Prisma

Serin-Phosphorylierung oder Zelltransplantation

Künftige Strategien gegen Chorea Huntington

cae | Die Chorea Huntington (Veitstanz) ist eine Erbkrankheit, die durch einen Gentest diagnostiziert werden kann, bevor sie manifest wird. Derzeit kann man weder ihren Ausbruch verhindern noch die Patienten heilen. Die Grundlagenforschung lässt jedoch vage Hoffnungen aufkommen.
Foto: Science Photo Library / Caffrey, Conor
Patientin mit Chorea Huntington. Derzeit ist die Krankheit unheilbar.

Auslöser der Krankheit ist eine mutierte Form des Proteins Huntingtin (HTT), dessen physiologische Funktion unklar ist. Das mutierte Huntingtin (mHTT) unterscheidet sich vom HTT durch eine zusätzliche Polyglutamin-Kette und wirkt vor allem auf Neuronen im Putamen, einem Teil des Corpus striatum, exzitotoxisch, indem es die Empfindlichkeit gegenüber dem Neurotransmitter Glutamat erhöht. ­Zudem ist in den Neuronen der natürliche Abbau (Autophagie) des mHTT gehemmt, sodass es kumuliert und aggregiert. Dabei stört es den Glucosestoffwechsel der Neuronen und min­dert ihre Toleranz gegenüber oxidativem Stress, sodass sie schließlich zugrunde gehen. Die glutamaterge Überfunktion und der Zellverlust führen bei den Patienten zu typischen unkontrollierten Bewegungen („Veitstanz“) bzw. zur Demenz.

Die auf das mHTT spezialisierte Forschungsgruppe um Steve Finkbeiner am Gladstone Institute in San Francisco hat bereits früher bei In-vitro-Versuchen entdeckt, dass das mHTT durch eine kleine Molekülvariation seine Toxizität größtenteils verliert, nämlich die Phosphorylierung der Aminosäure Serin in Position 421. Darauf testete sie zwei mHTT-Varianten an gentechnisch veränderten Mäusen. Einmal ersetzten sie das S421 durch ein Aspartat, das sich wie eine phosphorylierte Aminosäure verhält. Bei diesen Mäusen kumulierte das mHTT kaum, sondern wurde überwiegend abgebaut; die Mäuse selbst zeigten eine weitaus geringere Huntington-Symptomatik und Neurodegeneration. In einem zweiten Versuch ersetzten sie das S421 durch ein Alanin, das im Gegensatz zur Serin nicht phosphoryliert wird. Diese Mäuse zeigten die beschriebenen Krankheitszeichen in vollem Maße. Nun hat die Suche nach einem Wirkstoff begonnen, der zielgerichtet das S421 im Huntingtin ansteuert und es phosphoryliert.

Eine andere amerikanische Forschungsgruppe um Steven Goldman in Rochester erzielte bei Mäusen mit dem Huntington-Gendefekt therapeutische Erfolge durch die Transplantation von Gliazellen. Diese Zellen umgeben die Neuronen; sie geben dem Hirngewebe eine Struktur (daher auch „Stützzellen) und wechselwirken auf vielfältige Weise mit den Neuronen. In dem Experiment wurden gesunde Gliazellen direkt ins Corpus striatum von wenige Tage alten Mäuse injiziert, worauf sich die Manifestation der Erkrankung verspätete und ihre Progression verlangsamte. In einem weiteren Versuch erhielten gesunde Mäuse eine Injektion von Gliazellen mit dem mHTT-Gendefekt; diese Mäuse erkrankten, obwohl ihre Neuronen intakt waren.

Da Chorea Huntington vererbt wird, sind viele Risikopersonen bekannt. Bei ihnen kann die Krankheit, die erst im mittleren Lebensalter ausbricht, sogar schon vor der Geburt diagnostiziert werden, und ihnen könnte durch eine Zelltransplantation theoretisch geholfen werden. Zwar sind bisher noch keine Gliazellen bei einem Menschen transplantiert worden, die innovativen Zelltherapien machen jedoch Fortschritte, und prinzipiell erscheint auch beim Menschen eine Transplantation von Gliazellen möglich. |

Quellen

Kratter ICH, et al. Serine 421 regulates mutant huntingtin toxicity and clearance in mice. J Clin Invest 2016;126(9):3585-3597

Benraiss A, et al. Human glia can both induce and rescue aspects of disease phenotype in Huntington disease. Nat Comm 2016:7;article nr 11758

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