Wirtschaft

Niedrigzins nagt an Rendite

Versorgungswerke auf der Suche nach attraktiven Anlagen

ts | Während die Versorgungswerke, deren Finanzierungs­system auf der Kapitalanlage ­basiert, lange Zeit von der günstigen Situation an der Börse und am Anleihemarkt profitieren konnten, leiden auch sie nun ­unter den Niedrigzinsen. Allerdings sind die Versorgungs­werke weniger belastet als beispielsweise Lebensversicherer und Pensionskassen, da ihre Pflichtmitglieder in der Regel nicht kündigen können und sie daher keine liquiden Mittel für Stornierungen vorhalten müssen. Dennoch stehen sie vor der Herausforderung, in schwierigen Zeiten ihr Kapital optimal anzulegen.
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Mischung und Streuung als Rezept gegen den Niedrigzins – die Anlagepolitik der Versorgungswerke ändert sich. Statt in festverzinsliche Wertpapiere investieren sie unter anderem in Immobilien, beispielsweise in Berlin.

Seit Jahren kennt der Leitzins in Europa nur eine Richtung – nach unten. Die jüngste Zinssenkung der Europäischen Zentralbank auf nunmehr null Prozent betrifft naturgemäß auch die berufsständischen Versorgungswerke. „Kapitalsammelstellen wie Versorgungswerke und Pensionskassen kämpfen zunehmend mit der Verpflichtung, einerseits die Rendite, die sie ihren Kunden zugesagt ­haben, zu erzielen, andererseits dabei aber nicht zu hohe Risiken einzugehen“, stellt die Deutsche Apotheker- und Ärztebank fest.

Dabei legt die Anlageverordnung fest, wie die Versorgungswerke das Geld anlegen dürfen. So muss z. B. das Versorgungswerk der Apothekerkammer Westfalen-Lippe auf „möglichst große Sicherheit und Rentabilität bei jederzeitiger Liquidität des Versorgungswerks unter Wahrung angemessener Mischung und Streuung“ achten, zur Absicherung von Kurs- und Zinsänderungsrisiken ist „der Einsatz von Termingeschäften, Optionen und ähnlichen Finanzinstrumenten gestattet“.

Das aktuelle Zinsniveau macht ­jedoch den Spagat zwischen Sicherheit und Rentabilität immer schwieriger. Laut der Apothekerversorgung Bayern (BApV) ist ­angesichts der Veränderungen am Kapitalmarkt das Risiko gestiegen, „dass die BApV ihre ­Verpflichtung einer ständigen 100-prozentigen Kapitaldeckung möglicherweise nicht erfüllen kann“.

Zwar haben viele Versorgungswerke aus den Überschüssen der vergangenen Jahre eine Zinsschwankungsreserve aufgebaut, die die Folgen der Niedrigzinsphase abfedern soll. Dennoch sind die Bremsspuren des Zinstiefs ­unübersehbar. So hat die Bayerische Apothekerversorgung den Rechnungszins von einst 4% über 3,25% auf nunmehr 2,5% gesenkt und das offene Deckungsplanverfahren für ab 1. Januar 2015 gezahlte Beiträge eingeführt. „Uns ist es daher im Geschäftsjahr 2015 wie auch in den Jahren zuvor gelungen, eine Nettorendite zu erwirtschaften, die über dem erforderlichen Mischrechnungszins aller Anwartschaftsverbände liegt,“ so die Sprecherin der Versorgungskammer Maike Kolbeck.

Das offene Deckungsplanverfahren ist eine Kombination aus ­Umlageverfahren und Kapital­deckungsverfahren. Für die Ansprüche der Mitglieder wird zwar ein Kapitalstock gebildet. Diese Ansprüche müssen beim Deckungsplanverfahren aber nicht voll finanziert sein, da in die Rechnungsgrundlagen weitere Elemente – wie zum Beispiel Beitragsaufkommen – einbezogen werden können. Darüber hinaus erwerben die Mitglieder Rentenpunkte, deren Wert erst bei Eintritt des Versorgungsfalls fest­gestellt wird.

Immobilien statt festverzinsliche Wertpapiere

Auch die Anlagepolitik der Versorgungswerke ändert sich. Während diese bisher einen Großteil des Geldes in festverzinsliche Wertpapiere investierten, suchen sie nun verstärkt nach Alternativen, die mehr Rendite bei ver­tretbarem Risiko bieten. Frank Bendas, Geschäftsführer der Sächsisch-Thüringischen Apothekerversorgung: „Aufgrund der Tatsache, dass mit neu zu erwerbenden festverzinslichen Wert­papieren der Rechnungszins momentan nicht mehr dargestellt werden kann, wird verstärkt im Rahmen der Möglichkeiten der Anlageverordnung auf alternative Anlagenklassen wie Immobilien, Aktien, Infrastrukturfinanzierung, Private Equity ausgewichen, die in der langfristigen retrospektiven Betrachtung im Durchschnitt höhere Renditen als die festverzinslichen Wertpapiere erwirtschafteten und auch die ­Inflationsrate deutlich übertreffen konnten.“

Die Nachteile von Kursschwankungen bei Aktien oder der geringeren Flexibilität bei Immobilien würden dabei durch die über Jahrzehnte planbaren Liquiditätsströme kompensiert. Aufgrund der Pflichtmitgliedschaft in den Versorgungswerken und demografischer Rechengrößen lassen sich nämlich sowohl der Zufluss von Beiträgen als auch der Umfang von Rentenleistungen zu­verlässig voraussagen.

Auch das Apothekerversorgungswerk Niedersachsen geht neue Wege. Nach Angaben von Lutz Willigmann, Vorsitzender des Verwaltungsausschusses, gehören heute Fonds, Alternative Investments und Immobilien zum Portfolio. In Berlin habe das Versorgungswerk beispielsweise 200 Wohnungen in zentraler Lage erworben, die künftig gute Erträge liefern sollen.

Keine ertragsmindernden ­Abschlusskosten

Immerhin, bislang haben die Versorgungswerke mit dem Geld der Versicherten meist solide gehaushaltet. So weist die Sächsisch-Thüringische Apothekerversorgung darauf hin, dass die Rendite in den vergangenen Jahren stabil oberhalb des effektiven Rechnungszinses gelegen habe. Die Apothekerkammer Westfalen-­Lippe stellt fest, dass das Kapitalanlageportfolio historisch gewachsen sei. Daher gebe es ältere Bestände mit einer „auskömmlichen Rendite“. Diese überkompensierten immer noch die niedriger verzinslichen Neuanlagen. Wolfgang Tabeling, kaufmännisch-technischer Geschäftsführer der Verwaltungsgesellschaft für Versorgungswerke, zu der auch die Apothekerversorgung Berlin gehört, arbeitet sogar weiterhin mit einem Rechnungszins von vier Prozent.

Zugute kommt den Versorgungswerken dabei, dass sie nach dem Handelsgesetzbuch bilanzieren, womit Wertschwankungen von Aktien nicht sofort in die Gewinn- und Verlustrechnung eingehen. Außerdem gibt es durch die Pflichtmitgliedschaft keine Abschlusskosten, die die Erträge mindern.

Doch mit Anlagen in andere ­Assetklassen wächst auch das Risiko, wie das Apothekerver­sorgungswerk Niedersachsen feststellt. Deshalb entwickle die Institution das eigene Risikomanagement weiter. Dazu gehöre auch die Zusammenarbeit mit ­externen Beratern. Zudem investiere man erheblich in die Reserven, statt Leistungen zu dynamisieren. Damit sei man in guter Gesellschaft anderer Versorgungswerke. Denn allen müsse klar sein, dass die Niedrigzinsphase noch lange dauern könne.

Eben das dürfte die Lage der Versorgungswerke und damit der Apotheker weiter verschärfen. Maike Kolbeck von der Bayerischen Versorgungskammer: „Dann wird es auf lange Sicht ­immer schwieriger, eine aus­reichende Nettoverzinsung zu ­erreichen.“ |

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