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- DAZ 6/2015
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Geld!! Geld! Geld?
Nachdenkliches über die Forderung nach mehr Geld – statt nach mehr Zeit
Über einen warmen Geldregen freut sich jeder. Kaum jemand würde Nein dazu sagen, beispielsweise das Packungshonorar um 1 Euro aufzustocken, die Rezepturhonorare zu verdoppeln oder einer Rezepturverordnung zumindest das Abgabehonorar zusätzlich zum „Arbeitspreis“ (nomen est omen ...) zu gewähren.
Es sind simple Rechenexempel, was dies alles kosten und im Gegenzug den Apotheken in ihrer Gesamtheit einbringen würde – die jeweiligen Packungszahlen und Packungswerte geben Aufschluss. So würde 1 Euro mehr Festhonorar die gesetzlichen Kassen und Privatversicherten zusammen knapp 900 Millionen Euro einschließlich der von ihnen zu bezahlenden Mehrwertsteuer pro Jahr kosten. Das heutige Packungshonorar zusätzlich zum Arbeitspreis für die „klassischen“ Rezepturen (ohne Spezialrezepturen und Methadon) läge bei etwa 90 bis 100 Millionen Euro. Jeder Euro netto mehr für eine Betäubungsmittelverordnung dürfte um 15 Millionen Euro kosten. Je nach Sichtweise ist das viel oder auch ziemlich wenig. Wenn allein eine Hepatitis-C-Therapie mit den jetzt reihenweise auf den Markt strebenden neuen Arzneistoffen in den Milliardenbereich hineinzuwachsen droht, erscheint es als wenig. Blickt man auf das Gezerre um AMNOG, die letzte Honorarerhöhung oder den Notdienstfonds zurück, ist es viel.
Doch eine andere Frage wird fast nie gestellt: Was brächte dieser „warme Regen“ überhaupt? Wie würde sich dieses Plus verteilen, wer würde wie profitieren? Immerhin stecken bereits heute rund 12 Milliarden Euro Rohertrag (nicht Umsatz!) im deutschen Apothekensystem – nicht wenig! Das haben die gefürchteten Drogeriemärkte in etwa an Umsatz ...
Die Lust bleibt auf der Strecke – trotz (teilweise) guter Gewinne
Dazu ist es erforderlich, sich an die Ursachen der jetzigen Berufskrise heranzutasten. Es ist sicher nicht übertrieben, von einer solchen regelrechten Berufskrise zu sprechen. Das „Perspektivpapier“ ist hier erst einmal Symptomlinderung mit vielleicht einer Heilungsaussicht auf lange Sicht. Einst-weilen finden wir aber eine Menge Frust, Enttäuschung und Überlastungserscheinungen im Markt und in der öffentlichen Wahrnehmung. Andererseits haben wir eine nicht allzu kleine Gruppe von gutsituierten Kolleginnen und Kollegen, die schweigen und lieber sehr ordentlich verdienen. Das gehört ebenfalls zur Wahrheit dazu. Gleichwohl bleibt die Arbeitsfreude selbst bei vielen sehr erfolgreichen Kollegen zunehmend auf der Strecke, trotz guter Gewinne. Sie können sich indes noch damit trösten, viel vom täglichen Kleinkram schlicht wegdelegieren zu können. Ihre wirtschaftliche Basis erlaubt eine etwas großzügigere Personaldecke.
Alles in allem haben wir vorderhand eben keine Apotheken-Finanzkrise, selbst wenn die wirtschaftliche Basis für viele kleinere Apotheken zunehmend arg eng wird. Die Probleme der Kleineren haben viele Ursachen, die wesentlichen sind Marktanteilsverluste zugunsten starker, oftmals filialisierter Mitbewerber, verbunden mit steigenden Auflagen und Kosten, die für ertragsschwächere Betriebe immer schwerer zu schultern sind.
Was bringt „die Gießkanne“?
Was brächte es bei dieser Sachlage, mehr Geld „mit der Gießkanne“ ins System zu geben – pauschale Honorarerhöhungen wären nämlich genau das?
Nun, wie bei der Raubtierfütterung im Zoo schnappen sich die Alphatiere kraft ihrer Position und Rangstellung die größten Brocken. Pauschale Anpassungen wirken bei näherer Betrachtung viel zu wenig zielgenau. Mit mehr Geld bauen starke Betriebe ihre Vormachtstellung noch mehr aus. Wegen etwas mehr Honorar wird auch die abgelegene Landapotheke für Nachfolger nicht wesentlich attraktiver, so wie mehr Geld auch die Ärzte kaum mehr aufs Land zieht.
Möchte man eine lokale Versorgungslage verbessern, braucht es andere Anreizmechanismen. Möchte man diverse Qualitätsparameter steigern, braucht es ebenfalls zielgerichtete Ansätze und nicht die „Gießkanne“. Vollends grotesk wird das System, wenn man die nach wie vor sehr große Rolle der Rabatte betrachtet – ein hoher Anteil der Apotheken lebt überwiegend davon, doch wer bekommt welche Rabatte auf wessen Kosten?
Reden wir nicht lange drum herum: Die heutige Honorarsystematik ist an ihre Grenzen gelangt, eine Generalrevision liegt nahe. Doch das Austarieren von beispielsweise einer logistischen Grundvergütung und diversen Leistungskomponenten verlangt schon nach einer sehr klugen Vorgehens-weise unter exakter Kenntnis der Zahlen und Zusammenhänge. Vielleicht käme ein solches System sogar ohne Rabatte aus und würde so die heilberufliche Glaubwürdigkeit erheblich steigern. Doch so eine Zäsur bricht man nicht einfach über das Knie.
Damit bleibt einstweilen die eher auf kürzere Sicht zu meisternde Herausforderung, den vielfach wenig erbaulichen Alltag aufzuhellen. Quer durch die Apotheke zieht sich heute das Thema Motivations- und Sinnkrise sowie Überforderung durch Bürokratie-Irrsinn. Und so sind die heutigen Vergütungen für viele Kollegen auch eher zu einer Art Schmerzensgeld mutiert. Kurzum: Die Menschen haben die Schikanen und Quälereien satt, zumal noch vielfach für Centbeträge oder überhaupt nicht ersichtlichen Nutzen. Es regieren Fehlervermeidungskultur und Angst statt einer kreativen Gestaltungskultur.
Auf einen Blick
Mehr Honorar ist sicher wünschenswert - falls es zielgerichtet dort ankommt, wo es benötigt wird, und idealerweise auch für die Patienten einen Mehrwert schafft. 50 Cent mehr bekommen, aber für einen Euro mehr Arbeit haben: Das kann es nicht sein!
Zeit ist eine kostbare Ressource! Sie wird in der Apotheke viel zu sehr für fach- und praxisferne sowie nicht einmal dem Kundennutzen dienende Tätigkeiten förmlich verschwendet - von außen aufoktroyiert. Mehr Zeit, mehr Arbeitsfreude, damit mehr Konzentration auf die wirklichen Essentials der Pharmazie sind bares Geld wert - für alle! Radikales „Entrümpeln“, Entschlacken und Vereinfachen des Alltags sind also eine echte Alternative zu mehr Geld, wenn die Honorardiskussion stockt.
„Abrüstungsinitiative“ statt kleinlicher Honorarforderungen
Angesichts sich jüngst wieder verdunkelnder Wirtschaftsaussichten sollte es erfolgversprechender sein, sich nicht allein auf Honorarforderungen zu konzentrieren, die nebenbei immer auch die Frage nach Gegenleistungen und womöglich noch mehr Bürokratie aufwerfen. Manche Forderungen wie die Aufstockung des Notdienstfonds quasi eurogenau auf die versprochenen 120 Millionen Euro wirken in diesem Zusammenhang „apothekerlich-kleinlich“, angesichts der Summen, um die es da geht – wenige hundert Euro pro Apotheke und Jahr. Damit gewinnt man bei wirklichen Entscheidern nicht unbedingt an Ansehen.
Stattdessen liegt taktisch jetzt eine „Abrüstungsinitiative“ näher – nämlich in Sachen Bürokratie, Retax-Unsitten, Dokumentationswahn und der an etlichen Stellen nicht mehr sach- und nutzenorientierten Überhöhung gewisser pharmazeutischer Inhalte (Beispiel Rezeptur). Die Apotheken benötigen ein wirksames Entlastungs- und Entschlackungsprogramm, denn die Schrauben sind dabei, überdreht zu werden. Doch „nach fest kommt ab“ – das ist eine alte Mechanikerweisheit. Der Alltag muss freudvoller und wieder mehr von Augenmaß, Vernunft und Eigenverantwortung geprägt werden.
Heute ist die Apotheke ein Vorreiter auf dem Weg in die digitale Diktatur: perfekt durchleuchtet und engmaschig überwacht, die dort Arbeitenden vor allem Sklaven der EDV, denn letztere bestimmt im Wesentlichen anhand immer groteskerer, sich oft widersprechender Regeln, was noch über den HV-Tisch gehen darf. Rein logistisch und prozesstechnisch betrachtet, schreit das im Grunde nach vollständiger Automation, da doch die Menschen immer mehr entmündigt und insoweit überflüssig werden.
„Zeit ist Geld“ – Bürokratische Entschlackung steigert die Attraktivität des Berufs
Genau hier gilt es einzuschreiten. Entlastung und bürokratische Entschlackung bedeuten mehr Zeit, weniger Hektik sowie höhere Zufriedenheit für die Kunden und Mitarbeiter. Damit sollte auch die Attraktivität der Apothekenberufe wieder steigen – wer möchte denn heute für vergleichsweise wenig Geld auch noch den Vorschriften-Sklaven spielen, zumal für talentierte, junge Leute die Jobchancen inzwischen sehr vielfältig sind?
Wie wäre es daher mit institutionalisierten Entbürokratisierungs-Verantwortlichen sowie konsequenten „Verfallsdaten“ für neue Vorschriften, anstatt den Wasserkopf für den Verwaltungs-, Zertifizierungs- und Regulierungswahn selbst auch standeseigen immer weiter aufzublähen? Bewährt sich eine Vorgabe nicht, entfällt sie sang- und klanglos.
Zeit bedeutet übrigens auch Geld – und so schließt sich wieder der Kreis. Eine wirklich wirksame, umfassende Entlastung käme einer indirekten Honoraraufbesserung gleich, und würde gerade auch die kleinere Landapotheke positiv treffen.
Da bleibt eigentlich nur zu sagen: Ran an die Arbeit! |
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