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Arzneimittel und Therapie
Zusatz zu Insulin bei Diabetes Typ 1 sinnvoll?
Metformin und Liraglutid bei Übergewichtigen als Ergänzung auf dem Prüfstand
Bei Diabetes mellitus Typ 2 stellt Metformin das Mittel der Wahl dar. Metformin wird bei allen Patienten mit Typ-2-Diabetes schon in der ersten Behandlungsstufe, zusätzlich zu einer Ernährungs- und Bewegungstherapie empfohlen. Dieses wirkt der Insulin-Resistenz vor allem übergewichtiger Patienten entgegen, wobei die genauen Mechanismen zumeist noch nicht genau geklärt sind. Einerseits soll die hepatische Gluconeogenese genauso wie die intestinale Glucoseresorption gesenkt, andererseits die Aufnahme von Glucose in die Zellen beschleunigt werden. Metformin begünstigt die Gewichtsabnahme und reduziert das Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall bei Typ-2-Diabetes-Patienten. Auch GLP-1-Analoga wie Liraglutid werden zur Behandlung von Typ-2-Diabetes bei Erwachsenen eingesetzt. Die Kombination eines oralen Antidiabetikums mit einem GLP-1-Rezeptoragonisten wird bei Typ-2-Diabetikern mit Gewichtsproblemen, Neigung zu Hypoglykämien und Komorbiditäten wie klinisch manifesten kardiovaskulären Erkrankungen bevorzugt, wenn mit der maximal verträglichen Dosis anderer oraler Antidiabetika die individuellen Plasmaglucose-Zielwerte nicht erreicht werden können. Neben der Wirkung auf den Blutzucker moduliert Liraglutid, welches seit 2009 in Deutschland erhältlich ist, vermutlich auch den Appetit, wobei im Gehirn frühzeitig Sättigungsgefühle ausgelöst werden sollen. Eine Gewichtsabnahme unter Liraglutid-Therapie ist bereits erkannt und in mehreren Studien bewiesen, sodass das Inkretin-Mimetikum tatsächlich auch zur Gewichtsreduktion geeignet scheint.
Obwohl Typ-1-Diabetes durch einen autoimmunbedingten Insulinmangel hervorgerufen wird, haben sich diverse Studien in der Vergangenheit bereits damit befasst, ob Metformin oder Liraglutid auch bei Typ-1-Diabetes zusätzlich zur herkömmlichen Insulintherapie dabei helfen könnte, den Blutglucosespiegel zu kontrollieren und vor allem übergewichtige Typ-1-Diabetiker bei der Gewichtsreduktion zu unterstützen. Die derzeitige Literatur sieht zum Beispiel in den GLP-1-Analoga das Potenzial, die glykämische Kontrolle im Glucosestoffwechsel bei Typ-1-Diabetes zu verbessern, jedoch besteht der Bedarf an großen randomisierten Studien, um die Kausalität einer möglichen Indikationserweiterung zu belegen [1]. Die bisherigen Ergebnisse erscheinen diesbezüglich nicht eindeutig, was vor allem an einem Mangel an kontrolliert evaluierten Daten liegt. Aufgrund der bisherigen Ungewissheit hinsichtlich der therapeutischen Relevanz einer möglichen Add-on-Behandlung haben sich nun zwei kürzlich veröffentlichte Placebo-kontrollierte, randomisierte klinische Studien mit eben jener Frage des Mehrwerts der oben genannten Antidiabetika bei Patienten mit Typ-1-Diabetes, mit ungenügender Blutglucosekontrolle und Übergewicht, beschäftigt.
Dabei untersuchten US-amerikanische Forscher des Jaeb Center for Health Research, Tampa, Florida den additiven Effekt von Metformin (≤ 2000 mg/d) gegenüber Placebo an 140 übergewichtigen Typ-1-Diabetikern (im Mittel 15,3 Jahre alt) mit einem HbA1c von durchschnittlich 8,8% über 26 Wochen, die Gruppe um den Mediziner T.F. Dejgaard, des Steno Diabetes Center, Kopenhagen, Dänemark, hingegen die Wirksamkeit von Liraglutid (0,6 –1,8 mg/ml täglich s.c.) gegen Placebo als Zusatz zur Insulintherapie an 100 Typ-1-Diabetikern mit einem HbA1c Wert von mindestens 8% und einem Body-Mass-Index (BMI) von durchschnittlich über 25 kg/cm2 über einen Beobachtungszeitraum von etwa sechs Monaten [2, 3].
Benefit von Metformin fraglich
Die Anwendung von Metformin resultierte zwar tatsächlich in einer geringen Abnahme des HbA1c-Werts, jedoch erreichte der Effekt keine klinische Relevanz. Im Vergleich zu Placebo gelang durch Metformin nach 26 Wochen auch eine stärkere Reduktion des Körpergewichts [Differenz Z-Wert: 17% (95% KI, 5% bis 29%; p = 0,01)], doch erscheint die Relevanz dieser Veränderung ebenfalls ungewiss. Zwar ging die Anwendung von Metformin mit einer Reduktion der täglichen Insulin-Dosis einher, jedoch erhöhte sich auch die Rate an gastrointestinalen Beschwerden gegenüber Placebo, weshalb die Autoren der Studie zunächst keine Bestätigung für einen positiven additiven Effekt von Metformin bei übergewichtigen Typ-1-Diabetikern sehen. Auch eine längerfristige Anwendung von Metformin würde nach Meinung der Forscher vermutlich keine Verbesserung der glykämischen Kontrolle mit sich bringen.
Liraglutid: Subpopulationen könnten profitieren
Die zusätzliche Behandlung von Patienten mit Liraglutid resultierte nach 24 Wochen ebenfalls in keinem signifikanten Unterschied des HbA1c-Werts gegenüber Placebo [Differenz -0,2% (-0,5 bis 0,1; p = 0,1833)]. Analog zu Metformin reduzierte auch Liraglutid das Körpergewicht [Differenz -6,8 kg (95% KI; -12,2 bis 1,4; p = 0,0145)], die tägliche Insulindosis [Differenz -5,8 IU (95% KI; -10,7 bis -0,8; p = 0,0227)] sowie den Appetit. Während Hypoglykämien häufiger in der Placebogruppe auftraten, erhöhte die Gabe von Liraglutid das Auftreten von Übelkeit, Erbrechen und Dyspepsie. Auch hier sehen die Autoren der Studie keinen generellen Zusatznutzen von Liraglutid zur Verbesserung der Kontrolle des Blutzuckerspiegels bei Patienten mit Typ-1-Diabetes, jedoch könnten spezifische Subpopulationen aufgrund der beobachteten Gewichtsreduktion und Verminderung der benötigten Insulinmenge in Zukunft prinzipiell von der Gabe verschiedener GLP-1-Analoga profitieren. Hierzu wären jedoch noch weitere Studien benötigt, um das therapeutische Potenzial der Substanzklasse auch bei anderen Patientengruppen genauer zu evaluieren, so die Forscher.
Kontroverse Diskussion
Das Konzept, dass Antidiabetika auch bei Typ-1-Diabetes „off-label“ angewendet werden können, um im Zuge dessen die leitliniengerechten Blutglucosewerte zu erreichen bzw. bei übergewichtigen Patienten der Entwicklung einer BMI-abhängigen Insulinresistenz entgegenzutreten, wird bereits seit Längerem kontrovers diskutiert. Die Gabe von Insulin ist bei Typ-1-Diabetes essenziell, es regt jedoch durch hypoglykämische Effekte auch den Appetit an und führt so langfristig zur Gewichtszunahme. Der Appetit-mindernde Effekt von Metformin oder Liraglutid soll daher die Stoffwechselsituation verbessern. Tatsächlich kommt bei übergewichtigen Patienten mit Typ-1-Diabetes im Laufe ihres Lebens auffallend häufig ein Typ-2-Diabetes hinzu, weshalb immer mehr Diabetologen zu oralen Antidiabetika wie Metformin greifen. Die hier aufgeführten klinischen Daten bestätigen zwar, dass die Gabe von Metformin oder Liraglutid eine Gewichtsabnahme begünstigt und auch die Mengen an benötigtem Insulin reduziert wird, jedoch scheinen diese Effekte im oben beschriebenen Beobachtungszeitraum keine therapeutische Relevanz zu besitzen. Die wichtigste Zielgröße, die Kontrolle des HbA1c-Werts, als Parameter des Langzeit-Plasmaglucosespiegels, konnte zudem nicht signifikant gesenkt werden.
Dennoch stellen Typ-1-Diabetiker mit Übergewicht und schlecht kontrollierbarem Blutzuckerspiegel eine besondere und für kardiovaskuläre Ereignisse höchst gefährdete Patientenpopulation dar, die einer intensiven medizinischen Überwachung und entsprechender Herz-Kreislauf-Prävention bedürfen. Die Gabe von Antidiabetika wie Metformin oder Liraglutid scheint jedoch zumindest nach der derzeitigen Datenlage langfristig keinen relevanten Nutzen zu besitzen. |
Quellen
[1] Tölle, S (2014). „GLP-1-Analoga in der Therapie des Diabetes mellitus Typ 1.“ Dtsch med Wochenschr 139(42): 2123-2126.
[2] Libman, IM et al. (2015). „Effect of metformin added to insulin on glycemic control among overweight/obese adolescents with type 1 diabetes: A randomized clinical trial.“ JAMA 314(21): 2241-2250.
[3] Dejgaard, TF et al. „Efficacy and safety of liraglutide for overweight adult patients with type 1 diabetes and insufficient glycaemic control (Lira-1): a randomised, double-blind, placebo-controlled trial.“ The Lancet Diabetes & Endocrinology. Published Online: 02 December 2015
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