DAZ aktuell

Apotheker nicht gänzlich außen vor

Antikorruptionsgesetz: Grenze zwischen erlaubter und verbotener Kooperation ist noch auszuloten

BERLIN (hfd/ks) | Nach einem langen Gesetzgebungsprozess hat der Deutsche Bundestag letzte Woche das Gesetz gegen Korruption im Gesundheitswesen verabschiedet. Am 13. Mai geht es noch einmal in den Bundesrat – zustimmungspflichtig ist das Gesetz aber nicht. Auch wenn die Tatbestände aus Apothekersicht kurz vor der Zielgeraden noch entschärft wurden – gänzlich außen vor sind Apotheker nicht. Das betont auch Professor Dr. Hilko J. Meyer, von der Frankfurt University of Applied Sciences.

Die zunächst geplante, aber heftig ­kritisierte Tatbestandsalternative, die die Tathandlung mit einer Verletzung der berufsrechtlichen Pflichten zur heilberuflichen Unabhängigkeit in Verbindung brachte, ist aus dem ursprünglichen Gesetzentwurf gestrichen worden. Ebenso entfielen die Tatbestandsmerkmale der Abgabe und des Bezugs von Arzneimitteln, die nicht zur direkten Anwendung durch den Heilberufler vorgesehen sind. Ersteres wird von Juristen weitgehend begrüßt – denn die meisten hatten erhebliche Zweifel, ob der Verweis auf die von Bundesland zu Bundesland unterschiedlichen Berufsordnungen dem Bestimmtheitsgrundsatz genügten. Opposition und Krankenkassen übten allerdings Kritik – nicht zuletzt an der weitgehenden Herausnahme der Apotheker aus dem Korruptionstatbestand (siehe auch AZ Nr. 16, 2016, S.: „Grünes Licht für Antikorruptionsgesetz“).

Ultima Ratio des Strafrechts

Der Jurist Hilko J. Meyer begrüßt hingegen die Streichung der Abgabe und weitgehend auch des Bezugs von Arzneimitteln. Schließlich sei das Strafrecht die Ultima Ratio der Rechtsdurchsetzung. „Insbesondere zur Durchsetzung der Preis- und Erstattungsregelungen für Arzneimittel gibt es ein umfangreiches preis-, wettbewerbs- und sozialrechtliches Instrumentarium, das in der Praxis wirksam angewandt wird“, betont der einstige ABDA-Jurist, der heute unter anderem auch als Rechtsexperte für die klinik- und heimversorgenden Apotheker ­tätig ist. „Die Kritik der gesetzlichen Krankenkassen am neuen Korruptionstatbestand ist daher unsachlich und nach meinem Eindruck durchsichtige Stimmungsmache gegen die Apotheker“, so Meyer. Er vermutet einen Zusammenhang zum laufenden Schiedsverfahren zur Begrenzung der Nullretaxation. Klar sei im Umkehrschluss aber auch, dass eine mangelnde Selbstkontrolle der Freien Berufe früher oder später zu strafrechtlichen Konsequenzen führen wird – dies sei die „Lehre aus dem laxen Umgang der Ärzteschaft mit dem schon lange bestehenden berufsrechtlichen Zu­wendungsverbot“.

Kritik übt Meyer dennoch: Die Gesetzesbegründung lasse den Ultima-Ratio-Gedanken leider nicht deutlich genug erkennen und könnte das falsche Signal aussenden, dass künftig alles erlaubt sei, was strafrechtlich nicht verboten ist. „Das ist keineswegs der Fall“, unterstreicht Meyer. Die Preis- und Erstattungsregelungen ebenso wie die berufsrechtlichen Vorschriften der Apotheker und Ärzte und die umfangreichen sozialrechtlichen Sanktionen sind weiterhin in Kraft und müssen eingehalten werden.

Fragwürdige Begründung

Eine Aussage in der Begründung des Gesetzes hält Meyer in ihrer Allgemeinheit sogar für einen „Skandal“: Dort heißt es, die Strafbarkeit entfalle, wenn ein Arzt die ihm beim Bezug gewährten Rabatte und sonstigen Vorteile zugunsten des zuständigen Kostenträgers annimmt, um sie an diesen weiterzureichen. Wenn es wirklich darum gehe, das Vertrauen der Patienten in die Integrität heilberuflicher Entscheidungen zu schützen, könne dieses sehr wohl dadurch zerstört werden, dass Ärzte ihre Entscheidungen für den Bezug von Arznei- oder Hilfsmitteln von Kosteneinsparungen der Krankenkassen abhängig machen, so Meyer. Er verlasse sich darauf, dass die Rechtsprechung auf die standesrechtlichen Pflichten zur heilberuf­lichen Unabhängigkeit zurückgreift, um zu bestimmen, inwiefern Heilberufler lauter handeln.

Apotheker bleiben erfasst

Nicht zuletzt weist Meyer darauf hin, dass auch die Apotheker von den verbleibenden Straftatbeständen der neuen Straftatbestände erfasst werden, und zwar sowohl in ihrer Eigenschaft als Heilberufler als auch als Vertragspartner von Ärzten und anderen Heilberufen. Insbesondere können sie andere Heilberufler bestechen – Ärzten beispielsweise einen Vorteil dafür ­versprechen, dass sie ihnen gezielt ­Rezepte zuführen. Meyer: „Vor allem im Bereich der – in vielen Fällen gesundheitspolitisch durchaus erwünschten – patientenorientierten ­Zusammenarbeit von Arzt und Apotheker muss daher in den nächsten Wochen noch einmal sehr genau geprüft werden, wo die Grenze zwischen erlaubter und verbotener Kooperation künftig genau verlaufen wird.“

Staatsanwalt: Ballast über Bord geworfen

Recht zufrieden mit dem neuen Gesetz ist zudem ein echter Praktiker: Alexander Badle von der hessischen Zentralstelle zur Bekämpfung von Vermögensstraftaten und Korruption im Gesundheitswesen. Er hatte massive Kritik an den ersten Fassungen der geplanten Straftatbestände geübt. „So wie das Gesetz am Ende aussieht, ist einiger Ballast über Bord geworfen worden“, erklärte Badle nun gegenüber DAZ.online. Damit meint er etwa den Bezug auf das Berufsrecht. Dass das Gesetz nun in erster Linie den Wettbewerb schützt, und nur indirekt die Patienten, ist für ihn kein Geburtsfehler: Oft bestünden „völlig falsche“, romantische Vorstellungen, wie beispielsweise ein Arzt handeln muss. „Der Arzt ist immer auch Unternehmer, er hat einen Praxisbetrieb und muss Gewinne erwirtschaften“, sagt Badle. „Es ist wichtig, dass auf diesem Markt Lauterkeit herrscht.“ Ansonsten könnten diejenigen, die sich korrekt verhalten, irgendwann nicht mehr am Wettbewerb teilnehmen.

Badle räumt ein: „Sie können mit einem Straftatbestand natürlich nie alle denkbaren Konstellationen im Gesundheitsmarkt abdecken.“ Er glaubt jedoch, dass es in fast allen Konstellationen greifen wird. Das neue Gesetz deckt Korruption bei Monopolstellungen zwar nicht mit ab, doch dies würde nur „in Extremfällen“ zum Zug kommen. „Das Gesetz ist so gut und schlecht, wie die Anwendung in der Praxis sein wird“, sagt der Staatsanwalt.

Ein Gesetz für die Zukunft

Der Staatsanwalt weist ferner darauf hin, dass das neue Gesetz nur zukünftige Taten bestraft: „An dem Tag, an dem das Gesetz in Kraft kommt, ist eine Stunde null“. Badle: „Die Vergangenheit ist vergeben und vergessen“ – zumindest strafrechtlich. Er ist zuversichtlich, dass die meisten kritischen Geschäftsmodelle und Kooperationen bereits umgestellt wurden. „Der Markt hat ja nicht geschlafen“, so Badle. Er geht davon aus, dass mindestens einige Monate oder eher noch ein Jahr vergehen wird, bis die ersten Fälle vor Gericht verhandelt werden. |

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