Hilfsmittel-Abrechnung

„Der Aufwand für die Präqualifizierung ist maßlos übertrieben“

Vertreter des LAV Baden-Württemberg können den Ärger der Apotheker verstehen

jb | Viel Bürokratie, Knebelverträge und am Ende zahlt man sogar noch drauf. So denken mittlerweile nicht wenige Apotheker über die Hilfsmittelversorgung. Nicht zu vergessen ist der Aufwand für die Re-Präqualifizierung, die jetzt bei vielen fällig wird. In den Augen vieler ist dies für die Apotheker reine Schikane – für die Verbände hingegen eine Einnahmequelle? Dazu gelangen diese dabei noch an sensible Apothekendaten, so die Befürchtung. Wir haben mit Ina Hofferberth, Geschäftsführerin des Landesapothekerverbandes Baden-Württemberg, und Thomas Krohm, Hilfsmittelexperte beim LAV, über Hilfsmittelverträge und Sinn und Unsinn der Präqualifizierung gesprochen.
Foto: DAZ/jb
Ina Hofferberth, Geschäftsführerin beim Landesapothekerverband Baden-Württemberg, und Thomas Krohm, Leiter Sonderprojekte beim LAV Baden-Württemberg.

Die Präqualifizierung hat das frühere Zulassungsverfahren der Krankenkassen zur Abgabe von Hilfsmitteln ersetzt. In diesem Rahmen müssen alle Leistungserbringer ihre Eignung für eine ausreichende, zweckmäßige und funktionsgerechte Herstellung, Abgabe und Anpassung der Hilfsmittel nachweisen. Dazu müssen sie beruf­liche, allgemeine, organisatorische, räumliche und sachliche Voraussetzungen erfüllen und diese belegen.

Vor Einführung des Zulassungsverfahrens gab es keinerlei Kontrolle bei der Hilfsmittelversorgung. Nach einigen Zwischenfällen (z. B. sind Patienten durch technische Defekte in Pflegebetten umgekommen) wurde das Zulassungsverfahren eingeführt. Apotheken waren für „kleine Hilfsmittel“ wie Lanzetten oder Inkontinenzversorgung automatisch qualifiziert. Für andere, wie Kompressionsstrümpfe oder Bandagen, war der Nachweis einer Zusatzqualifikation notwendig.

Auflagen sind überzogen

Warum das dem Gesetzgeber plötzlich nicht mehr ausreichte und eine neue Regelung – eben die Präqualifizierung – eingeführt wurde, dafür hat LAV-Geschäftsführerin Ina Hofferberth keine Erklärung. Ihr sei nicht bekannt, dass es Probleme gab. Die jetzige Ausgestaltung der Präqualifizierung hingegen mit all ihren Nachweisen halten die Vertreter des LAV für maßlos überzogen. Die Tatsache, dass über die Beantragung der Betriebserlaubnis und Apothekenabnahme jeder Apothekeninhaber zahlreiche Nachweise bereits erbracht hat und diese in der Präqualifizierung schlicht redundant sind, wurde vom Spitzenverband der Krankenkassen nicht berücksichtigt (Grundsatz der Gleichberechtigung) – trotz massiver Intervention des Verbandes, berichten sie. Auch in der Re-Präqualifizierung habe man sich auf allen Ebenen für ein schlankeres System eingesetzt – wieder ohne gehört zu werden. Auch hier halten die LAV-Experten den Aufwand für überzogen. Sie vertreten den Standpunkt, dass für einfache Hilfsmittel wie Spritzen, Kanülen und weitere kleine Hilfsmittel Apotheken qua Ausbildung als präqualifiziert gelten sollten. Und dafür setzen sie sich auch weiterhin beim Gesetzgeber ein.

Die Verärgerung der Mitglieder können Hofferberth und Krohm daher verstehen. Neben den Problemen der Nicht-Lieferfähigkeit, der Umsetzung von Rabattverträgen mit aufwendiger Beratung, den rigorosen Retax-Wellen müssten die Apotheker nun noch Zeit aufwenden, Nachweise zu erbringen, ohne die ein Betreiben der Apotheke gar nicht möglich wäre. Jetzt bleibe als Verband nur die Option, die Mitglieder bei dieser administrativen Kapriole zu unterstützen.

„Warum soll eine Windel in Ulm weniger kosten als in Neu-Ulm?“

Thomas Krohm, LAV BaWü

Unterstützung vom LAV

Der Landesapothekerverband Baden-Württemberg bietet daher über die LAV Service GmbH seinen Mitgliedern eine Vorprüfung der Präqualifizierungsanträge an. Dazu wurde eigens in Zusammenarbeit mit dem Bayerischen Apothekerverband ein Online-Portal „PQ-Online“ entwickelt. Es leitet die Apotheker Schritt für Schritt durch den Antrag. Für Apotheken nicht relevante Gruppen werden von vornherein ausgespart. Über die LAV Service GmbH eingereichte Anträge werden vorgeprüft und erst bei Vollständigkeit an die PQ-Stelle weitergeleitet – eine Ablehnung ist daher sehr unwahrscheinlich. Hierin besteht das Service-Angebot der LAV Service GmbH.

Dass diese Unterstützung für den Verband bzw. seine wirtschaftenden Töchter eine lukrative Sache ist, stimme allerdings nicht, erklären Hofferberth und Krohm. Der Aufwand für die Vorprüfung durch die LAV Service GmbH werde zwar von der Präqualifizierungsstelle entschädigt. Für die LAV Service GmbH sei diese Honorierung jedoch nicht kostendeckend, der Personal­aufwand sei erheblich höher. „Wir sehen das als Service-Leistung unseres Verbands. Und ganz nebenbei: Allein die Entwicklungskosten für das PQ-Online-Modul haben die Aufwandsentschädigung bei Weitem übertroffen.“ Die Agentur für Präqualifizierung, eine wirtschaftende Tochter der ABDA, gehört mit Kosten für die Präqualifizierung und Re-Präqualifizierung von 150 Euro zu den günstigsten Anbietern im Markt.

Auch an dem Vorwurf, die Verbände sammelten durch die Präqualifizierung sensible Apothekendaten, ist nichts dran, erklären die Experten des LAV. „Form und Art der Nachweise gibt der Spitzenverband der Krankenkassen auf der Grundlage des Paragrafen 126 im SGB V vor. Diese Daten sind weder für den LAV, noch für seine wirtschaftenden Töchter relevant. Sie werden nicht gespeichert, sondern lediglich im Rahmen der Aufgaben als ‚Externe Stelle‘ auf Vollständigkeit für die Präqualifizierung geprüft. Die Unterlagen werden dann an die Präqualifizierungsstelle weiter­gereicht. Im Übrigen können sensible Daten wie beispielsweise der Mietzins geschwärzt werden.“

Apotheker wollen ihre Patienten unbedingt versorgen

Trotz allem Ärger über den Aufwand der Präqualifizierung und unbefriedigender Konditionen – die übrigens in vielen Fällen nicht mit den Verbänden verhandelt werden, die Kassen bestimmen den Preis – wollen die Apotheker offenbar ihre Patienten versorgen. Und sie tun das auch zu wirtschaftlich schlechten Bedingungen. So habe man sich an dem ersten Inko-Beitrittsvertrag in Baden-Württemberg als LAV nicht beteiligt, berichten Hofferberth und Krohm. Der Grund: das Preisniveau war niedriger als in Bayern. „50 Prozent der Mitglieder sind aber selbstständig beigetreten“, berichtet Hofferberth. Daher trete man als Verband den Verträgen bei, um die Mitglieder, die Hilfsmittel abgeben wollen, beraten zu können.

Wenn der Verband beitritt, bedeutet das erstmal nur, dass der Verband das Beitrittsverfahren seiner Mitglieder und die Umsetzung des Vertrags (z. B. durch entsprechende Seminare) unterstützt. Daraus ergibt sich für den einzelnen noch keine Verpflichtung.

Die LAV-Experten weisen aber auch darauf hin, dass jeder Apotheker vor dem Beitritt individuell kalkulieren muss, ob ein Vertrag aus wirtschaftlicher Sicht und mit vertretbarer Qualität bedient werden kann. Wenn man sich dafür entscheidet, gilt auch bei Hilfsmitteln der Kontrahierungszwang.

Dennoch sehen Krohm und Hofferberth eine Zukunft für die Hilfsmittelversorgung in der Apotheke. Mit der demografischen Entwicklung wird die Nachfrage nach Hilfsmitteln steigen, davon sind Hofferberth und Krohm überzeugt. Die Apotheker werden ihrer Ansicht nach in der Zukunft einen wichtigen Beitrag zur flächendeckenden Versorgung der Patienten mit kleinen Hilfsmitteln leisten. Das gilt insbesondere für die Apotheker in ländlichen Gebieten, in denen Patienten in Ermangelung anderer Versorger wie Sanitätshäuser auf die Versorgung aus einer Hand – aus der Apotheke – angewiesen sind. |

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