Prisma

Ambivalente Interferone

Schädlicher Wirkmechanismus entdeckt

cae | Selten entfaltet ein Stoff nur heilsame Wirkungen im kranken Organismus. Diese alte Weisheit wurde kürzlich an den Inter­feronen bestätigt.

Nach einer viralen Infektion bilden die befallenen Zellen die Interferone α und β (zusammenfassend als Typ-I-­Interferone bezeichnet), die eine breite Palette von Wirkungen entfalten. So hemmen sie in den befallenen Zellen die Virusreplikation und stimulieren in den noch nicht befallenen Zellen die Synthese sowohl von antiviralen Proteinen als auch von MHC-Molekülen, die sie vor dem Angriff der alarmierten natürlichen Killerzellen schützen. Eine Strategie zur Behandlung der Hepatitis B und C besteht deshalb darin, durch die Gabe von rekombinantem Interferon (meist: pegyliertes Interferon alfa-2a) die Wirkung der natür­lichen Interferone zu steigern.

Vorlage: Bhattacharya et al.

Die Superoxiddismutase 1 (SOD1) hält in Leberzellen die reaktiven Sauerstoffspezies (ROS) in Schach. Wenn Typ-I-Interferone an den IFN-α/β-Rezeptor 1 (IFNAR1) binden, schalten sie die SOD1 aus – die Zelle stirbt und setzt Alaninaminotransferase (ALT) frei.

Nun hat die Forschungsgruppe des Wiener Molekularmediziners Andreas Bergthaler durch Versuche an gentechnisch veränderten Mäusen einen neuen, allerdings unerwünschten Wirkmechanismus der Typ-I-Interferone entdeckt: Wenn sie an den IFN-α/β-Rezeptor 1 (IFNAR1) von Leberzellen binden, lösen sie folgendes Selbst­zerstörungsprogramm aus:

  • Der Transkriptionsfaktor STAT1 wird phosphoryliert.
  • Darauf synthetisiert die Zelle keine Superoxiddismutase 1 (SOD1) mehr, die die reaktiven Sauerstoffspezies (ROS) in der Zelle inaktiviert.
  • Die ROS nehmen überhand und ­lassen die Zellmembran bersten. Weil dabei das Leberenzym Alaninaminotransferase (ALT) freigesetzt wird, ist der Untergang von Leber­zellen anhand der ALT-Konzentra­tion indirekt messbar.

Gentechnisch veränderte Mäuse, die keine SOD1 synthetisieren, erlitten erheblich schwerere Leberschädigungen nach einer viralen Infektion. Die Applikation von Typ-I-Interferonen an Wildtyp-Mäuse schädigte deren Leber in ähnlichem Ausmaß, während die parallele Applikation eines IFNAR1-Blockers den Effekt aufhob. Auch bei Knockout-Mäusen, die keinen IFNAR1 besitzen, waren die IFN-I unschädlich.

Damit zeichnet sich als künftige pharmazeutische Aufgabe ab, Interferone so zu modulieren oder zu kombinieren, dass sie einerseits das Immun­system stärken, aber andererseits ­keine gesunden Zellen zerstören. |

Quelle

Bhattacharya A, et al. Superoxide Dismutase 1 Protects Hepatocytes from Type I Interferon-Driven Oxidative Damage. Immunity 2015;43:974-986

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