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Allergien
Kaum fliegen sie wieder …
… läuft den Pollenallergikern die Nase – warum?
Was man landläufig unter Allergie versteht, wird zu den Überempfindlichkeitsreaktionen oder Hypersensitivitätsreaktionen gezählt. Letztlich bedeutet das, dass der adaptive, sehr spezifische Strukturen erkennende Teil unseres Immunsystems – die B‑Zellen mit ihren Antikörpern sowie die T‑Zellen mit ihren spezifischen Rezeptoren – plötzlich auf eigentlich völlig harmlose Strukturen reagiert. Dies sind die bekannten Allergene.
Die Mechanismen, die diesen Reaktionen zugrunde liegen, sind durchaus unterschiedlich. Und so versuchten im Jahr 1963 die beiden britischen Immunologen Robert Royston Amos Coombs und Philip George Houthem Gell, die unterschiedlichen Reaktionen, die diese teils lästigen, teils aber auch durchaus gefährlichen Überempfindlichkeitsphänomene prägen, systematisch zu ordnen. Heraus kam ein System von vier verschiedenen Reaktionstypen: Während die Reaktionstypen I bis III durch Antikörper vermittelt werden, sind beim Typ IV T‑Zellen beteiligt (Abb. 1). Bis heute wird diese Einteilung genutzt, obwohl einige Hypersensitivitätsreaktionen durchaus auch Merkmale verschiedener Typen aufweisen können.
Erstkontakt: Allergene durchdringen die Haut oder Schleimhaut
Am häufigsten leiden die Menschen in Deutschland unter einem Heuschnupfen, einer klassischen Typ-I-Reaktion. Auslöser sind Allergene, die das Immunsystem sensibilisieren, sodass eine Typ-IV-Reaktion folgen kann.
Der erste Kontakt kommt typischerweise an Epithelzellen, wie z. B. in der Nasenschleimhaut, zustande (Abb. 2). Eigentlich sind ja gerade Epithelzellen dazu da, als erste mechanische Barriere und Bestandteil des angeborenen Immunsystems irgendwelche Eindringlinge abzuwehren. Dafür sind spezielle, sehr enge und abdichtende Proteinverbindungen zwischen den Zellen ausgebildet. Bei der Sensibilisierung werden diese engen Verbindungen zwischen den Epithelzellen aufgeweicht. Als Gründe dafür werden einerseits die Luftverschmutzung, aber auch Virusinfektionen und Proteasen des Allergens selbst diskutiert. In der Folge werden die Epithelzellen aktiviert und sezernieren daraufhin Zytokine wie die Interleukine IL‑25 und IL‑33 sowie TSLP (thymic stromal lymphopoietin). In der Schleimhaut sind weitere Immunzellen anzutreffen, die als angeborene lymphoide Zellen der Gruppe 2 (ILC2, innate lymphoid cells) bezeichnet werden. Auf das Signal mit den Zytokinen IL‑25 und IL‑33 sezernieren die ILC2 ihrerseits IL‑5 und IL‑13. Daraufhin werden eosinophile Granulozyten, Makrophagen und auch B‑Zellen angelockt und verstärken die Immunantwort.
Sensibilisierung: Das Immunsystem bildet Antikörper und Gedächtniszellen
Durch die gelockerten Zellverbindungen dringen Allergene in das subepitheliale Gewebe ein, wo antigenpräsentierende Zellen (APC; meist dendritische Zellen), die im Körper patrouillieren, das Allergen aufnehmen, es intrazellulär prozessieren und Teile davon über den Hauptkompatibilitätskomplex II (MHC-II) naiven T‑Zellen mit einem passenden Rezeptor präsentieren. Der vorherrschende Cocktail an Botenstoffen veranlasst letztlich diese naiven T‑Zellen, zu TH2-Zellen zu differenzieren, während er die Entwicklung von TH1-Zellen unterdrückt (TH = T‑Helferzellen). Wegen der Beteiligung der TH2-Zellen kann man allergische Erkrankungen zu den Typ-IV-Reaktionen zählen (Abb. 1).
TH2-Zellen fällt eine Schlüsselrolle im Allergiegeschehen zu. Sie sezernieren IL‑4 und IL‑13 und unterstützen B‑Zellen mit einem passenden Allergen-spezifischen B‑Zell-Rezeptor, bestimmte Antikörper zu produzieren: Immunglobuline vom Subtyp E, kurz IgE. Daraufhin folgt das, was man von einer spezifischen Immunantwort erwartet: Es entstehen hoch-affine, optimierte Antikörper. Richtet sich die Reaktion spezifisch gegen einen pathogenen Eindringling, ist dieser Ablauf genau das, was man sich wünscht: Der Eindringling wird eliminiert, und für den Fall eines erneuten Kontakts werden Gedächtniszellen der spezifischen T‑Helfer- und B‑Zellen zur schnellen Reaktion angelegt. Wird die Reaktion hingegen durch ein an sich harmloses Allergen ausgelöst, ist dies alles nur lästig.
Allergische Reaktion: Die Mastzelle setzt Entzündungsmediatoren frei
Eine Sensibilisierung kann, muss aber nicht zu einer allergischen Reaktion führen. Beispielsweise wurde im Bundes-Gesundheitssurvey 1998 festgestellt, dass 30 Prozent der Teilnehmer gegen Inhalationsallergene sensibilisiert waren, aber nur 13 Prozent wirklich unter Heuschnupfen litten. Die bei Typ-I-Allergien involvierten IgE-Antikörper sind normalerweise für die Abwehr von Parasiten verantwortlich. Viele dieser Parasiten dringen über Haut und Schleimhaut in den Körper ein, indem sie proteolytische Enzyme ausscheiden, um den festen Zellverband dieser Barriere zu durchdringen. Auf ähnlichem Weg gelangen auch Allergene in den Körper, weshalb leicht nachvollziehbar ist, dass auch hier die Bildung von IgE-Antikörpern induziert wird.
IgE-Moleküle unterscheiden sich von den meisten anderen Antikörper-Isotypen in unserem Körper dadurch, dass sie zum größten Teil an Zellen gebunden sind, ohne zuvor an ein Antigen gebunden zu haben. Ein wesentlicher Zelltyp, an den IgE-Antikörper binden, sind Mastzellen, die bevorzugt in Schleimhäuten, Epithelien und subendothelialem Bindegewebe in der Nähe kleiner Blutgefäße anzutreffen sind.
Kommt es nach der Sensibilisierungsphase zu einem erneuten Kontakt mit dem Allergen, kann das Immunsystem sofort reagieren. Wenn zwei IgE-Moleküle gleichzeitig an dasselbe Allergen und an ihre Rezeptoren (FcεRI) auf einer Mastzelle binden (dies bezeichnet man auch als „bridging“), wird die Mastzelle aktiviert, entleert ihre Granula und setzt dadurch z. B. Histamin, Heparin sowie Enzyme wie Tryptase und Cathepsin G frei (Abb. 2). Im Zuge der Aktivierung bildet die Mastzelle außerdem Zytokine wie IL‑3, IL‑4, IL‑5, IL‑13, GM-CSF und TNF-α. Chemokine wie CCL3 (MIP-1α) und Lipidmediatoren wie die Prostaglandine D2 und E2, die Leukotriene B4 und C4 sowie der Plättchen-aktivierende Faktor PAF werden neu synthetisiert und ebenfalls sezerniert. Als Folge davon kommt es neben einer umfassenden Entzündungsreaktion zur Kontraktion der glatten Muskulatur, zu einer erhöhten Gefäßdurchlässigkeit und Schleimproduktion – typische Symptombilder z. B. der allergischen Rhinitis (Heuschnupfen) oder des Asthmas. Werden Mastzellen in der Schleimhaut des Verdauungstraktes durch Nahrungsmittelallergene über entsprechende Mechanismen aktiviert, kann es zu Durchfall und Erbrechen – den typischen Symptomen einer Nahrungsmittelallergie – kommen. Im Extremfall kann ein Allergenkontakt Mastzellen im ganzen Körper aktivieren und dadurch einen lebensbedrohlichen anaphylaktischen Schock auslösen.
Über IL‑4 und IL‑13 wird der ganze Prozess der TH2-Zell-Aktivierung und IgE-Produktion weiter aufrechterhalten. Außerdem mobilisieren IL‑3 und IL‑5 eosinophile und basophile Granulozyten, die im weiteren Verlauf der allergischen Reaktion über die Ausschüttung z. B. von Enzymen und toxischen Proteinen zu Gewebeschädigungen führen.
Allergene und Kreuzallergien
Schuld an der allergischen Rhinitis oder Rhinokonjunktivitis sind z. B. Aln g 1, Bet v 1, Cor a 1 oder Que a 1 und ähnliche Übeltäter. Hinter diesen Kürzeln verbergen sich die Hauptallergene der Pollen von Erle (Alnus glutinosa), Birke (Betula verrucosa), Haselnuss (Corylus avellana) und Eiche (Quercus alba). Sie gehören – neben Schimmelpilzsporen, Milbenkot und Tierepithelien – zu den Inhalationsallergenen, die mit der Atemluft an die Schleimhaut des Nasen-Rachen-Raums und z. T. bis in die Lunge gelangen.
Gemeinsam ist diesen Allergenen, dass es sich um relativ kleine Proteine handelt, die häufig eine enzymatische Aktivität aufweisen. Sie sind im Verhältnis zu anderen Proteinen sehr stabil und können längere Zeit auf trockenen Partikeln wie Milbenkot oder Pollenkörner ausharren, lassen sich dann an der Schleimhaut aber gut vom Trägerpartikel ablösen und gelangen schließlich in relativ geringer Konzentration in den Mucus. Ein weiteres Charakteristikum ist, dass sie kurze Peptidabschnitte enthalten, die gut über MHC-II präsentiert werden und somit T‑Helferzellen stimulieren können. Die Effizienz dieser Präsentation ist allerdings von einer speziellen MHC-II-Ausstattung der betroffenen Personen abhängig, was deutlich macht, dass Allergien – oder allgemein atopische Erkrankungen – auch eine wichtige genetische Komponente aufweisen.
Etliche der Inhalationsallergene weisen so große Ähnlichkeiten mit Allergenen in Nahrungsmitteln auf, dass das Immunsystem sie nicht unterscheiden kann. Das ist die Ursache, weshalb einige Atopiker Kreuzreaktionen zeigen und nach einer Sensibilisierung gegen Birken- oder Haselpollen irgendwann auch auf Kirschen oder Kiwis allergisch reagieren (Tab. 1).
Inhalationsallergen | Allergenes Nahrungsmittel |
---|---|
Birken-, Erlen-, Haselpollen | Apfel, Aprikose, Birne, Haselnuss, Kirsche, Kiwi, Mandel, Pfirsich, Walnuss |
Beifußpollen | Anis, Dill, Fenchel, Kamille, Koriander, Kümmel, Sellerie, Sonnenblumenkerne |
Ambrosiapollen | Banane, Melone |
Gräserpollen | Getreide, Melone, Tomate |
Hausstaubmilbenkot | Krustentiere |
Latex | Avocado, Banane, Esskastanie, Feige, Kartoffel, Kiwi, Spinat, Tomate |
Vogelfedern | Hühnerei |
Bienengift | Honig |
Vorbeugung gegen Allergien
Idealerweise sollte es gar nicht zur Ausbildung einer Allergie kommen. Dies ist jedoch einfacher gesagt als getan. Dennoch haben sich Fachgesellschaften mit dieser Frage beschäftigt und systematisch nach wissenschaftlichen Daten gesucht, die die Möglichkeit einer Prävention nahelegen. Das Ergebnis dieser Recherche ist eine S3-Leitlinie „Allergieprävention“ der Deutschen Gesellschaft für Allergologie und klinische Immunologie (DGAKI) und der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ), die im letzten Jahr aktualisiert wurde:
www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/061-016l_S3_Allergieprävention_2014-07.pdf
Die teils sehr interessanten Ergebnisse werden im Beitrag „Gewöhnen statt abschirmen“ auf Seite 48 erörtert und sind im Folgenden kurz zusammengefasst (in Klammern der Bewertungsgrad: A = starke Empfehlung; B = Empfehlung):
Stillen: Die aktuelle Datenlage unterstützt die Empfehlung, dass für den Zeitraum der ersten vier Monate voll gestillt werden soll. (A)
Mütterliche Ernährung in der Schwangerschaft und/oder Stillzeit: Während Schwangerschaft und Stillzeit wird eine ausgewogene und nährstoffdeckende Ernährung empfohlen.
Diätetische Restriktionen (Meidung potenter Nahrungsmittelallergene) während der Schwangerschaft oder Stillzeit sollen aus Gründen der Primärprävention nicht erfolgen. (A)
Es gibt Hinweise, dass Fisch in der mütterlichen Ernährung während der Schwangerschaft und/oder Stillzeit einen protektiven Effekt auf die Entwicklung atopischer Erkrankungen beim Kind hat. Fisch sollte Bestandteil der mütterlichen Ernährung während der Schwangerschaft und Stillzeit sein. (B)
Muttermilchersatznahrung bei Risikokindern: Wenn nicht oder nicht ausreichend gestillt wird, soll hydrolysierte Säuglingsnahrung bei Risikokindern gegeben werden. Die aktuelle Datenlage stützt diese Empfehlung für den Zeitraum der ersten vier Lebensmonate. (A)
Soja-basierte Säuglingsnahrungen sind zum Zwecke der Allergieprävention nicht zu empfehlen. (A)
Einführung von Beikost und Ernährung des Kindes im 1. Lebensjahr: Die derzeit in Deutschland existierende Empfehlung, Beikost nach dem vollendeten 4. Lebensmonat einzuführen, ist aus Gründen eines steigenden Nährstoffbedarfs sinnvoll.
Eine Verzögerung der Beikosteinführung soll aus Gründen der Allergieprävention nicht erfolgen. (A)
Für einen präventiven Effekt einer diätetischen Restriktion durch Meidung potenter Nahrungsmittelallergene im ersten Lebensjahr gibt es keine Belege. Sie sollte deshalb nicht erfolgen. (B)
Für einen präventiven Effekt durch die Einführung potenter Nahrungsmittelallergene vor dem vollendeten 4. Lebensmonat gibt es derzeit keine gesicherten Belege.
Es gibt Hinweise darauf, dass Fischkonsum des Kindes im 1. Lebensjahr einen protektiven Effekt auf die Entwicklung atopischer Erkrankungen hat. Fisch sollte mit der Beikost eingeführt werden. (B)
Körpergewicht: Es gibt Belege, dass ein erhöhter Body Mass Index (BMI) mit Asthma positiv assoziiert ist.
Bei Kindern soll Übergewicht/Fettleibigkeit auch aus Gründen der Asthmaprävention vermieden werden. (A)
Haustierhaltung: Personen ohne erhöhtes Allergierisiko sollten die Haustierhaltung nicht einschränken.
Bei Risikokindern gilt: Familien mit erhöhtem Allergierisiko sollten keine Katzen anschaffen.
Hundehaltung ist nicht mit einem höheren Allergierisiko verbunden. (B)
Hausstaubmilben: Zur Primärprävention können spezifische Maßnahmen, z. B. milbenallergendichter Matratzenüberzug (encasing) zur Reduktion der Exposition gegenüber Hausstaubmilbenallergenen, nicht empfohlen werden. (B)
Schimmel und Feuchtigkeit: Ein Innenraumklima, das Schimmelpilzwachstum begünstigt (hohe Luftfeuchtigkeit, mangelnde Ventilation), sollte vermieden werden. (B)
Exposition gegenüber Tabakrauch: Aktive und passive Exposition gegenüber Tabakrauch erhöhen das Allergierisiko (insbesondere das Asthmarisiko) und sind zu vermeiden. Dies gilt bereits während der Schwangerschaft. (A)
Innenraumluftschadstoffe: Es gibt Hinweise darauf, dass Innenraumluftschadstoffe das Risiko für atopische Erkrankungen und insbesondere Asthma erhöhen können (z. B. Formaldehyd, flüchtige organische Komponenten, wie sie besonders durch neue Möbel und bei Maler- und Renovierungsarbeiten freigesetzt werden können). Die Exposition gegenüber Innenraumluftschadstoffen sollte gering gehalten werden. (B)
Kfz-Emission: Die Exposition gegenüber Stickoxiden und kleinen Partikeln (PM2,5) ist mit einem erhöhten Risiko, besonders für Asthma, verbunden. Die Exposition gegenüber Kraftfahrzeug-bedingten Emissionen sollte gering gehalten werden. (B)
Impfungen: Es gibt keine Belege, dass Impfungen das Allergierisiko erhöhen, aber Hinweise, dass Impfungen das Allergierisiko senken können.
Es wird empfohlen, dass alle Kinder, auch Risikokinder, nach den STIKO-Empfehlungen geimpft werden sollen. (A)
Kaiserschnitt: Es gibt Hinweise darauf, dass Kinder die durch Kaiserschnitt auf die Welt kommen, ein erhöhtes Allergierisiko haben. Dies sollte bei der Wahl des Geburtsverfahrens berücksichtigt werden, sofern keine medizinische Indikation für einen Kaiserschnitt besteht. (B)
Zu den folgenden Themen wurden in der Leitlinie Stellungnahmen, jedoch keine Empfehlungen verabschiedet.
In Klammern steht der Evidenzgrad:
1a: systematischer Review von kontrollierten klin. Studien
1b: kontrollierte klinische Studien
2a: systematischer Review von Kohortenstudien
2b: einzelne Kohortenstudien; klin. Studien geringer Qualität
3a: systematischer Review von Fall-Kontroll-Studien
3b: einzelne Fall-Kontroll-Studien
Einfluss von Probiotika: Ein präventiver Effekt von Probiotika konnte bislang nur für das atopische Ekzem dargestellt werden. Eine Empfehlung hinsichtlich konkreter Präparate, Applikationsformen sowie Dauer und Zeitpunkt der Gabe kann aufgrund der Heterogenität der Bakterienstämme und der Studiendesigns nicht gegeben werden. (1a – 2b)
Einfluss von Präbiotika: Ein präventiver Effekt von Präbiotika konnte bislang nur für das atopische Ekzem dargestellt werden. Eine Empfehlung kann aufgrund der geringen Anzahl und der Heterogenität der Studien nicht gegeben werden. (1b – 2b )
Ernährung allgemein und Vitamin D: Es gibt Hinweise, dass der Konsum von Gemüse und Früchten, einer sog. mediterranen Kost, von Ω3-Fettsäuren (bzw. ein günstiges Ω3 : Ω6-Verhältnis) sowie von Milchfett einen präventiven Effekt auf atopische Erkrankungen hat.
Bezüglich der Bedeutung von Vitamin D für die Entstehung allergischer Erkrankungen ist die Studienlage derzeit widersprüchlich. Insgesamt ist die Datenlage derzeit nicht ausreichend, um eine Empfehlung zu formulieren. (1b – 3b )
Unspezifische Immunmodulation: Es gibt Belege, dass eine frühzeitige unspezifische Immunstimulation vor der Entwicklung allergischer Erkrankungen schützt. Hierzu zählen z. B. das Aufwachsen auf einem Bauernhof, der Besuch einer Kindertagesstätte in den ersten beiden Lebensjahren und eine höhere Anzahl älterer Geschwister. (2b – 3b)
Medikamente: Die beschriebenen Zusammenhänge zwischen der Einnahme von Antibiotika oder Paracetamol (= Acetaminophen) und atopischen Erkrankungen sind aufgrund potenziell verzerrender Einflussfaktoren nicht sicher zu interpretieren. Bislang fehlt der Nachweis eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen entsprechender Medikamenteneinnahme und der Entwicklung von atopischen Erkrankungen. (2a – 3b)
Psychosoziale Faktoren: Es gibt Hinweise, dass ungünstige psychosoziale Faktoren (z. B. schwerwiegende Lebensereignisse) während der Schwangerschaft und Kindheit zur Manifestation von atopischen Erkrankungen beitragen können. (2b)
Gesamtbetrachtung
Mehr als 30 Prozent der Deutschen leiden unter mindestens einer Allergie, wobei signifikant mehr Frauen als Männer betroffen sind. Interessanterweise betrifft die Allergie vor allem Bewohner der alten Bundesländer in einem großstädtischen Wohnumfeld mit hohem sozioökonomischem Status. Als Erklärung dafür wird vermutet, dass bei besserer Hygiene weniger infektiöse Reize auf das Immunsystem – vor allem im Kindesalter – einwirken und damit weniger TH1- und mehr TH2-Zellen gebildet werden. Somit kommt dem Ungleichgewicht von TH1- und TH2-Zellen eine wichtige Rolle bei der Allergieentstehung zu.
Ob die Allergieprävalenz weiter steigen wird oder inzwischen das Plateau erreicht hat, wird kontrovers diskutiert. Sicher ist jedoch, dass Allergien durchaus eine Belastung für die Volkswirtschaft darstellen. Allein bezüglich der allergischen Rhinokonjunktivitis wird die volkswirtschaftliche Belastung in Europa auf etwa 3 Milliarden Euro jährlich geschätzt, wobei eventuelle Ko-Erkrankungen wie allergisches Asthma, atopisches Ekzem, Neurodermitis oder Sinusitis noch gar nicht mit eingerechnet sind. |
Autoren
Prof. Dr. Theo Dingermannist Seniorprofessor am Institut für Pharmazeutische Biologie an der Goethe-Universität Frankfurt.
Dr. Ilse Zündorf ist dort als akademische Oberrätin tätig.
Institut für Pharmazeutische Biologie
Biozentrum
Max-von-Laue-Straße 9
60438 Frankfurt/Main
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