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DAZ aktuell
Wer zahlt wann – und zahlt überhaupt jemand?
Umsatzsteuer bei ausländischen Versandapotheken
Werden Waren aus einem EU-Land in ein anderes geliefert, stellt sich die Frage, in welchem der beiden Länder welche Mehrwertsteuer bezahlt werden muss. Erfolgt die Lieferung im Zuge des Versandhandels an eine Privatperson, wird die Umsatzsteuer des Empfangslandes fällig. Übersteigt der Umsatz des Versenders eine bestimmte Schwelle (in Deutschland 100.000 Euro pro Jahr), so muss dieser die Umsatzsteuer im Empfangsland bezahlen, also dort eine Umsatzsteuererklärung abgeben. Wird die Ware jedoch an ein anderes Unternehmen geliefert, so gilt das als „innergemeinschaftlicher Erwerb“. Das bedeutet, dass der Empfänger die Umsatzsteuer im Empfangsland abführen muss – diese Regelung kann als Ersatz für die früher üblichen Einfuhrzölle gesehen werden.
Diese Regeln gelten natürlich auch für den Versand von Arzneimitteln: Versendet eine Apotheke aus dem Ausland, z. B. aus Holland, Arzneimittel nach Deutschland, so muss die deutsche Umsatzsteuer an ein deutsches Finanzamt bezahlt werden.
GKV müsste Umsatzsteuer abführen ...
Laut dem Kölner Rechtsanwalt Dr. Joachim Wüst ist aber entscheidend, ob die Arzneimittel zulasten einer gesetzlichen Krankenkasse abgegeben werden. Dann sei nämlich die Krankenkasse der Rechnungsempfänger, und da diese als Unternehmen gelte sei sie zur Abführung der deutschen Umsatzsteuer an den deutschen Fiskus verpflichtet.
Nur bei Arzneimitteln, die der Empfänger selber bezahle – sei es, weil es nicht-verschreibungspflichtige Präparate sind, sei es, weil er privatversichert ist – muss die versendende ausländische Apotheke selbst (sofern sie die Umsatzschwelle überschreitet) die Steuer in Deutschland bezahlen.
... aber technische Voraussetzungen fehlen
Wüst hat den Verdacht, dass die Krankenkassen für Arzneimittel von ausländischen Versandapotheken die Umsatzsteuer nicht abführen. Sie hätten gar nicht die technischen Möglichkeiten, nach ausländischen und inländischen Apotheken zu differenzieren, zitierte die Justiziarin der Apothekerkammer Nordrhein, Dr. Bettina Mecking auf dem ApothekenRechtTag in Berlin aus einem Aufsatz Wüsts (s. auch „Legal, illegal, sch...egal“, DAZ 2016, Nr. 12, S. 60). Deswegen seien sie auch nicht in der Lage, die Umsatzsteuer abzuführen. Die ausländischen Apotheken seien dazu nicht verpflichtet – und Wüst kann sich nicht vorstellen, dass sie eine Steuer bezahlen, die sie gar nicht schulden.
IK enthält Apothekensitz
Allerdings enthält das Institutionskennzeichen (IK), das jede Apotheke (auch die ausländischen) zur Abrechnung mit den Krankenkassen über ihr Rechenzentrum nutzt, einen zweistelligen „Regionalbereich“. Stehen an dritter und vierter Stelle des IK zwei Nullen, so hat die abrechnende Apotheke ihren Sitz im Ausland (s. Kasten „Das Institutionskennzeichen“). Eine gesonderte Aufstellung der ausländischen Apotheken in der Abrechnung müsste also ohne Weiteres möglich sein. Der Geschäftsführer des auf ausländische Versandapotheken spezialisierten Rechenzentrums König IDV, Hermann Schallenmüller, erklärte denn auch gegenüber der DAZ, dass ausländische Versandapotheken in ihren Abrechnungen sehr wohl als solche erkennbar seien.
Das Institutionskennzeichen
Das Institutionskennzeichen (IK) hat zentrale Bedeutung für die Abrechnung von Leistungen im deutschen Sozialsystem. Nach § 293 SGB V ist es das offizielle Kennzeichen der Leistungserbringer für Abrechnungszwecke. Es wird nicht nur von Apotheken und Ärzten, sondern auch von Krankenhäusern, Augenoptikern, Physiotherapeuten, Krankentransportunternehmen usw. verwendet. Auch die Versicherungsträger, also die Kranken-, Renten-, Unfallversicherungen usw. haben jeweils ein IK.
Vergeben wird das IK von der Arbeitsgemeinschaft Institutionskennzeichen (ARGE IK) in Sankt Augustin. Sie vergibt auf schriftlichen Antrag das Kennzeichen an jeden Vertragspartner, der „für die Sozialversicherung im Rahmen der medizinischen und beruflichen Rehabilitation Leistungen erbringt“. Den Antrag und weitere Informationen finden Sie unter www.arge-ik.de
Aufbau des IK
Das IK besteht aus einer neunstelligen Zahl. Diese beinhaltet einige Informationen zur jeweiligen Institution, nämlich die Klassifikation, den Regionalbereich, die Seriennummer sowie eine Prüfziffer.
Die Stellen 1 und 2 codieren die Klassifikation, also um welche Art von Institution es sich handelt. 10 bezeichnet z. B. einen Krankenversicherungsträger, 12 einen Unfallversicherungsträger, 20 Ärzte und Kassenärztliche Vereinigungen, 30 Apotheken, 31 Augenoptiker, 40 Logopäden, 45 Hebammen usw.
Die Stellen 3 und 4 bezeichnen den Regionalbereich, also z. B. das Bundesland, aus dem der Leistungserbringer oder Versicherungsträger stammt. Es gibt für verschiedene Klassen von Vertragspartnern unterschiedliche Tabellen, welche Ziffern welche Region codieren. Allen gemeinsam ist, dass 00 bedeutet, dass die Institution im Ausland sitzt. Die Tabellen finden Sie im Anhang des Gemeinsamen Rundschreiben Institutionskennzeichen, das u.a. auf der Website des Verbands der Ersatzkassen (www.vdek.com, Suchbegriff „Gemeinsames Rundschreiben IK“) zu finden ist.
Die Stellen 5 bis 8 stellen die Seriennummer dar. Diese dient der Unterscheidung der IK-Inhaber der gleichen Klassifikation und Region. Dabei haben bestimmte Gruppen sogenannte Seriennummern-Kontingente, beispielsweise sind bei den Krankenkassen die Seriennummern von 1000 bis 1949 und 9500 bis 9999 für die AOKen reserviert.
An der 9. Stelle kommt dann eine einstellige Prüfziffer. Diese errechnet sich aus den Ziffern 3 bis 8 nach einer bestimmten Formel. Mit ihr kann bei maschineller Verarbeitung einfach sichergestellt werden, dass das IK keine Schreibfehler oder Zahlendreher enthält.
Beispiel
Eine Apotheke aus München könnte folgendes (fiktives) IK haben: 308412345. Dabei steht die 30 für die Klassifikation Apotheke, 84 für die Region München-Stadt, 1234 ist die (fiktive!) Seriennummer, 5 ist die aus den Stellen 3 bis 8, also aus 841234 errechnete Prüfziffer.
Versandapotheken äußern sich nicht
Die AOK Rheinland-Hamburg dagegen stützt die Vermutungen Wüsts. Der DAZ gegenüber bestätigte eine Sprecherin die Aussage, man stelle die deutsche Umsatzsteuer von 19 Prozent auch ausländischen Versandapotheken in Rechnung. Inwieweit diese dann an ihr heimisches Finanzamt abgeführt werde, sei der Kasse nicht bekannt.
Die großen holländischen Versandapotheken halten sich bei dieser Frage bedeckt. Die DocMorris-Pressestelle antwortet knapp: „DocMorris zahlt seit Gründung im Jahr 2000 die jeweils für Deutschland gültige Umsatzsteuer an die deutschen Finanzämter“. Ob sich diese Aussage auch auf die Umsätze bezieht, die mit den gesetzlichen Krankenkassen gemacht werden, bleibt auch auf Nachfrage unbeantwortet. Die Europa Apotheek hatte sich bis Redaktionsschluss gleich überhaupt nicht zurückgemeldet. |
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