DAZ aktuell

Rezeptübermittlung – was ist erlaubt?

Heimversorgung im Spannungsfeld zwischen optimaler Versorgung und verbotener Zuweisung

Tätigkeits- und Verantwortungsbereiche von Arzt und Apotheker sind seit jeher getrennt. Der Apotheker übt im Interesse der Arzneimittelsicherheit eine Kontrollfunktion aus. Zusätzlich soll die freie Arzt- und Apothekenwahl des Patienten gewährleistet sein (OLG Karlsruhe vom 14.06.2013, Az. 4 U 254/12). Entscheidungen sollen alleine nach fachlichen Kriterien getroffen werden. Eine wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen Arzt und Apotheker ist nicht erlaubt. Ausfluss dieser Maxime ist u. a. das Zuweisungsverbot. Es ist in der Musterberufsordnung der Ärzte (MBO-Ä) und spiegelbildlich im Apothekengesetz (ApoG) verankert. Vor dem Hintergrund des neuen Korruptionsstraftatbestandes können Verstöße gegen diese Berufspflichten eine besondere Bedeutung erlangen.

Die beiden Regelungen lauten:

  • Zuweisungsverbot, § 32 MBO-Ä: [Ärzte] dürfen ihren Patientinnen und Patienten nicht ohne hinreichenden Grund […] bestimmte Apotheken, Heil- oder Hilfsmittelerbringer oder sonstige Anbieter gesundheitlicher Leistungen empfehlen oder an diese verweisen.
  • Zuweisungsverbot, § 11 ApoG:[Apotheker] dürfen mit Ärzten oder anderen Personen, die sich mit der Behandlung von Krankheiten befassen, keine Rechtsgeschäfte vornehmen oder Absprachen treffen, die […] die Zuweisung von Verschreibungen oder die Verschreibung von Arzneimitteln zum Gegenstand haben. […]

Verbotene Zuweisung nach § 11 ApoG

Im Alltag der Heimversorgung besteht eine enge Zusammenarbeit zwischen Ärzten und Apothekern und Heimen bei der Versorgung ihrer Patienten. Das arbeitsteilige oder koordinierte Zusammenarbeiten ist Grundvoraussetzung für die umfassende Patientenversorgung.

Ausdrücklich geregelt hat der Gesetzgeber dies bei der integrierten Versorgung, der Zytostatikaabgabe, im Rahmen des Entlassmanagements oder in Palliativnetzwerken.

Nicht ausdrücklich geregelt ist, ob der behandelnde Arzt die einem Heimbewohner ausgestellte Verschreibung direkt an die das Heim beliefernde Apotheke übermitteln darf; wenn er dazu vom Patienten beauftragt wird. Hierin könnte eine verbotene Zuweisung im Sinne von § 11 ApoG liegen.

In vergleichbaren Fällen haben die Gerichte in der Vergangenheit Verstöße gegen das Zuweisungsverbot angenommen und nur wenige Ausnahmen zugelassen (siehe zusammenfassend Rohner, DAZ 2014, Nr. 14, S. 64). Erlaubt wurde z. B., wenn der Patient bei einer Dauermedika­tion ausdrücklich den Wunsch ge­äußert hat, dass die Apotheke die Rezepte beim Arzt abholt und die Medikamente in der Praxis zur Verfügung stellt (OLG Hamm vom 29.08.2006, Az.: 19 U 39/06). Zur Hilfestellung bei der Apothekenwahl oder der Beschaffung von Arzneimitteln ist der Arzt gehalten, wenn dies aus gesundheitlichen Gründen an­gezeigt ist (OLG Schleswig vom 27.09.1994, Az. 6 U 27/94 und jüngst BGH vom 18.06.2015, Az. I ZR 26/14).

Unzulässig sind aber alle Konstellationen, in denen das Zusammenspiel von Arzt und Apotheker praktisch institutionalisiert wird. Gerichte vermuten dann, dass die Zusammenarbeit wirtschaftlich motiviert ist und nicht auf dem maßgeblichen Willen des Patienten beruht (so OLG Saarbrücken vom 25.09.2013, Az. 1 U 42/13).

§ 12a ApG soll Arzneimittelsicherheit in Heimen erhöhen

Die Rezeptsammlung in Heimen ist als fester Bestandteil des Versorgungsalltags der Heime für einen reibungslosen Ablauf nicht mehr wegzudenken. Aber diese Art der Zusammenarbeit ist institutionalisiert, ohne dass das Gesetz eine Ausnahme vom Zuweisungsverbot erlaubt. Geregelt ist nur die Heimversorgung selbst gemäß § 12a ApoG.

Hiernach muss der heimversorgende Apotheker vor Ort die Heimbewohner regelmäßig beraten und informieren. Arzneimittel werden im Heim gelagert. Der Informationsaustausch mit Heimleitung, Arzt und Apotheker ist umfangreicher als im übrigen Apothekenalltag. Der Patient im Heim hat aufgrund des Heimvertrages Anspruch auf ordnungsgemäße Arzneimittelversorgung. Wird der Anspruch nicht erfüllt, verhalten sich Arzt und Apotheker vertragswidrig. Es besteht ein Konflikt für die beteiligten Ärzte und Apotheker zwischen einer möglichen verbotenen Zuweisung und der Versorgungspflicht gegenüber dem Pa­tienten.

Die Regelung des § 12a ApoG zur Heimversorgung ist seit 2003 in Kraft. In der Gesetzesbegründung heißt es lediglich: „Mit der Einführung eines § 12a – neu – soll die Arzneimittelsicherheit in den Heimen durch entsprechende vertragliche Regelung erhöht werden“. Unbeantwortet bleibt die Frage, ob eine institutionalisierte Zusammenarbeit zwischen Arzt, Apotheke und Heim beim Rezeptmanagement erlaubt ist.

Anerkannt ist, dass kein Verstoß gegen § 11 ApoG vorliegt, wenn der Patient krankheitsbedingt seine Verschreibung nicht mehr selbst einlösen kann (s. o.). Gleiches gilt im Rahmen des Medikationsmanagements im Sinne des § 1a Absatz 3 Nr. 6 ApBetrO. Diese Regelung wurde erst 2012 eingeführt. Sie erlaubt im Rahmen der Dauermedikation die Kontaktaufnahme und den Austausch von Arzt und Apotheker, wenn eine Folgeverschreibung ausgestellt werden muss, damit die Arzneimittelversorgung ohne Unterbrechung funktioniert.

Neue Regelung zum Entlassmanagement

Der Bundesgerichtshof hat sich in der neuen Entscheidung vom 13.03.2014, Az. I ZR 120/13 mit der ebenfalls neuen Regelung zum Entlassmanagement nach § 11 Abs. 4 SGB V beschäftigt. Hier hat der BGH einen Interessenkonflikt zwischen der Sicherstellung der Arzneimittelversorgung des Patienten durch die Regelung des Sozialrechts und das Zuweisungsverbot aus § 11 ApoG angenommen. Die Ausgangslage ist mit dem beschriebenen Konflikt bei der Heimversorgung vergleichbar.

Dieser Widerspruch ist nach der Rechtsprechung des BGH zugunsten der Neuregelung des Entlassmanagements aufzulösen, weil die Versorgung des Patienten im Vordergrund steht. Erlaubt ist in diesem Fall eine direkte Zusammenarbeit zwischen Krankenhausärzten und Apothekern, die ausdrücklich eine direkte Zuweisung von Rezepten erlaubt (im entschiedenen Sachverhalt war noch eine GmbH zwischengeschaltet).

Der BGH hält in seiner jüngsten Entscheidung, Az. I ZR 26/14, vom 18.06.2015 zwar an einer strikten Anwendung des § 11 ApoG fest. Im entschiedenen Fall lag eine Vereinbarung zwischen der Arztpraxis und der Apotheke vor, wonach der Praxis rezeptpflichtige Medikamente nach Vorlage der Rezepte direkt geliefert wurden. Es handelte sich um Applikationsarzneimittel, die in der Praxis verabreicht wurden. Der BGH führt in der Entscheidung aber auch aus, dass es am Merkmal der Zuweisung fehle, wenn der Arzt den Patienten vor Anwendung des Applikationsarzneimittels neutral verschiedene Auswahlmöglichkeiten aufgezeigt hat (entweder die Aushändigung des Rezepts an den Patienten oder die Beauftragung des Arztes mit der Einlösung des Rezeptes in einer vom Patienten bestimmten Apotheke oder einer vom Arzt selbst ausgewählten Apotheke). Ob dies auch für andere Arzneimittel gilt ist offen. Wichtig für die vorliegende Frage ist aber, dass wiederum eine Ausnahme vom strengen Zuweisungsverbot gemacht wird, wenn das nicht nur aus medizinischen, sondern auch aus organisatorischen Gründen im Sinne der Patienten erforderlich und mit ihnen unter Wahrung der Neutralität vereinbart ist.

Das spricht für eine institutionalisierte Zusammenarbeit

Es gibt vor diesem Hintergrund gute Gründe, die dafür sprechen, dass auch die institutionalisierte Zusammenarbeit zwischen Arzt, Heim und Apotheker im Rahmen der Heimversorgung erlaubt ist. Denn die Ausgangslage, die der Gesetzgeber im Auge hatte ist beim Entlassmanagement und der Heimversorgung identisch. Erteilt der Heimbewohner ausdrücklich seine Zustimmung, kann er den Arzt beauftragen, Rezepte unmittelbar an die Apotheke zu schicken. Genauso kann er jeden Dritten, z. B. Familienangehörige, beauftragen Rezepte zum Apotheker zu bringen. Der Versorgungs- und Sicherstellungscharakter steht hier im Vordergrund und verdrängt die Bedenken, die von der Rechtsprechung für die institutionalisierte Zusammenarbeit angeführt werden. Jüngst hat das LG Dessau-Roßlau (Urteil aus November 2015, Az. 3 O 22/15) eine Zuweisung erlaubt, wenn sie ausdrücklich vom Patienten beauftragt ist.

In der älteren Entscheidung zu den sogenannten Pick-Up-Stellen hat das Bundesverwaltungsgericht (3 C 27/07) ebenfalls einer den individuellen Patientenbedürfnissen entsprechenden Arzneimittelversorgung den Vorzug gegenüber dem formalen Gesetzeswortlaut eingeräumt. Bezogen auf den Versandhandel hat das Bundesverwaltungsgericht im konkreten Fall die Interessen chronisch kranker, immobiler Patienten und älterer Bürger höher bewertet, als das Verbot für Rezeptsammelstellen nach § 24 ApBetrO. Nach Ansicht des Gerichts entspricht nur diese Auslegung Sinn und Zweck des Gesetzes.

Indizwirkung hat auch die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen vom 29.04.2015, Az. 13 A 2551/13, zur Frage von Lagerräumen des Apothekers in Heimen gemäß § 4 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 ApBetrO. Das Oberverwaltungsgericht hat sich ausführlich mit der Lockerung des Apothekengesetzes im Laufe der letzten Jahre durch Einführung des Mehrbesitzes, des Versandhandels und der Neuregelung in § 12a ApoG auseinandergesetzt und u. a. festgestellt, dass die Kommunikation zwischen behandelndem Arzt und Apotheker zulässig sei, sofern dies der Heimbewohner wünscht.

Zusammengefasst ist festzuhalten, dass eine Vielzahl gerade jüngerer Entscheidungen dafür spricht, dass auf ausdrücklichen Wunsch der Heimbewohner eine unmittelbare Übersendung der Rezepte vom Arzt an den Apotheker zulässig ist und ein Verstoß gegen § 11 ApoG nicht vorliegt. |

Rechtsanwalt Dr. Markus Rohner

Sozietät Witte Rohner Zur Mühlen / RST Beratungsgruppe, Essen

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