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Arzneimittel und Therapie
Idarucizumab hebt Dabigatran-Wirkung auf
Spezifisches NOAK-Antidot kommt
Idarucizumab (Praxbind®, Boehringer Ingelheim) ist ein humanisiertes Antikörperfragment, das spezifisch an Dabigatran bindet und dessen antikoagulatorische Wirkung aufhebt, ohne dabei in die Gerinnungskaskade einzugreifen. Der Wirkstoff wird eingesetzt, wenn eine schnelle Aufhebung der Dabigatran-Wirkung erforderlich ist wie etwa bei Notoperationen oder bei lebensbedrohlichen oder nicht beherrschbaren Blutungen.
Die Affinität von Idarucizumab zu Dabigatran ist rund 300mal höher als diejenige von Dabigatran zu Thrombin. Daher kann das Antidot sowohl freies als auch Thrombin-gebundenes Dabigatran binden. Die Wirkung tritt unmittelbar nach der intravenösen Applikation ein. Die pharmakokinetischen Eigenschaften von Idarucizumab und die hohe Spezifität der Bindung an Dabigatran machen klinisch relevante Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln unwahrscheinlich; diesbezügliche Interaktionsstudien wurden daher nicht durchgeführt. Die Wirkung anderer Antikoagulanzien wird durch Idarucizumab nicht beeinflusst.
Die empfohlene Dosis von Idarucizumab beträgt 5 g in zwei aufeinanderfolgenden Injektionen oder als Kurzinfusionen. Falls erforderlich, kann eine weitere Dosis appliziert werden. Das Arzneimittel ist ausschließlich für die Anwendung in einem Krankenhaus bestimmt. Seine Auslieferung an Kliniken soll ab dem 18.01.2016 erfolgen. Die Zulassung von Idarucizumab beruht auf Daten freiwilliger Probanden in drei abgeschlossenen Phase-I-Studien sowie auf Zwischenergebnissen der klinischen Phase-III-Studie REVERSE AD (Study of reversal effects of idarucizumab in patients on active dabigatran) mit geplanten 300 Probanden; Daten von 123 Patienten gingen in diese Analyse ein. Es konnte gezeigt werden, dass Idarucizumab eine Dabigatran-induzierte Gerinnungshemmung bei über 89% aller Patienten innerhalb weniger Minuten aufhebt. Die Wirkung des Antidots hält mindestens zwölf Stunden an. In den Zulassungsdaten wurden keine sicherheitsrelevanten Bedenken oder Anzeichen prothrombotischer Ereignisse dokumentiert.
Neue Behandlungsmethode
Für Dabigatran – wie für alle anderen neuen oralen Antikoagulanzien auch – gab es bislang kein spezifisches Antidot. Im Bedarfsfall wurden je nach Schweregrad der Blutungskomplikation eine notfallmäßige Hämodialyse durchgeführt und/oder ein Prothrombinkomplex-Konzentrat verabreicht. Mit Idarucizumab steht nun ein spezifisches Antidot zur Verfügung, dessen Wirkung innerhalb weniger Minuten einsetzt.
Offene Fragen
Prof. Dr. med. Dietrich Höffler von der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft merkt an, dass allerdings noch einige Fragen offen sind. Z. B. wurde bei einer Reihe von Patienten ein Anstieg des Dabigatran-Spiegels nach zwölf bis 24 Stunden beobachtet, der als eine Rückverteilung von Dabigatran gedeutet wird. Unklar ist, ob in diesen Fällen eine erneute Gabe des Antidots erforderlich wird. Zudem wurde bei einem Viertel der Untersuchten keine erniedrigte Thrombinzeit gemessen. Diese Patienten hatten also gar keine wirksame Dabigatran-Konzentration im Blut. Ein Laborparameter wäre deshalb nötig, um festzustellen, ob das Antidot wirklich indiziert ist. |
Quelle
Produkt-Information Praxbind®: www.ema.europa.eu, Zugriff am 30. Dezember 2015
NUB-Antrag zu Idarucizumab der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und medizinische Onkologie: www.dgho.de, Zugriff am 30. Dezember 2015
Pollack, C et al. Idarucizumab for dabigatran reversal. N Engl J Med 2015;373:511-20
Glund S et al. Safety, tolerabilitiy, and efficacy of idarucizumab for the reversal of the anticoagulant effect of dabigatran in healthy
male volunteers. Lancet 2015;386:680-90
Hoffler D. Idarucizumab zur Normalisierung der Gerinnung nach Gabe von Dabigatran. Arzneiverordnung in der Praxis 2016;43:1
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