Wirtschaft

Zur Rose setzt auf den EuGH

CEO Oberhänsli: „Wir sind bereit für das elektronische Rezept“

STUTTGART (ts/az) | Beim Schweizer Versandhändler Zur Rose wittert man Morgenluft: Man hofft, dass der EuGH im Herbst das Rx-Boni-Verbot kippt und der Versand mit rezeptpflichtigen Arzneimitteln an Fahrt aufnimmt. Zudem freut man sich darüber, dass Bundesgesundheitsminister Gröhe das elektronische Rezept forcieren will.

Die Schweizer Unternehmensgruppe Zur Rose strebt zu neuer Blüte – auch in Deutschland. Nachdem der Versandhändler mit der ebenfalls in der Schweiz ansässigen Corisol-Gruppe kürzlich einen neuen Großaktionär gefunden hat, stehen die Zeichen nun auf Expansion. „Erstens möchten wir die Marktführerschaft im Segment der rezeptpflichtigen Arzneimittel in Deutschland mit geeigneten Marketingaktivitäten weiter ausbauen. Zweitens beabsichtigen wir, das Wachstum der rezeptfreien Medikamente in Deutschland durch gezieltes Onlinemarketing zu beschleunigen“, erklärte der Vorstandsvorsitzende Walter Oberhänsli im Interview mit schweizeraktien.net. In diesem Geschäftsfeld findet laut Oberhänsli eine starke Marktdynamik statt.

Dank DocMorris größte Versandapotheke Europas

Schon in den vergangenen Jahren hatten die Schweizer ihre Aktivi­täten hierzulande verstärkt. Ende 2012 hatte Zur Rose von Celesio die Versandapotheke DocMoris übernommen und zur Finanzierung eine Unternehmensanleihe über 50 Millionen Franken begeben. Damit stieg die Gruppe nach eigenen Worten zur größten Onlineapotheke Europas auf.

Corisol wird sich nach Unternehmensangaben zunächst mit 13,3 Prozent am Aktienkapital von Zur Rose beteiligen und in einer ersten Tranche 20 Millionen Franken investieren. Nach Erreichung bestimmter Meilensteine werde Corisol weitere 18 bis 24 Millionen Franken zur Stärkung der Eigenkapitalbasis der Zur-Rose-Gruppe einzahlen. Der neue Investor wird dadurch zwar zum größten Einzelaktionär von Zur Rose, aber nicht die Mehrheit und damit die Kontrolle über die Gesellschaft übernehmen.Hinter Corisol steht die Schweizer Unternehmerfamilie Frey. Vanessa Frey, CEO und Verwaltungsratsmitglied der Corisol Holding AG, soll am 1. September neues Mitglied des Verwaltungsrates der Zur Rose Group AG werden.

Trotz des Wachstums der vergangenen Jahre scheint über der Zur-Rose-Gruppe nicht immer die Sonne. So ging der Umsatz 2015 gegenüber der Vorjahreszeit um 8,9 Prozent auf 834 Millionen Franken zurück. Der Betriebsgewinn (Ebitda) lag mit 15,8 Millionen Franken leicht unter dem Vorjahreswert. Im Geschäftsjahr 2013 hatte Zur Rose einen hohen Verlust gebucht, der unter anderem auf die DocMorris-Integration zurückzuführen war.

Darüber hinaus führt Zur Rose nach einer Einschätzung der Berner Kantonalbank seit Jahren in der Schweiz „einen Kampf“ gegen traditionelle Apotheken, die sich auf juristischem Weg gegen den Wettbewerber wehren. Laufend gebe es Klagen kantonaler Apothekerverbände, die im Versandhandel eine Verletzung des „Selbstdispensationsverbots“ – des Verbots des Medikamentenverkaufs durch Ärzte – oder in der Zusammenarbeit von Ärzten mit Zur Rose einen Verstoß gegen das heilmittelrechtliche Vorteilsverbot sehen.

Mit einer ähnlichen Situation müsse sich auch DocMorris in Deutschland auseinandersetzen. Nach einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes im Jahr 2012 müssen sich auch ausländische Apotheken an die deutschen Festpreise halten, wenn sie Rx-Arzneimittel nach Deutschland versenden. Kurz darauf schrieb der Gesetzgeber diese Preisbindung auch im Arzneimittelgesetz fest.

Zur-Rose-Chef Oberhänsli rechnet nun damit, dass der Europäische Gerichtshof im zweiten Halbjahr 2016 ein Urteil zum Rabattverbot sprechen wird. „Falls das Rabattverbot fällt, würde dies diesem Geschäftsfeld sicherlich starken Auftrieb geben. Bis 2012, das heißt vor der Festpreisverordnung, ist DocMorris rund zehn Prozent im Jahr gewachsen“, so Oberhänsli.

Mehr „Convenience“ – und Vorteile für die Versender

Aber auch an eine andere Entwicklung in Deutschland hat Oberhänsli offensichtlich große Erwartungen: Bundesgesundheitsminister Gröhe habe sich im April für eine schnelle Einführung des elektronischen Rezepts ausgesprochen, da es die Arzneimitteltherapiesicherheit erhöhe und für effizientere Arbeitsabläufe und Kostenersparnisse sorge. Oberhänsli glaubt, dass die Zeit in Deutschland jetzt reif sei - und setzt dazu: „Und wir sind bereit.“

Konkret verweist Oberhänsli darauf, dass das elektronische Rezept „neben der Erhöhung von Transparenz und Sicherheit auch erhebliche Convenience-Vorteile bietet“. Wichtig sei, die Schnittstelle zwischen Arzt und Apotheker im Sinne eines Medikations­managements zu schließen.

Darüber hinaus sieht die Berner Kantonalbank für Zur Rose weiteres Potenzial in der zunehmenden Anwendung innovativer Technologien bei der Medikamentenabgabe. Elektronische Geräte und neue Absatzkanäle würden die klassischen Kanäle ersetzen.

Zudem seien der Kostendruck im Gesundheitswesen und der demografische Wandel für die Gruppe Wachstumstreiber im Medikamenten-Versandgeschäft. Für Investoren bleibe die Zur-Rose-Aktie damit eine große Chance, um von den Trends „elektronischer Handel“, „Kostendruck im Gesundheitswesen“ und der „Überalterung der Gesellschaft in Europa“ profitieren zu können. |

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