Arzneimittel und Therapie

Der Fall 3-Bromopyruvat

Eine Substanz, die ungeprüft gegen Krebs eingesetzt wird

rr/hfd | Nach dem Tod von drei Pa­tienten, die in einem „Biologischen Krebszentrum“ behandelt wurden, führt eine Spur zu 3-Bromopyruvat. Noch laufen die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft. Was genau verbirgt sich hinter der Substanz, die derzeit für so viel Aufregung sorgt?

Die Todesursache der Krebspatienten ist noch unklar, jedoch warb der Heilpraktiker auf seiner Homepage für die Behandlung mit 3-Bromopyruvat – eine Substanz, der eine Wirkung gegen Krebs nachgesagt wird, die aber in Deutschland nicht zugelassen ist.

Bromopyruvat ist das bromierte Derivat der Brenztraubensäure.

Die Wirkung in der Theorie

3-Bromopyruvat soll durch selektive Hemmung der Glykolyse antitumoral wirken. Nach der Warburg-Hypothese haben Tumorzellen einen im Vergleich zu gesunden Körperzellen stark erhöhten Zuckerstoffwechsel und gewinnen ihre Energie vorrangig durch die anaerobe Verwertung von Glucose (Fermentation). Als primäres Target von 3-Bromopyruvat wurde die Glycerin­aldehyd-3-phosphat-Dehydrogenase (GAPDH) identifiziert, deren Hemmung zu einem intrazellulären Mangel an Adenosintriphosphat (ATP) führt, mit Apoptose der Zelle in der Folge [1]. Allerdings kommt GAPDH auch in gesunden Zellen vor. Es wird diskutiert, dass 3-Bromopyruvat eine selektive Wirkung auf Krebszellen hat, da die Substanz bevorzugt über bei Krebszellen überexprimierte Monocarboxylat-Transportermoleküle aufgenommen wird [1].

Humanstudien fehlen

Bisher deuten nur Studienergebnisse aus der Zellforschung und Tierversuchen auf eine antitumorale Wirkung von 3-Bromopyruvat hin. Am Menschen wurde die Substanz bisher nicht systematisch untersucht, und man ist noch weit davon entfernt, den Wirkmechanismus von 3-Bromopyruvat verstanden zu haben.

Am Uniklinikum Heidelberg wird in der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Ingrid Herr zu 3-Bromopyruvat geforscht: In experimentellen Untersuchungen an Modellen des Bauchspeicheldrüsenkrebs griff 3-Bromopyruvat vor allem die extrem bösartigen und chemotherapieresistenten Tumorstammzellen an, nicht jedoch normale Zellen oder weniger bösartige Tumorzellen, die noch auf Gemcitabin ansprachen.

Im Jahr 2012 wurde am Universitätsklinikum Frankfurt ein Einsatz am Menschen dokumentiert [2]: Nachdem ein 16-jähriger Patient mit fortgeschrittenem stoffwechselaktivem Leberkrebs mit 3-Bromopyruvat behandelt wurde, lebte er ein Jahr länger als von den Ärzten vorausgesagt. Diesen Effekt führen die Autoren der Publikation ebenso wie eine Verbesserung der Lebensqualität auf 3-Bromopyruvat zurück. Der Patient starb dann allerdings in einem Alter von 18 Jahren.

Foto: Minerva Studio – Fotolia.com
Ohne klinische Prüfungen muss von einem Einsatz von 3-Bromopyruvat zur Krebsbehandlung abgeraten werden.

Toxische Nebenwirkungen

Professor Herr weist darauf hin, dass 3-Bromopyruvat auch alkylierende Eigenschaften und damit toxische Nebenwirkungen wie eine konventionelle Chemotherapie haben kann. Grundsätzlich können Alkylanzien verschiedene Arten von DNA- und Protein-Schäden verursachen. Von einer alkylierenden Wirkung von 3-Bromopyruvat an DNA und RNA wurde bisher jedoch nicht berichtet [3].

Wie geht es weiter?

Ob 3-Bromopyruvat für den Tod der Patienten verantwortlich war, werden die Ermittlungen zeigen. Vorstellbar wäre auch eine Verunreinigung der Substanz. Solange klinische Daten zu Wirksamkeit und Sicherheit von 3-Bromopyruvat fehlen, ist es für einen Einsatz am Menschen noch zu früh. |

Quelle

[1] Ganapathy-Kanniappan S et al. Anticancer Research 2013;33:13-20

[2] Ko YH et al. J Bioenerg Biomembr 2012;44:163-170

[3] Shoshan MC . J Bioenerg Biomembr 2012;44:7-15

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.