Schwerpunkt Verhütung

Und dann ist es doch passiert!

Was tun bei Verhütungspannen?

Foto: viperagp – Fotolia.com
Von Beate Fessler | Pille“ vergessen, Kondom gerissen, Zyklus falsch berechnet – selbst bei Frauen und Männern, für die das Thema Verhütung kein Fremdwort ist, und die „normalerweise“ immer konsequent verhüten, kann es zu einer Panne kommen, und zwar völlig unabhängig von der Verhütungsmethode. Denn schief gehen kann immer etwas. Dann heißt es Nerven bewahren, richtig rechnen und, bei Bedarf, zur Pille oder Spirale „danach“ greifen. Als ultima ratio kommt auch ein Schwangerschaftsabbruch in Betracht. Oder aber es fällt, ganz unverhofft, doch die Entscheidung, das Kind zu behalten.

Egal, ob mit Pille, Kondom oder der symptothermalen Methode verhütet wird: Fehler können sich immer ein­schleichen. Und nur manchmal lassen sie sich rückgängig machen.

Probleme mit der „Pille“

Manchen fällt es schon auf dem Weg zur Arbeit ein, anderen vielleicht erst in der Mittagspause: In der morgendlichen Hektik wurde die Einnahme des oralen Kontrazeptivums vergessen. Noch ist das kein Problem, zumindest bei den üblichen Kombinationspräparaten. Werden sie innerhalb von zwölf Stunden eingenommen und wird die Einnahme des oralen Kontrazeptivums dann wie gewohnt fortgesetzt, bleibt der Verhütungsschutz bestehen. Weniger Spielraum lässt die „Minipille“: Sie muss jeden Tag möglichst zur selben Zeit eingenommen werden. Wird das vergessen, muss die Einnahme bei Levonorgestrel innerhalb von drei Stunden nachgeholt werden. Bei Desogestrel geht der Empfängnisschutz erst verloren, wenn zwölf Stunden nach der eigentlichen Einnahme verstrichen sind. Wird eine „Pille“, egal welcher Zusammensetzung zweimal oder gar mehrmals während des Zyklus vergessen, besteht kein Empfängnisschutz mehr. Es sollten dann während des Zyklus zusätzlich andere Methoden, etwa ein Kondom, verwendet werden. Bei Frauen, die ihr orales Kontrazeptivum häufig vergessen, sollte ohnehin eine Alternative überlegt werden, etwa eine Spirale oder auch der Vaginalring. Manchmal können auch Erinnerungs-Apps dem Gedächtnis auf die Sprünge helfen.

Risikofaktoren: Komedikation und Fernreisen

Beeinträchtigt werden kann die Wirksamkeit der oralen Kontrazeptiva bei gastrointestinalen Problemen wie Erbrechen und Durchfall. Aber auch die Interaktion mit anderen Arzneimitteln kann die Wirksamkeit reduzieren. Dazu gehören rasch wirkende Laxanzien, aber auch Wechselwirkungen mit Antibiotika wie Cephalosporine, Penicilline, Sulfonamide und Tetracyclinen sowie mit einigen Antiepileptika. Gesichert ist die Wechselwirkung für Carbamazepin, Eslicarbazepin, Ethosuximid, Felbamat, Lamotrigin, Oxcarbazepin, Phenobarbital, Phenytoin, Primidon, Rufin­amid oder Topiramat (oberhalb 200 mg/Tag). Diese Sub­stanzen führen zu einer Induktion des CYP-Systems und der UDP-Glucuronosyltransferase (UGT), wodurch es zu einer verstärkten Metabolisierung und damit zu verminderten Serumspiegeln der Sexualsteroide kommt. Keinen Einfluss auf die Wirksamkeit von Sexualsteroiden haben nach momentaner Datenlage dagegen Gabapentin, Lacosamid, Levetir­acetam, Pregabalin, Retigabin, Tiagabin, Valproinsäure, Vigabatrin oder Zonisamid. Noch nicht endgültig abgeschlossen ist die Diskussion um Interaktionen mit Johanniskraut. In Fachinformationen von Johanniskraut-Präparaten wird aber auf eine mögliche herabgesetzte Wirkung der Pille hingewiesen. Wenn Frauen mit der „Pille“ verhüten, sollte bei einer Komedikation in jedem Fall ein Blick in die Fachinformation geworfen werden, um mögliche Interaktionen nicht zu übersehen. Auch chronischer Alkoholkonsum schränkt die Wirkung oraler Kontrazeptiva ein. Dagegen hat gelegentlicher Alkoholkonsum keinen Einfluss. Rauchen war ebenfalls in der Diskussion. Hier konnte aber Entwarnung gegeben werden. Schwanger nach einer längeren Fernreise? Dann ist möglicherweise die Zeitverschiebung nicht berücksichtigt worden. Wie beim Vergessen der „Pille“ gilt auch hier: die Zeit zwischen zwei Einnahmen darf bei Kombinationspräparaten nicht mehr als 36 Stunden betragen. Bei längerem Zeitunterschied empfiehlt es sich, bei abendlicher Einnahme das orale Kontrazeptivum wie gewohnt am Abend vorher einzunehmen und am Urlaubsort dann immer morgens. Wer auf Nummer sicher gehen will, kann auch eine „Zwischenpille“ einnehmen. Das ist auch die einfachste Lösung bei einer Minipille mit einer Zeitverschiebung von mehr als drei Stunden.

Kondome: sehr sicher, aber …

Kondome sind sehr sicher, wenn sie richtig angewendet werden. Und genau hier liegt das Problem, denn die Anwendung geht mit allerlei Fallstricken einher. Vor allem Anfänger sind oft damit überfordert, in der „akuten“ Situation auch noch das Kondom richtig anzuwenden. Üben ist deshalb auf jeden Fall empfehlenswert. Aber auch bei Geübten können Pannen passieren. Zuerst: Das Kondom muss dicht sein. Es darf bei der Entnahme aus der Verpackung und bei der Anwendung nicht beschädigt werden. Und: Es muss die richtige Größe haben. Ein zu enges Kondom kann platzen. Ein zu großes Kondom kann beim Geschlechtsverkehr abrutschen. Auch die Positionierung will gelernt sein. Das „Hütchen“, das die Samenflüssigkeit auffangen soll, darf keine Luft enthalten. Es muss deshalb beim Aufrollen zusammengedrückt werden. Gar nicht so selten werden Innen- und Außenseite des Kondoms verwechselt. Sorgfalt ist auch nach dem Geschlechtsverkehr gefragt. Das Kondom muss am Penisschaft festgehalten werden, während das Glied aus der Scheide gezogen wird. Generell ist es empfehlenswert, sich auf Markenprodukte mit Qualitätssiegel zu verlassen. Und auf das Haltbarkeitsdatum zu achten.

Panne mit Ansage

Als generell unsicher, und damit eher als eine Verhütungspanne mit Ansage, gilt der Coitus interruptus. Denn Samenflüssigkeit tritt schon vor dem Orgasmus aus, und längst nicht immer zieht der Mann sein Glied rechtzeitig zurück. Der Coitus interruptus sollte deshalb keine Option mehr sein. Auch die Knaus-Ogino-Methode, bei der rein rechnerisch die fruchtbaren und unfruchtbaren Tage nach Kalendertagen ermittelt werden, ist passé und von der sichereren symptothermalen Methode abgelöst worden. Bleibt noch der Mythos vom Stillen als Verhütungsmittel. Der Hintergrund: Während des Stillens wird Prolactin ausgeschüttet. Es regt nicht nur die Milchproduktion an, sondern hemmt auch die Aktivität der Eierstöcke. Stillen kann demnach vor einer erneuten Schwangerschaft schützen. Doch die Hürden sind hoch:

  • Die Frau muss innerhalb von 24 Stunden mindestens sechs Mal stillen, und zwar insgesamt mindestens 80 Minuten.
  • Während dieser Zeit darf nicht zugefüttert werden.
  • Die Frau hatte noch keine Monatsblutung.

Wenn nur eine dieser Vorgaben nicht eingehalten wird, ist die Verhütung nicht mehr sicher. Zu einer „Verhütungspanne“ kann es aber auch kommen, wenn nicht an Verhütung gedacht wird, die Lust groß ist, Alkohol oder Drogen im Spiel sind. Oder falsch gerechnet wird. Und nun?

Und wenn es doch passiert ist?

Bei der Beratung von Frauen, die eine ungewollte Schwangerschaft befürchten, muss zunächst nach der Zyklussituation gefragt werden. Bei Geschlechtsverkehr nach dem Eisprung kann Entwarnung gegeben werden. Andernfalls ­besteht die Indikation für die ein Notfallkontrazeptivum („Pille danach“) oder die „Spirale danach“, die nach entsprechender Beratung (siehe unseren Beitrag „10 Punkte für den Verhütungsnotfall – Was bei der Beratung zu einem Notfallkontrazeptivum angesprochen werden sollte“ auf S. 44 in dieser DAZ) empfohlen werden kann und schnellstmöglich nach dem Geschlechtsverkehr angewendet werden sollte. Die Spirale bietet sich vor allem dann an, wenn die Frau ohnehin weiter mit dieser Methode verhüten will.

Bei einer ungewollten Schwangerschaft sollte der Frau bzw. dem Paar umfangreiche Hilfe angeboten werden. Frauenarzt, Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen oder auch pro familia können beispielsweise empfohlen werden. Entscheidet sich die Frau für einen Abbruch der Schwangerschaft, kann er operativ oder medikamentös mit Mifepriston durchgeführt werden. |

Literatur

Angaben zur Literatur bei der Autorin

Autorin

Dr. Beate Fessler ist Apothekerin und arbeitet als freie Medizinjournalistin unter anderem für die Deutsche Apotheker Zeitung.

Literaturtipp

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ISBN 978-3-7692-6499-9

Deutscher Apotheker Verlag 2015


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