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Krebsvorsorge

Darmkrebs-Screening – was ändert sich?

In der GKV kommt das Ende des Guajak-basierten Stuhltests auf okkultes Blut

Darmkrebs ist mit jährlich 61.000 Neuerkrankungen in Deutschland bei Frauen nach Brustkrebs die zweithäufigste und bei Männern nach Prostata- und Lungenkrebs die dritthäufigste Krebserkrankung. 26.000 Patienten versterben an den Folgen der Erkrankung. Das Lebenszeitrisiko, an Darmkrebs zu erkranken, beträgt etwa sechs Prozent. Über 90 Prozent der Betroffenen sind bei der Diagnose älter als 50 Jahre. Die Wahrscheinlichkeit einer Heilung hängt deutlich vom Stadium der Erkrankung ab. So beträgt die Fünf-Jahres-Überlebensrate im lokalisierten Stadium I über 90 Prozent, im Stadium III mit Lymphknotenmetastasen hingegen etwa 50 Prozent und bei Vorliegen von Fernmetastasen nur zehn Prozent. Daher kommt der Früherkennung der Erkrankung eine entscheidende Bedeutung zu. Hierfür stehen verschiedene Screeningmethoden zur Verfügung, die in der Leitlinie unterschiedlich beurteilt werden. Ab Oktober 2016 tritt hierzu eine Entscheidung des G-BA in Kraft: Die Guajak-Stuhltests auf okkultes Blut werden durch immunologische Stuhltests ersetzt. | Von Christian Pox

Die Mehrzahl der kolorektalen Karzinome (KRK) entwickelt sich im Verlauf mehrerer Jahre aus Vorläufern, sogenannten Adenomen. Fortgeschrittene Adenome (≥ 10 mm, villöse Anteile und/oder fortgeschrittene intraepitheliale Neoplasie) sind aufgrund ihres Entartungsrisikos besonders gefährlich. Werden Adenome präventiv entfernt, kann ein KRK ­effektiv verhindert werden. Der Begriff Screening umfasst sowohl die Früherkennung als auch die Prävention. Methoden, die vorwiegend Darmkrebs entdecken können, sind:

  • Stuhltests auf okkultes (verstecktes) Blut (engl. fecal occult blood test, FOBT), nämlich– Guajak-Verfahren (gFOBT) und– immunologische Verfahren (engl. fecal immunochemical test, FIT),
  • genetische Stuhltests,
  • M2-PK-Stuhltest.

Methoden, die zusätzlich Adenome entdecken können, sind:

  • Darmspiegelung (Koloskopie, Sigmoidoskopie),
  • CT-Kolonografie,
  • Kapselendoskopie.

Stuhltests auf okkultes Blut

Diese Verfahren basieren darauf, dass Darmkrebs gehäuft blutet, wobei die Blutmenge häufig nicht ausreicht, um mit dem Auge erkannt zu werden.

Guajak-Verfahren (gFOBT): Bei diesen Tests wird mit ­Guajak-Harz imprägniertes Filterpapier verwendet. Eine Stuhlprobe wird auf die zwei bis drei Testfelder gegeben. Wenn im Stuhl Hämoglobin enthalten ist, wird das Testfeld durch Zugabe von Wasserstoffperoxid blau gefärbt. Üblich ist die Untersuchung von drei Stuhlproben. In mehreren großen Studien konnte gezeigt werden, dass durch den Einsatz des gFOBT eine Senkung der Sterblichkeit an Darmkrebs um etwa 25 Prozent erreicht werden kann. Es ist jedoch eine regelmäßige Wiederholung erforderlich, da durch einen einmaligen gFOBT nur etwa 40 bis 60 Prozent der Darmkrebserkrankungen erkannt werden (eingeschränkte Sensitivität). Weiterhin gibt es eine gewisse Anfälligkeit des gFOBT für externe Faktoren wie den Verzehr von tierischen Fleischprodukten. Adenome werden nur selten durch den gFOBT entdeckt.

Immunologische Stuhltests (FIT) weisen gezielt menschliches Blut im Stuhl nach. Anders als beim Guajak-Verfahren sind eine Automatisierung der Testauswertung und eine Veränderung des Schwellenwerts, bei dem der Test als positiv gewertet wird, möglich. Typischerweise wird nur eine Stuhlprobe untersucht. In einer Metaanalyse von 19 Studien zur Detektion von KRK betrug die Sensitivität des FIT 79 Prozent bei einer Spezifität von 94 Prozent. In zwei prospektiven Studien aus den Niederlanden, in denen gFOBT und FIT verglichen wurden, fanden sich in der FIT-Gruppe signifikant höhere Raten für die Teilnahme und für die Neoplasiedetektion. Vor Kurzem konnten Daten aus Italien erstmals zeigen, dass durch den FIT die KRK-bedingte Mortalität gesenkt wird. Insofern sind die FIT dem gFOBT überlegen. Eine Studie, in der einige in Deutschland erhältliche quantitative und qualitative FIT bzgl. der Sensitivität und Spezifität für die Detektion fortgeschrittener Adenome untersucht wurden, zeigte große Unterschiede der einzelnen Tests. Generell gilt für die Spezifität von Screeningverfahren eine untere Grenze von 90 Prozent, um die Rate falsch positiver Testergebnisse möglichst gering zu halten.

Weiterhin ist unklar, ob die Sensitivität der FIT für fort­geschrittene Adenome ausreicht, um die Karzinominzidenz im Sinne einer Primärprävention zu senken. Läsionen, die nicht bluten, können auch durch FIT nicht entdeckt werden. Dennoch sind die Vorteile der FIT gegenüber dem gFOBT so groß, dass der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) im ­April 2016 entschieden hat, dass quantitative FIT mit gewissen Eigenschaften den gFOBT ab Oktober 2016 in der gesetzlichen Früherkennung des KRK ersetzen werden (s. u.).

Endoskopische Verfahren: Darmspiegelung

Endoskopische Verfahren haben den Vorteil, dass auch nicht blutende Läsionen des Darms mit hoher Sensitivität und Spezifität erkannt werden. Ferner ermöglichen sie durch das Abtragen von Adenomen mittels Zange oder Schlinge eine Primärprävention von Karzinomen. Man unterscheidet die Sigmoidoskopie und die Koloskopie.

Sigmoidoskopie: Hier erfolgt die Vorbereitung üblicherweise mittels eines Einlaufs. Die Untersuchung ermöglicht die Beurteilung von Rektum und Sigma und teilweise des Colon descendens. In mehreren prospektiven Studien konnte gezeigt werden, dass durch die Sigmoidoskopie die Sterblichkeit an Darmkrebs um 60 Prozent und die Inzidenz von Darmkrebs in den einsehbaren Abschnitten um etwa 40 Prozent gesenkt wird. Erwartungsgemäß fand sich kein Einfluss auf die nicht eingesehenen proximalen Darmabschnitte. Die Morbidität und Mortalität der Untersuchung sind gering. Derzeit hat die Sigmoidoskopie in Deutschland keinen Stellenwert im Screening.

Koloskopie: Hier erfolgt die Darmvorbereitung durch Abführmittel typischerweise in Form von Spüllösungen. Die Untersuchung betrifft den gesamten Dickdarm und ermöglicht somit auch die Detektion von proximal gelegenen Läsionen. Ergebnisse randomisierter Studien werden erst in etwa zehn bis 15 Jahren vorliegen. Es gibt jedoch eine Reihe indirekter Hinweise, die für eine Effektivität der Koloskopie sprechen. So ist die Senkung der KRK-bedingten Mortalität von Stuhltests letztendlich auf die Durchführung einer Koloskopie bei positivem Testergebnis zurückzuführen. Ferner zeigen Fall-Kontroll-Studien eine Senkung der KRK-bedingten Mortalität und Inzidenz, die in einer vergleichenden Studie zudem höher war als für die Sigmoidoskopie. Die Rate der (in Deutschland pflichtgemäß dokumentierten) Nebenwirkungen der Koloskopie ist gering; am häufigsten sind Blutungen nach der Abtragung von Polypen. In einer Registerstudie konnte gezeigt werden, dass durch die in Deutschland angebotene Vorsorgekoloskopie in den ersten zehn Jahren etwa 180.000 Karzinome verhindert worden sind.

CT-Kolonografie

Bei der CT-Kolonografie erfolgt eine computertomografische Untersuchung des Abdomens mit nachfolgender 2D- und 3D-Rekonstruktion des Darms. Bei Nachweis von verdächtigen Läsionen wird dem Patienten eine Koloskopie empfohlen. Typischerweise erfolgt für die CT-Kolonografie eine komplette Darmvorbereitung, es gibt jedoch auch erste Daten mit einer limitierten Vorbereitung. In prospektiven Studien war die Sensitivität für Darmkrebs hoch, die Sensitivität für Polypen größenabhängig variabel. Aufgrund der Strahlenexposition stellt die CT-Kolonografie derzeit in Deutschland nur eine Option bei Patienten mit inkompletter Koloskopie dar.

Kapselendoskopie

Anders als für den Dünndarm gibt es nur wenige Daten zum Einsatz der Kapselendoskopie im Dickdarm. Zu bedenken ist, dass die für die Untersuchung erforderlichen Abführmaßnahmen noch intensiver sind als für die Koloskopie und die Kosten deutlich höher.

Genetische Stuhltests

DNA-Mutationen können regelhaft bei Patienten mit Darmkrebs im Stuhl nachgewiesen werden. Initiale Ergebnisse waren enttäuschend. In einer neueren Studie, in der u. a. DNA-Methylierungsmarker im Stuhl gemessen wurden und verbesserte DNA-Stabilisierungspuffer und -extraktionsverfahren zum Einsatz kamen, war die Kombination aus Mutationsanalyse und Hämoglobinmessung einem FIT signifikant überlegen. Es sind jedoch weitere Studien erforderlich.

M2-PK-Test

Die M2-PK ist eine Isoform der Pyruvatkinase (PK), eines Schlüsselenzyms der Glykolyse. Sie liegt in einer tetrameren Form und in einer dimeren Form vor; Letztere überwiegt im Tumorgewebe. Auf dem Tetramer-Dimer-Verhältnis der M2-PK, die aus dem Stuhl isoliert wurde, beruht der M2-PK-Test. In Studien mit vorselektionierten Patienten betrug seine Sensitivität für Karzinome etwa 80 Prozent, seine Sensitivität für fortgeschrittene Adenome war geringer. Die Spezifität betrug in einer großen Studie 82 Prozent. Große prospektive Studien (wie für die FIT) liegen nicht vor.

Bluttest

Blutuntersuchungen wären eine attraktive Screeningmethode, denn spezifische DNA-Mutationen von Karzinompatienten können häufig im Blut nachgewiesen werden. In einer großen Studie, in der der Methylierungsmarker Septin 9 gemessen wurde, betrug die Sensitivität für Karzinome und Adenome jedoch nur 48 Prozent bzw. elf Prozent.

Leitlinienempfehlungen

Das Kapitel „Screening“ in der S3-Leitlinie KRK wurde zuletzt 2012 aktualisiert. Es empfiehlt, mit dem Screening in der asymptomatischen Bevölkerung ohne familiäre Risikofaktoren im Alter von 50 Jahren zu beginnen.

Die bevorzugte Screeningmethode ist die Koloskopie, die bei unauffälligem Befund alle zehn Jahre wiederholt werden sollte. Für Personen, die keine endoskopische Untersuchung wünschen, wird ein Stuhltest auf okkultes Blut (FOBT) empfohlen. Diese Empfehlung gilt primär für das Guajak-Verfahren. FIT mit nachgewiesener hoher Spezifität von über 90 Prozent können alternativ eingesetzt werden. Die zurückhaltende Empfehlung für den FIT liegt in den deutlich unterschiedlichen Eigenschaften der in Deutschland erhältlichen Tests begründet.

Genetische Stuhltests, CT-Kolonografie, M2-PK-Stuhltest und Kapselendoskopie sollten derzeit nicht im Screening eingesetzt werden. Da die oben erwähnte Studie zur Messung des Methylierungsmarkers Septin 9 im Blut zum Zeitpunkt der Literatursuche der Leitlinie noch nicht veröffentlicht worden war, fehlt eine Empfehlung zum Bluttest; aufgrund der Studienergebnisse ist davon auszugehen, dass dieser Test nicht empfohlen worden wäre.

Gesetzliche Darmkrebsfrüherkennung und -vorsorge in Deutschland

In Deutschland ist die Vorsorgekoloskopie seit Oktober 2002 Bestandteil der gesetzlichen Krebsfrüherkennung. Sie wird bei Personen über 55 Jahren empfohlen und von der GKV erstattet; bei negativem Ergebnis kann sie einmal nach frühestens zehn Jahren wiederholt werden. Es gelten klare Vorgaben zur Qualität und Dokumentation der Untersuchungen.

Bis jetzt war der gFOBT Bestandteil der gesetzlichen Früherkennung des KRK. Er konnte von GKV-Versicherten zwischen 50 und 54 Jahren jährlich in Anspruch genommen werden und ab 55 Jahren alle zwei Jahre als Alternative zur Koloskopie. Im April 2016 hat der G-BA jedoch eine wesentliche Änderung beschlossen, die im Oktober in Kraft tritt: Der gFOBT wird komplett durch den FIT ersetzt. Es dürfen jedoch nur quantitative FIT eingesetzt werden, die gewisse Vorgaben erfüllen:

  • Sensitivität für Karzinome und fortgeschrittene Adenome 25 Prozent bei einer Spezifität von mindestens 90 Prozent.
  • Sicherstellung einer Stabilität der Probe über mindestens fünf Tage bei Raumtemperatur.
  • Die Testergebnisse müssen durch eine Studie nachgewiesen sein, in der die Koloskopie als Referenzverfahren eingesetzt wurde.

Weiterhin müssen externe Qualitätssicherungsmaßnahmen (z. B. Ringversuche) regelmäßig erfolgen. Es bleibt abzuwarten, welche Tests vom G-BA eine Zulassung erhalten werden. Kritisch wird von vielen Experten der Ausschluss qualitativer FIT-Verfahren gesehen.

Ferner wurde im Krebsfrüherkennungs- und -registergesetz (KFRG, 2013) festgelegt, dass ein Einladungsverfahren für die Früherkennung des Zervixkarzinoms und kolorektalen Karzinoms einzuführen ist. Hier ist bisher nicht geklärt, wozu beim KRK genau eingeladen wird. Es ist zu ver­muten, dass zu einem Aufklärungsgespräch über die zur Verfügung stehenden Screeningmethoden eingeladen wird. Hier dürften die Hausärzte eine Schlüsselrolle erhalten. |

Autor

PD Dr. Christian Pox
Chefarzt Medizinische Klinik,
Krankenhaus St. Joseph-Stift,
Schwachhauser Heerstraße 54,
28209 Bremen

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