Gesundheitspolitik

Die konkrete Tätigkeit zählt

Neues Urteil zur Befreiung eines Industrieapothekers von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht gibt Apothekern Aufwind

KÖLN | Viele Apotheker, die in der pharmazeutischen Industrie arbeiten, müssen mit der Deutschen Rentenversicherung Bund (DRV) in Berlin kämpfen, um ihre Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung zugunsten ihres berufsständischen Versorgungswerks zu erhalten. Denn die DRV verweigert mit immer gleichen Argumenten die Befreiung, obwohl zunehmend mehr Gerichte die Bescheide der Behörde aufheben. Ein neues Urteil stärkt Apothekern nun den Rücken.

Das Hessische Landessozialgericht (LSG) in Darmstadt hat kürzlich eine wichtige Entscheidung veröffentlicht. Darin stellen die Richter aus ihrer Sicht die Bedingungen klar, unter denen eine Befreiung von Apothekern stattfinden kann. In dem Urteil vom 26. April 2016 (L 1 KR 347/15) gehen sie ausführlich auf die Argumente der Rentenversicherung ein, folgen ihnen aber ausdrücklich nicht. Das Urteil ist von Bedeutung für alle Apotheker, die sich zurzeit im Streit mit der DRV befinden. Sie sollten sich ausdrücklich auf diese Entscheidung berufen.

Kammerpflichtmitgliedschaft von Bedeutung

Im Streit war die Befreiung eines Apothekers gemäß § 6 SGB VI, der bei einem Medizinproduktehersteller unter anderem für die ­Qualität der Medizinprodukte, Arzneibuchfragen und die Fachinformationen verantwortlich ist. Der Apotheker ist Mitglied der Apothekerkammer Hessen und des entsprechenden Versorgungswerks. Die DRV lehnte die Befreiung aus verschiedenen Gründen ab: So habe sich die Stellenausschreibung nicht nur an Apotheker gerichtet, die Approbation sei keine unabdingbare Voraussetzung für die Tätigkeit und auch die berufsrechtlichen Vorschriften seien nicht relevant.

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Was der Apotheker wirklich tut, ist von Belang – die DRV zog erst mal den Kürzeren.

Verweis auf neue Bundes-Apothekerordnung

Doch dies alles lassen die Richter in Darmstadt nicht gelten. Zunächst komme es nicht auf die Stellenausschreibung an, sondern nur auf die ausgeübte Tätigkeit. Dann messen die Richter großes Gewicht der Tatsache bei, dass der Apotheker wegen seiner Tätigkeit Pflichtmitglied der Apothekerkammer ist. Das Argument der DRV, dies sei nicht ausschlaggebend, lehnen die Richter ab.

Es handele sich bei der Tätigkeit des Klägers um eine berufsspezi­fische Tätigkeit, die auch der Gesetzgeber akzeptiere. Sie verweisen dazu auf die im Gesetzgebungsverfahren befindliche Änderung der Bundes-Apothekerordnung. Dort ist in § 2 Abs. 3 Satz 3 eine neue ausführliche Beschreibung pharmazeutischer Tätigkeiten vorgesehen. Sie umfassen „insbesondere“ ausdrücklich den sogenannten „Industrieapotheker“ in der pharmazeutischen Industrie (Nr. 2), aber auch Tätigkeiten im Medizinproduktewesen der öffentlichen Gesundheitsverwaltung (Nr. 11). Durch die Formulierung „insbesondere“ werde zudem deutlich, dass es sich nicht um eine abschließende Aufzählung handelt. Die Tätigkeit des Klägers fällt aus Sicht der Richter eindeutig unter diesen Katalog. Sie verweisen ferner darauf, dass der 12. Senat des Bundessozialgerichts schon mit Urteilen vom 31. Oktober 2012 nur auf die konkrete Tätigkeit und nicht auf abstrakte Merkmale abgestellt habe.

Approbationspflichtige Tätigkeit nicht Voraussetzung

Dem in vielen Befreiungsverfahren von der DRV vorgebrachten Argument, nur eine „approbationspflichtige Tätigkeit“ eines angestellten Apothekers könne zu einer Befreiung führen, erteilen die Richter eine klare Absage: „Dies würde das befreiungsfähige Tätigkeitsprofil eines Apothekers letztlich auf die Tätigkeit in einer öffentlichen Apotheke oder in einer Krankenhausapotheke verengen, was weder mit § 2 Abs. 3 der Bundes-Apothekerordnung noch mit der Rechtsprechung des BSG in Einklang zu bringen ist“, formulieren die Richter. Sie gehen daher, wie schon die Vorinstanz, davon aus, dass der angestellte Apotheker in dem Unternehmen von der Versicherungspflicht zu befreien ist und haben der Klage stattge­geben.

Revision eingelegt

Die DRV hat gegen das sehr gut begründete – aber für sie nicht positive – Urteil die zugelassene Revision zum Bundessozialgericht in Kassel eingelegt (Az.: B 5 RE 5/16 R). Es ist zu hoffen, dass die Richter sich dem LSG ­anschließen und damit gerade dem gewandelten Verständnis des Apothekerberufs gerecht werden. Denn es kommt tatsächlich nur auf die konkret ausgeübte Tätigkeit an, auf nicht mehr und nicht weniger. |


Der Autor dieses Beitrags, Martin W. Huff, ist Rechtsanwalt in der Kanzlei LegerlotzLaschet, Köln, und Geschäftsführer der Rechtsanwaltskammer Köln. Er befasst sich seit Jahren mit dem Befreiungsrecht von Freiberuflern und vertritt diese vor Gericht.


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