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Aus den Ländern
Neue Resistenzen und neue Erreger
Fortbildungsseminar in Hamburg über Infektionskrankheiten
Angesichts der jüngsten Meldungen über multiresistente Keime in Krankenhäusern in Kiel und Hamburg machte Dr. Albrecht Sakmann, Vorsitzender der DPhG-Landesgruppe Hamburg, die Aktualität des Themas deutlich. Prof. Dr. Elke Oetjen, Hamburg, die als Moderatorin durch das Seminar führte, hob zwei Hauptprobleme der Infektionen hervor: Einerseits gibt es immer wieder neue Erreger, und andererseits werden bekannte Infektionen schlechter behandelbar, insbesondere durch Resistenzen gegenüber Antibiotika.
Keime identifizieren – aber schnell!
Prof. Dr. Martin Aepfelbacher, Hamburg, betonte, dass Ausbrüche multiresistenter Erreger in Krankenhäusern alltäglich sind. Besonders relevant seien Resistenzen gramnegativer Keime gegen Cephalosporine der dritten Generation und Resistenzen gegen Carbapeneme. Als besonders problematische Erreger seien in den USA zuletzt Clostridium difficile, Enterobakterien mit Resistenz gegen Carbapeneme und resistente Stämme von Neisseria gonorrhoeae eingestuft worden.
Da Infektionen dynamisch sind, muss auch die Diagnostik dynamisch sein, um den Antibiotikaeinsatz optimieren zu können. Idealerweise sollte ein Erreger in weniger als 20 Stunden nachgewiesen werden. Da Blutproben jedoch oft nur sehr wenige Keime enthalten, vergehen oft ein bis drei Tage, bis wachsende Keime zu finden sind, und weitere ein bis drei Tage für deren Identifikation. Dagegen kann mit der massenspektrometrischen Analyse des Proteinmusters schon in etwa einer halben Stunde die Bakterienspezies ermittelt werden. In Verbindung mit der typischen Resistenzlage des jeweiligen Krankenhauses kann dann ein passendes Antibiotikum ausgewählt werden.
Weiterhin berichtete Aepfelbacher über ein Verfahren zur Diagnostik bei vermuteten Ausbrüchen von bakteriellen oder viralen Infektionen, das am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf entwickelt wurde. Dabei wird das genetische Material sequenziert und das nach Abzug der bekannten normalen Keimbesiedlung verbleibende Material mit Gendatenbanken abgeglichen und unter den Erkrankten verglichen. Wenn mehrere Patienten dieselben unbekannten Daten liefern, könnten sogar bisher unbekannte Erreger gefunden werden.
Immer wieder neue Infektionen
Neue Infektionen waren das Thema von Prof. Dr. Emil C. Reisinger, Rostock. Er machte deutlich, dass viele heute wichtige Infektionen erst in den zurückliegenden 30 Jahren entdeckt wurden, beispielsweise HIV, Ebola, Lassa, Lyme-Borreliose und einige Hepatitiden. Ursachen könnten bessere Diagnostik, Massentierhaltung, Überbevölkerung, menschliche Transportmittel und Klimaveränderungen sein. Außerdem führe die große genetische Variation bei RNA-Viren schnell zu pathogenen Eigenschaften.
Bei der Influenza A hat die seit 2008 dominierende „Schweinegrippe“ H1N1 andere Stämme verdrängt und so die Letalität massiv gesenkt. Doch nun setze sich die gefährlichere H3N2 durch. Die Impfung schütze nur zu etwa 40 bis 50 Prozent gegen den neuen Stamm, biete aber normalerweise zu 75 Prozent und bei jährlicher Impfung gegen ähnliche Stämme sogar bis zu 100 Prozent Schutz. Daher riet Reisinger eindringlich zur Impfung. Gegen das seit 2001 vermehrt auftretende Norovirus erwartet er in zwei bis drei Jahren eine Impfung. Große Aufmerksamkeit sei gegenüber den hämorrhagischen Fiebern angebracht. In Europa sei besonders das Vordringen des Krim-Kongo-Virus zu fürchten, das in Südosteuropa bereits vorkommt. Zu Ebola meinte Reisinger: „Der nächste Ausbruch kommt bestimmt.“ Doch bis zum Jahresende bestehe Aussicht auf eine Impfung.
Auch hierzulande gibt es gefährliche, kaum bekannte Infektionskrankheiten. An den Stränden von Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein erleiden jährlich etwa ein bis fünf Personen eine Infektion mit Vibrio vulnificans, das im Salzwasser vorkommt. Dabei entsteht zunächst ein hämorrhagisches Erysipel. Die Infektion kann sich so stark ausbreiten, dass Gliedmaßen amputiert werden müssen oder der Patient stirbt. Dagegen helfen frühzeitige Antibiose und gute Wundversorgung.
Resistenzen mit langer Geschichte
Prof. Dr. Peter Heisig, Hamburg, erinnerte daran, dass Bakterien in Jahrmilliarden Resistenzmechanismen gegen Antibiotika entwickelt haben, weil diese oft Naturstoffe sind und auch zu synthetischen Antibiotika meist verwandte Naturstoffe existieren, beispielsweise auch zu Fluorchinolonen. Schon unterhalb der Hemmkonzentration können Antibiotika genetische Veränderungen induzieren. Die resistenten Keime vermehren sich oft langsamer oder sind weniger pathogen, aber durch weitere Mutationen kann auch dies kompensiert werden.
Große praktische Bedeutung haben die im Krankenhaus erworbenen, typischerweise multiresistenten Methicillin-resistenten Stämme von Staphylococcus aureus (MRSA), die stärker virulenten, meist aber nur gegen Beta-Lactamasen resistenten, ambulant erworbenen MRSA und neuerdings die „lifestock-associated“ MRSA, die typischerweise von Nutztieren auf landwirtschaftliches Personal übertragen werden. In Krankenhäusern sind zudem gramnegative Keime mit mehrfachen Resistenzen (multi drug resistance, MDR) problematisch. Wenn diese gegen Penicilline, Cephalosporine, Fluorchinolone und Carbapeneme unempfindlich sind, werden sie als vierfach resistente gramnegative (4MRGN) Erreger bezeichnet.
Mögliche Auswege
Prof. Dr. Bernd Wiedemann, Schaalby, beklagte die ungünstigen Voraussetzungen für die Entwicklung neuer Antibiotika. Neue Substanzen werden stets als Reserven genutzt und können daher nur geringe Umsätze erzielen. Die seit 2000 neu zugelassenen Antibiotika sind meist nur für enge Indikationsbereiche zugelassen worden. Unter ihnen sind nur wenige neue Substanzklassen und kein Durchbruch. Neue Optionen verspricht sich Wiedemann eher von ganz anderen Forschungen, insbesondere an Bakteriophagen, die hochspezifisch bestimmte Bakterienstämme töten. Die Phagen selbst können nicht verabreicht werden, aber die letztlich wirksamen Lysine und die davon abgeleiteten Artilysine, die die bakteriellen Oberflächenstrukturen angreifen, seien Arzneistoffkandidaten. Die hochspezifische Wirksamkeit erschwere zwar die Entwicklung, vermeide aber viele Nebenwirkungen und mache das Konzept damit aussichtsreich, so Wiedemann. |
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