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Beratung

Auf den Zahn gefühlt

Was Zahnmediziner zur Zahnpflege empfehlen

Putzt eine elektrische Zahnbürste gründlicher? Ist Fluorid notwendig oder kann es schädlich sein? Was bringt künstlicher Zahnschmelz? Auf diese Fragen sollten Apothekenmitarbeiter in der Beratung eine Antwort parat haben. | Rainer Hahn

Die Zahnoberfläche „lebt“. Unserem Zahnschmelz werden durch saure Nahrung oder durch von Bakterien gebildete Säuren ständig Mineralien entzogen. Es kommt zu Mikroporen und stumpfen Oberflächen, die man besonders vom Verzehr von Zitrusfrüchten kennt. Nach dem Essen werden diese Mineralien in der Regel aus dem Speichel ganz langsam wieder in den Zahn eingelagert. Auch beim Zähneputzen wird in Verbindung mit der Reinigung der Speichelfluss angeregt. Fluoride in der Zahncreme reagieren mit dem Calcium aus dem angeregten Speichelfluss und bilden eine Calcium-Fluorid-Schutzschicht auf der Zahnfläche, die angegriffenen Zahnschmelz remineralisiert und spätere Säureangriffe abblockt. Diese Schutzschicht muss zweimal täglich neu aufgebracht werden.

Zähneputzen ist mehr als Reinigung!

Zahnbeläge und Plaque sind ganz natürlich. Schon Minuten nach einer professionellen Zahnreinigung beim Zahnarzt werden die Zahnoberflächen durch Bakterien, dem sogenannten Biofilm (Plaque), besiedelt. Unbeeinflusst reifen die Bakterien im Biofilm nach 24 bis 72 Stunden heran und können Krankheiten wie Karies und Parodontitis verursachen. Um dies zu vermeiden, sollten die Zähne täglich zweimal gereinigt werden (siehe Kasten „So putzt man richtig“).

So putzt man richtig

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Morgens: „Reinigungsputzen“

Es sollte vor dem Frühstück länger als drei Minuten gründlich geputzt werden, um Biofilme (Plaque) möglichst vollständig zu entfernen. Auch zwischen den Zähnen mit Zahnseide oder Zwischenraumbürstchen reinigen!

Abends: „Pflege- und Wohlfühlzähneputzen“

Es sollte frühestens zwei Stunden nach dem Genuss saurer Mahlzeiten oder Getränke geputzt werden. Wichtige Inhaltsstoffe der Zahncreme wie Fluorid oder flüssiger Zahnschmelz sollen sich an die gesäuberte Oberfläche anlagern.

Nur Zahncremes mit Fluorid empfehlen

Es ist wissenschaftlich unumstritten, dass nur eine fluorid­haltige Zahncreme eine nachweisbare kariespräventive Wirkung hat, die sogar größer sein kann als die des Putzens allein. Fluorid ist in der eingesetzten Konzentration unbedenklich, auch wenn ein Teil der Zahncreme verschluckt wird. Selbst bei gleichzeitiger Verwendung von fluoridiertem Speisesalz ist bei Jugendlichen und Erwachsenen keine Gefahr einer Überdosierung zu befürchten. Nur bei Kindern unter sechs Jahren wird eine geringere Konzentration empfohlen.

Zähneputzen bei Kindern

Der Fluorid-Gehalt von Kinderzahncremes (bis zum 6. Lebensjahr) wurde vor Jahren auf 500 ppm angehoben. Kleinkinder putzen zweimal täglich mit einer erbsengroßen Menge, ab dem Kindergartenalter mit einer normalen Strang­länge. Wir wissen heute, dass eine wiederholte, lokale Fluorid-Zufuhr eine deutlich bessere Wirkung erzielt als die systemische Dauerfluoridierung über Tabletten. Die jahrelang von Zahn- und Kinderärzten angeratenen Kombinationspräparate mit Vitamin D und Fluor (D-Fluoretten®, Fluor-Vigantoletten® oder Zymafluor®) zur Prophylaxe von Rachitis und Karies können aufgrund aktueller wissenschaftlicher Erkenntnisse nicht mehr empfohlen werden. Leider stimmen viele Kinderärzte der zahnärztlichen Empfehlung der Deutschen Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (DGZMK) nicht zu und verschreiben Säuglingen ab dem zehnten Lebenstag weiterhin täglich 0,25 mg Fluorid in Kombination mit Vitamin D (weitere Informationen siehe Artikel „Fluorid-Tabletten ja oder nein?“). Damit besteht die Gefahr, dass die bleibenden Zähne, vor allem die Frontzähne, nach dem späteren Durchtritt weißliche Flecken zeigen (Dentalfluorose, siehe Abb. 1).

Foto: Prof. Dr. Katrin Bekes, Medizinische Universität Wien
Abb. 1: Eine Dentalfluorose entsteht durch zu hohe Fluorid-Zufuhr während der Entwicklung der Zähne.

Flüssiger Zahnschmelz

Seit einigen Jahren gibt es Zahncremes auf dem Markt, die behaupten, feine Risse reparieren zu können, die Zähne aufzuhellen und eine zusätzliche Mineralisation angegriffener Zähne zu ermöglichen. Auch bei sensiblen Zähnen sollen diese Zahncremes schnell wirksam sein. Tatsächlich konnte in Studien gezeigt werden [1]: Mikrofeines Hydroxylapatit (flüssiger Zahnschmelz) lagert sich in einer hauchdünnen Schicht auf Oberflächen an (siehe Abb. 2). Diese Schicht sorgt für die Reduktion von Sensibilitäten und für einen höheren Glanz, hellt die Zähne auf und schützt sie vor einem Säureangriff. Allerdings hat die Kombination mit Fluorid in der Tube ein technisches Problem: Das Fluorid soll sich mit dem Zahn verbinden, der aus Hydroxylapatit besteht. Wenn nun die Zahncreme bereits feines Hydroxylapatit (flüssigen Zahnschmelz) enthält, wird sich das Fluorid bereits in der Tube an das Hydroxylapatit anlagern. Aus diesem Grund wird in den meisten Hydroxylapatit-Zahncremes auf Fluorid verzichtet, sodass solche Produkte nicht empfohlen werden können. Ein Hersteller hat das Problem gelöst: Ein Patent beschreibt, wie man das Fluorid vor der Reaktion in der Tube schützt. Erst wenn die Creme auf die Zähne kommt, kann das Fluorid reagieren (ApaCare Remineralisierende Zahncreme).

Foto: REM Aufnahme Fraunhofer IGB/Cumdente GmbH
Abb. 2: Hydroxylapatit ist im flüssigen Zahnschmelz ­enthalten und schützt Zähne vor einem Säureangriff

Die richtige Zahnbürste

Die beste und effizienteste Zahnreinigung gelingt im Kinder-, Jugend- und Erwachsenenalter mit schnellschwingenden, elektrischen Zahnbürsten. Manche Anwender präferieren Schallzahnbürsten, andere rotierende – wichtig ist, dass sich die Bürsten schnell bewegen. Der Bürstenkopf sollte nicht zu groß sowie mittelhart sein und spätestens alle zwei Monate ausgetauscht werden. Die Bürste wird schräg gegen Zahn und Zahnfleisch gehalten und nur leicht angedrückt, bis das Zahnfleisch gerade leicht weißlich wird. Den Rest macht die Bürste von allein. Wer möchte, kann die Bürsten auf der Stelle leicht rotieren oder zum offenen Mund hin auswischen. Hin- und Herbewegungen über die Zahnreihe verschlechtern das Putzergebnis und können Schäden am Zahnhals oder Zahnfleisch verursachen.

Mundspülung, Kaugummi und Co.

Mundspülungen sollten schonende antibakterielle Wirkkomplexe enthalten. Diese dringen in die Zahnbeläge (Biofilm) ein und hemmen die Bakterien nachhaltig. Vor allem Erwachsene mit Zahnfleischproblemen oder Parodontitis sollten Mundspülungen langfristig und regelmäßig anwenden. Nicht geeignet sind sie in aller Regel für Kinder unter zwölf Jahren.

Kaugummi kauen regt den Speichelfluss an und puffert dadurch bakteriell bedingte, schädliche Säuren ab. Gute Zahnpflegekaugummis enthalten 100% Xylitol, einen natürlichen Birkenzucker, und können Karies um bis zu 100% vorbeugen. Zudem sind wichtige Zahnschmelzmineralien enthalten, die die Remineralisation der Zähne nachhaltig unterstützen.

Beratungstipps für die Apotheke

  • Vielfach tägliches Zähneputzen am Tag ist überflüssig. Gründlichkeit ist wichtiger: Mindestens drei Minuten sollte geputzt werden. Bei zu häufigem Putzen besteht die Gefahr, den Zahnschmelz zu schädigen (Abrasionen, Erosionen).
  • Nach dem Zähneputzen die Fluorid-haltige Zahncreme nur ausspucken, nicht ausspülen!
  • Maschinelles Putzen ist besser als manuelles Putzen mit Handzahnbürsten.
  • Zweimal täglich 30 Sekunden mit einer antibakteriellen Mundspüllösung (am besten mit flüssigem Zahnschmelz) spülen – wenn möglich nicht direkt nach dem Zähneputzen.
  • Zahnpflegekaugummis mit 100% Xylit verwenden, am besten mit zusätzlichen Zahnschmelzmineralien.
  • Bedarfsorientierte Termine mit dem behandelnden Zahnarzt vereinbaren. In der Regel einmal, selten zweimal und ganz selten viermal jährlich zur Zahnreinigung.

Professionelle Zahnreinigung

Professionelle Zahnreinigungen werden in regelmäßigen Abständen vom Zahnarzt oder dessen Hilfspersonal durchgeführt. Ziel ist es, Zahnstein und Beläge zu entfernen und die Zahnoberfläche zu polieren. Wichtig: Die professionelle Zahnreinigung kann die häusliche Zahnpflege und die Prophylaxe nur unterstützen, keinesfalls ersetzen. |

Quelle

[1] Mielczarek et al. The effect of nano-hydroxyapatite toothpaste on enamel surface remineralization. An in vitro study. Am J Dent 2014;27(6):287–290

Autor

Univ.-Prof. Dr. Rainer Hahn, Tübingen, ist Leiter der Abteilung für zahnärztliche Prävention an der Danube Private University in Krems, praktiziert in eigener Klinik in Tübingen und leitet seit 1997 die Fortbildungsakademie DentalSchool.

Fluorid-Tabletten ja oder nein?


Bei der kindgerechten Zahnpflege gehen die Meinungen der Fachgesellschaften auseinander

rr | Die Deutsche Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (DGZMK) rät von einer Fluorid-Supplementierung bei Kindern ab. Kinderärzte halten dagegen Fluorid-haltige Zahnpasta im Vorschulalter für bedenklich. Das führt bei Eltern zu Verunsicherung. Was kann ruhigen Gewissens geraten werden?


Im Jahr 2013 wurde die S2k-Leitlinie „Fluoridierungsmaßnahmen zur Kariesprophylaxe“ aktualisiert. Alle Beteiligten sind sich einig, dass eine Fluorid-Zufuhr für die Karies-Prävention unentbehrlich ist. Nur darüber, wie genau diese aussehen soll, besteht kein Konsens unter den Fachgesellschaften.

Zahnärzte sagen nein

Die Deutsche Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (DGZMK) empfiehlt bei Kleinkindern mit dem Durchbruch des ersten Zahns einmal täglich mit einer erbsengroßen Menge (ungefähr 5 mm langer Zahnpasta­strang) fluoridierter Kinderzahncreme (500 ppm Fluorid) zu putzen. In den ersten sechs Lebensmonaten sind keine weiteren Fluoridierungsmaß­nahmen erforderlich. Nach dem Durchbruch der ersten bleibenden Zähne sollte zweimal täglich eine Zahnpasta für Erwachsene (mind. 1000 ppm) verwendet werden. Fluorid-Tabletten sind aus zahnmedizinischer Sicht nur wirksam, wenn sie intensiv gekaut und nicht nach kurzer Zeit geschluckt werden, was im Säuglingsalter nicht umgesetzt werden kann.

Pädiater sagen ja

Die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin e. V. und die Deutsche Akademie für Kinder- und ­Jugendmedizin e. V. befürworten die Anwendung von Fluorid-Tabletten in den ersten Lebensjahren, da auf diese Weise möglichst viele Kinder zuverlässig mit Fluoriden versorgt werden. Die Tabletten sollten möglichst gelutscht werden, um die topische Wirkungskomponente bestmöglich zu nutzen. Fluorid-haltige Zahnpasta sollte erst dann regelmäßig verwendet werden, wenn das Kind die Zahnpasta nach dem Zähneputzen ausspucken kann (ab vier Jahren). Bei Zahnpasta handelt es sich um ein kosmetisches Produkt, das nicht zum Verzehr geeignet ist.

Der goldene Mittelweg

Beide Empfehlungen sind in der Leitlinie festgehalten. Da eine klare Orientierung fehlt, besteht die Gefahr einer Fluorid-Überdosierung mit Tabletten und Zahnpasta. Teilweise könnte aus Verunsicherung auch ganz auf eine Fluoridierung verzichtet werden.

In Sachsen wurde 2015 unter Moderation der Sächsischen Landesärztekammer und der Landeszahnärztekammer Sachsen ein Konsens erarbeitet, um einer Doppelfluoridierung entgegen­zuwirken:

  • Variante A: Bis zur Vollendung des zweiten Lebensjahres erfolgt die kombinierte Rachitis- und Kariesprophylaxe mit Vitamin D ohne Fluorid-Zusatz. Ab dem Durchbruch des ersten Zahns sollte einmal täglich mit einer fluoridierten Kinderzahncreme (möglichst wenig Aromastoffe und ohne Methylparabene) geputzt werden.
  • Variante B: Die kombinierte Rachitis- und Kariesprophylaxe erfolgt bis zum zweiten Lebensjahr mit Vitamin D und Fluorid. Dafür darf beim Putzen nur eine Fluorid-freie Zahnpasta eingesetzt werden.

Beide Varianten sehen zudem die sparsame Verwendung von fluoridiertem Speisesalz bei der Zubereitung von Speisen vor. |

Quelle

Fluoridierungsmaßnahmen zur Kariesprophylaxe. S2k-Leitlinie, AWMF Register-Nr. 083-001

Kariesprophylaxe beim Kleinkind: Ein ärztlich-zahnärztliches Konsenspapier. Ärzteblatt Sachsen 8/2015 K

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1 Kommentar

Zahnbürsten

von Sonja am 28.12.2018 um 9:53 Uhr

Vielen Dank für diesen tollen, informativen Bericht. Ich bin zahnmedizinische Assistentin in einer kieferorthopädischen Praxis und habe deshalb auch viel mit Kindern und Zahnpflege zu tun. Ich kann ihnen nur voll und ganz zustimmen, dass auch bei Kindern die Zahnpflege mit einer elektrischen Zahnbürste zu empfehlen ist.

Außerdem habe ich die Erfahrung gemacht, dass die Kinder auch viel lieber mit so einer Zahnbürste putzen. Deshalb empfehlen wir auch am liebsten elektrische Zahnbürsten (https://der-zahn-profi.de/elektrische-zahnbuerste/) , auch mit einer festen Zahnspange.

Mit den besten Grüßen
Sonja K.

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