Die Seite 3

Harmloser Papiertiger

Foto: DAZ/Kahrmann

Dr. Doris Uhl, Chefredakteurin der DAZ

Analgetika in der Selbstmedikation erfreuen sich großer Beliebtheit. Allein im Jahr 2015 sollen etwa 100 Millionen OTC-Analgetika-Packungen an Verbraucher abgegeben worden sein. Eine Zahl, die wohl das Bundesministerium für Gesundheit gehörig aufgeschreckt hat. Die Erkenntnis, dass eine längerfristige Anwendung und Überdosierung von ASS, Diclofenac, Ibuprofen, Paracetamol und Co. für eine Vielzahl von Nebenwirkungen, ja sogar für Todesfälle verantwortlich zu machen sind, ist nicht neu. Gepaart mit der Erkenntnis, dass Warnhinweise und Kontraindikationen in Produktinformationen nicht ausreichend gelesen werden und vielen Dauer­anwendern nicht bekannt sind, wurde jetzt der Entwurf für eine Analgetika-Warnhinweis-Verordnung vorgelegt. Analog einer „Boxed Warning“, wie sie in den USA üblich ist, soll nun außen auf der Packung oder dem Behältnis ein Warnhinweis aufgebracht werden. Er soll die Patienten (das BMG spricht von „Verbrauchern“) anhalten, Analgetika im Rahmen der Selbstmedikation bei Fieber nicht länger als drei Tage, bei Schmerzen nicht länger als vier Tage anzuwenden (s. S. 17 „Nicht länger als drei bis vier Tage“).

Es ist ein interessanter Versuch jenseits der Überlegungen, die Packungsgrößen für OTC-Analgetika weiter zu begrenzen. Zusammen mit einer offensiven Aufklärung in der Apotheke vor Ort könnte es gelingen, den ein oder anderen Patienten von einem Missbrauch abzuhalten.

Doch Papier ist geduldig! Auch ein Warnhinweis auf der Packung kann ignoriert werden, wenn auf anderer Ebene der Eindruck erzeugt wird, dass Schmerzmittel ein harmloses Konsumgut sind. Wenn Analgetika-Packungen für Cent-Beträge verschleudert werden, so dafür geworben wird wie für Bonbons, Kaffee, Bier, Waschpulver und Wurst, dann muss sich auch der Letzte im Bundesministerium für Gesundheit nicht mehr darüber wundern, dass Verbraucher – die eigentlich Pati­enten sind – die Packungsbeilage ignorieren und Schmerzmittel nicht als hochwirksame, potenziell gefährliche Medikamente wahrnehmen. Wenn es wirklich um Patienten- und Verbraucherschutz geht, dann muss das Preisdumping (nicht nur) für Analgetika in der Selbstmedikation unterbunden werden. Dazu müsste die Politik sich korrigieren und die 2004 eingeführte Preisfreigabe für OTC-Arzneimittel rückgängig machen.

Zudem würde ein festgeschriebener, deutlich höherer Preis eine ganz andere Wertigkeit signalisieren und im Falle der Analgetika den Anreiz erhöhen, nach drei oder vier Tagen den Arzt aufzusuchen. Wenn dann noch die Abgabe an eine persönliche Beratung in der Apotheke geknüpft werden würde, könnte man sichergehen, dass jedem Patienten die Anwendungsempfehlungen vermittelt worden sind. Die rezeptfreie Abgabe der „Pille danach“ zeigt, wie es gehen kann.

Der geplante Warnhinweis-Satz auf der Analgetika-Packung wird sich als harmloser Papiertiger entpuppen. Seine Wirkung wird genauso verpuffen wie die warnenden Worte auf der Zigarettenpackung. Bei Zigaretten hat dieser Erkenntnisgewinn dazu geführt, dass nun auf abschreckende Bilder gesetzt wird. Das mag folgerichtig sein, wenn man keine andere Möglichkeit sieht, die Verbraucher zu erreichen. Für Schmerzmittel in der Selbstmedikation gibt es – dank der noch vorhandenen flächendeckenden Versorgungsmöglichkeit über Apotheken vor Ort – intelligentere und erfolgversprechendere Wege.

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