitung dokumentationspflichtiger Arzneimittel schnell kommen. Auch das Verbot von Zyto-Ausschreibungen auf Apotheken-Ebene soll im AMVSG verankert werden.
4. AMG-Änderungsgesetz
Diese Woche wird der Bundestag zudem das 4. Gesetz zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Gesetze zum Abschluss bringen. Der Streit um die Frage, ob Forschung an nicht einwilligungsfähigen Patienten erlaubt werden soll, soll zunächst in einer gesonderten Sitzung am 9. November ohne Fraktionszwang geklärt werden. Die Verabschiedung des gesamten Gesetzes steht am 11. November auf der Tagesordnung. Das 4. AMG-Änderungsgesetz enthält unter anderem die Regelung, dass Apotheken künftig verschreibungspflichtige Arzneimittel nicht abgeben dürfen, wenn das Rezept offenkundig ohne persönlichen Kontakt zwischen Arzt und Patient ausgestellt wurde. Diese Regelung richtet sich gegen sogenannte Online-Rezepte, etwa von „DrEd“. Zudem wird in der Bundes-Apothekerordnung das Berufsbild der Apotheker umfassender beschrieben. Bislang nicht ausdrücklich genannte Tätigkeiten, zum Beispiel in der Lehre und Forschung oder in der öffentlichen Verwaltung, wurden aufgenommen.
Mögliche Verzögerung durch Notifizierungsverfahren
Warum das Rx-Versandverbot das AMVSG, das nach dem gegenwärtigen Zeitplan voraussichtlich erst im April in Kraft treten könnte, verzögern könnte? Unter anderem die ABDA geht davon aus, dass ein sogenanntes EU-Notifizierungsverfahren erfolgen müsste. Eine EU-Richtlinie (RiLi 2015/1535) sieht vor, dass die Mitgliedstaaten die EU-Kommission über jeden Entwurf einer technischen Vorschrift vor deren Erlass unterrichten müssen. Darunter können auch andere Vorschriften fallen, der Punkt ist, dass sie Auswirkungen auf den freien Warenverkehr haben könnten. Wird ein solcher Entwurf (es sollte mindestens ein Kabinettsentwurf sein) vorgelegt, beginnt eine dreimonatige „Stillhaltefrist“. In dieser Zeit können sich die Kommission, aber auch andere Mitgliedstaaten zu dem Vorhaben äußern. Wird tatsächlich eine Stellungnahme abgegeben, beginnt eine weitere Frist zu laufen. Im Fall, dass Waren betroffen sind, wie hier Arzneimittel, startet eine weitere Dreimonatsfrist, innerhalb derer die Bundesregierung reagieren muss. In dieser Zeit darf die besagte Regelung nicht verabschiedet werden. Ob dieses Verfahren allerdings tatsächlich nötig ist, ist noch nicht abschließend geklärt. Im Bundesgesundheitsministerium prüft man diese Frage noch. „Das Ziel ist selbstverständlich eine Europarechtkonforme Regelung“, hieß es.
Thema im Gesundheitsausschuss und BMG
Neben den Ländern befassen sich auch die Abgeordneten mit dem Thema Rx-Versandverbot. Ebenfalls am Mittwoch, dem 9. November wollten sich die Fraktionen intern in ihren Arbeitsgruppen mit den Folgen des EuGH-Urteils beschäftigen. Am gleichen Tag kam zudem der Gesundheitsausschuss des Bundestages zusammen. Der Ausschussvorsitzende Edgar Franke (SPD) hatte bereits angekündigt, dass die Parlamentarier das EuGH-Urteil wohl kurzfristig auf die Tagesordnung nehmen würden. In derselben Sitzung soll zudem das Datum für die öffentliche Anhörung des AMVSG beschlossen werden.
Am Donnerstag, dem 10. November soll es dann im Bundesgesundheitsministerium ein Spitzentreffen der gesundheitspolitischen Fraktionsspitzen von Union und SPD geben. Dem Vernehmen nach will Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe ausloten, ob ein Rx-Versandverbot mit der SPD grundsätzlich möglich ist. Nicht ausgeschlossen ist, dass die Fraktionsvertreter mit dem Minister auch schon über Alternativen sprechen.
Klar ist: Die Politik erkennt, dass das EuGH-Urteil für die deutsche Apothekenlandschaft gefährlich werden kann. Und sie bemüht sich um Lösungen. Doch wie diese am Ende konkret aussehen – und vor allem, wann sie kommen, ist derzeit noch nicht zu sagen. |
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