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Nah an der Natur
Wie die Barlach-Apotheke ihre naturheilkundliche Ausrichtung lebt
Bad Boll ist mit seinen rund 5000 Einwohnern ein kleiner Kurort am Nordrand der Schwäbischen Alb. Der Kurbetrieb stützt sich auf das Thermalmineralwasser, den Boller Jurafango und eine Schwefelquelle. Als Sitz des Unternehmens Wala, dem Hersteller von anthroposophischen Arzneimitteln und Kosmetika, hat der Ort für Pharmazeuten eine gewisse Bekanntheit.
Alb, Natur, Kurbetrieb, Anthroposophie – vor diesem Hintergrund liegt es auf der Hand, eine Apotheke in diesem Ort naturheilkundlich auszurichten. So macht auch Apotheker Christoph Schroer die Naturheilkunde, insbesondere die Homöopathie, aber auch die Spagyrik und Anthroposophie zu deutlichen Schwerpunkten seiner Barlach-Apotheke in Bad Boll. Seine Eltern haben die Apotheke 1989 gegründet. „Die Homöopathie, aber auch die Anthroposophie waren von Anfang an ein Thema“, erinnert sich Schroer. Er ist gleich nach dem Studium 2004 in die Apotheke mit eingestiegen und konnte sie 2006 von seinen Eltern übernehmen. Der junge Apotheker identifiziert sich von Anfang an mit dem naturheilkundlichen Sortiment: „Das ist auch notwendig, sonst kann man es nicht glaubhaft vertreten und auf diesem Gebiet nicht überzeugend beraten. Wir sind in unserer Gemeinde, in unserem Landkreis und darüber hinaus als Apotheke bekannt, die im Bereich Homöopathie, Spagyrik und Phytopharmazie Experte ist. Von diesem Image lebt unsere Barlach-Apotheke ein Stück weit.“
Doch es gab und gibt noch einen Grund mehr für die Spezialisierung auf alternative Therapeutika: Bad Boll und seine Umgebung weist eine relativ hohe Dichte an homöopathischen Ärzten und Heilpraktikern auf, „auch wenn einige von ihnen aus Altersgründen ihre Praxis schon aufgegeben haben“, beklagt Schroer. „Gerade ein Spezialsortiment, wie wir es haben, lebt doch mit der Verordnung. Wir haben die Präparate natürlich auch in der Eigenempfehlung, aber ohne die Verordner geht es nicht.“ Trotz abnehmender Zahl an Verordnern sucht Schroer nach einem Weg, das naturheilkundliche Sortiment zu erhalten. Er setzt auf Beratung vor Ort, auf Spezialisierung. Und er vertreibt Homöopathika über seinen Internetshop.
Spagyrik und Bachblüten, ätherische Öle und Tee
Als weiteren Schwerpunkt der Barlach-Apotheke hat Apotheker Schroer das Sortiment der ätherischen Öle ausgebaut: „Seit 1996 beschäftigen wir uns mit der Aromatherapie und haben schon sehr bald begonnen, eigene Mischungen anzufertigen beispielsweise für den Bereich Erkältung. Ölmischungen werden auch im Bereich Pflege eingesetzt, wir haben eine Kooperation mit der Klinik in Göppingen, die unsere Öle im Pflegealltag einsetzt.“ Die Mischungen ätherischer Öle kommen bei den Kunden gut an, „aber“, so gibt Schroer zu bedenken, „es bedarf auch viel Beratung und Empfehlung auf diesem Gebiet.“
Ein Spezialgebiet der Barlach-Apotheke ist die Spagyrik, ein Gebiet, in dem die Apotheke rezepturmäßig sehr viele individuelle Mischungen herstellt. „Unsere Kunden sind sehr froh darüber, dass wir uns hier eingearbeitet haben – wir haben durch dieses Sortiment viele Kunden gewinnen können“, zeigt sich Schroer zufrieden.
Auch ein Sortiment an Bachblüten-Präparaten hält die Apotheke vorrätig, „in unserer Beratung spielen sie aktuell eher eine untergeordnete Rolle, hier fragen die Kunden gezielt nach dem einen oder anderen Präparat oder sie haben Rezepte von Heilpraktikern“.
Besondere Aufmerksamkeit schenkt die Barlach-Apotheke ihrer Teerezeptur: Über 120 verschiedene Teedrogen hat sie auf Lager, aus denen auch eigene Tees gemischt werden: „Viele Kunden kommen mit Rezepturen, die sie in Büchern gefunden haben, auf uns zu mit der Bitte, ihnen diese individuellen Teemischungen anzufertigen.“
Naturheilkunde in der Sichtwahl und in der Beratung
Dass die Barlach-Apotheke ihren Schwerpunkt auf die naturheilkundlichen Arzneimittel gelegt hat, fällt bereits mit Blick auf die Sichtwahl auf: Wo in anderen Apotheken hinter dem HV-Tisch die gängigen OTC-Präparate von Aspirin bis Voltaren stehen, sieht man hier Präparate von Wala und Weleda, außerdem homöopathische Präparate und Schüßler-Salze verschiedener Firmen. Nur ein verhältnismäßig kleiner Anteil der Regalfläche ist für die klassischen OTC-Präparate reserviert, „ganz ohne geht es nicht“, räumt Schroer ein, „aber in erster Linie konzentrieren wir uns schon auf das naturheilkundliche Sortiment und auf Phytopharmaka. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass wir jemals Aspirin in der Sichtwahl hatten. Aber klar, die Kunden wissen schon, dass sie bei uns auch ein Aspirin bekommen. Die Schulmedizin wird auf keinen Fall ausgeklammert“, stellt Schroer fest, „dogmatisch will ich hier nicht sein, die allopathischen Mittel sind notwendig.“
Kommt ein Kunde ohne speziellen Präparatewunsch in die Apotheke, geht der Schwerpunkt der Beratung in der Barlach-Apotheke zunächst in Richtung Phytotherapie oder Homöopathie: „Aber wie gesagt“, verdeutlicht es Apotheker Schroer, „es kommt darauf an, wer und wie er mir gegenübersteht, welchen Wunsch genau er äußert. Welche Symptome schildert er? Wie akut ist die Erkrankung? Ist sogar ein Arztbesuch notwendig? Wenn er nicht unbedingt in kürzester Zeit wieder fit an seinem Arbeitsplatz sein muss, überlegen wir schon, ob ihm nicht ein Präparat aus der Naturheilkunde helfen könnte, vielleicht ein homöopathisches oder anthroposophisches Präparat.“ Viele Stammkunden der Barlach-Apotheke fragten mittlerweile gezielt danach, ob es nichts Homöopathisches gibt, wie Schroer berichtet. Gute Erfahrungen habe er auch mit der Kombination von Phytotherapie und Homöopathie gemacht.
Bei aller Liebe zu den alternativen Therapierichtungen: Christoph Schroer legt Wert darauf, bei diesen Therapien nicht zu missionieren oder mit falschem Eifer die Kunden von den naturheilkundlichen Präparaten überzeugen zu wollen. „Wir sind nicht dogmatisch unterwegs“, gibt er sich selbstbewusst, „man kann viel mit dieser Therapierichtung erreichen, aber noch lange nicht alles. Als Apotheke haben wir eh den Auftrag, das volle Sortiment anzubieten. Daher wäre es auch töricht, nur auf diese Schiene zu setzen. Es mag Ärzte geben, die versuchen ihre Patienten nach Möglichkeit naturheilkundlich zu therapieren, aber als Apotheke ist das nicht machbar.“
Um sich für diese naturheilkundlichen Gebiete fit zu machen, hat Schroer Zusatzausbildungen absolviert, beispielsweise die Zusatzausbildung für Naturheilkunde und Homöopathie. Auch seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben Zusatzausbildungen oder sind auf diesen Gebieten besonders geschult: „Naturheilkundliche Fortbildungen nehmen sie besonders wahr, aber die anderen Themen lassen sie keinesfalls aus.“ Überhaupt, wer in der Barlach-Apotheke arbeitet, bringt eine Affinität zu den alternativen Therapierichtungen mit oder hat sich in diese Gebiete eingearbeitet – „ohne Interesse für Naturheilkunde geht es nicht“, ist Schroer überzeugt.
Ein Labor nur für die Homöopathie
Neben dem normalen Apothekenlabor und der Rezeptur hat Schroer in seiner Barlach-Apotheke ein zweites Labor im Untergeschoss der Apotheke eingerichtet, in dem ausschließlich homöopathische Präparate nach den Vorschriften des Arzneibuchs hergestellt werden. Auf der Grundlage eines großen Lagers mit Ausgangsstoffen, homöopathischen Urtinkturen und Verreibungen werden hier homöopathische Spezialpräparate entsprechend den Verordnungen und den Wünschen der Kunden hergestellt und potenziert. Sogar Verreibungen von Frischpflanzen werden hier angefertigt – gute Beziehungen zum Wala-Heilpflanzengarten am Ort ermöglichen es, auch seltenere Pflanzen zu bekommen und zu verarbeiten. „In unserer homöopathischen Taschenapotheke sind beispielsweise 62 Mittel enthalten, alle handverrieben und handpotenziert. Insgesamt haben wir ein Sortiment von 150 Verreibungen“, berichtet Schroer über seine Fertigung. D-Potenzen stellt die Apotheke in der Regel bis D 30 her, die C-Potenzen bis C 200.
Zufriedene Kunden sind die beste Werbung
In Sachen Werbung für seine Apotheke hält sich Apotheker Schroer zurück. Er kann darauf vertrauen, dass sich die Leistungen seiner Apotheke durch Mund-zu-Mund-Propaganda verbreiten, „das war schon früher so, als meine Eltern die Apotheke führten, und das ist auch heute noch so“. Präsenz zeigt die Barlach-Apotheke allerdings mit ihrer Internetseite und dem Internet-Shop, über den vorwiegend das homöopathische und anthroposophische Sortiment vertrieben wird: „Die Leute hören heute etwas oder bekommen etwas berichtet, dann gehen sie ins Internet. Deshalb zeigen wir der Öffentlichkeit über dieses Medium, was wir machen, wie wir es machen. Wir setzen auf eine langsame, aber stetige Entwicklung. Bisher hat das gut funktioniert.“
Natur und Transparenz
Als er 2006 die Apotheke von seinem Vater übernahm, war ihm bewusst, dass er umbauen musste. „Die Räume und vor allem die Raumaufteilung der Apotheke waren für die heutigen Anforderungen an eine Apotheke und für meine Konzepte, die ich verwirklichen wollte, nicht mehr zeitgemäß. Obwohl die Einrichtung noch sehr gut war und ich anfangs überlegte, alt und neu zu mischen, wurde mir mithilfe meines Innenarchitekten sehr schnell klar, dass dies keine gute Idee ist. 2013 war es dann so weit. Ein guter Zufall und ein Mitauslöser für den Umbau war, dass unmittelbar neben der Apotheke Räume frei wurden: „Hier war ein Schlecker-Drogeriemarkt, der schließen musste – ich konnte einen Teil dieser Fläche zur Apotheke hinzunehmen.“
Schroer entschloss sich, Klaus Bürger als Innenarchitekten zu nehmen: „Er verstand es, meine Vorstellungen gut umzusetzen. Und was mir sehr entgegengekommen ist: Ich war bei der Vergabe der Gewerke, bei der Ausführung der Arbeiten nicht von einem großen Anbieter abhängig, sondern konnte weitgehend örtliche Handwerker und Firmen berücksichtigen. Die Einrichtung stammt zum Beispiel von einem Schreiner hier am Ort. Da entwickelt man eine ganz andere Beziehung zu den Tischen und Schränken, wenn man verfolgen kann, wie sie entstehen“, ist Schroer überzeugt. „Auch die Absprache unter den Handwerkern funktionierte sehr gut, und ich konnte noch meine kleinen Sonderwünsche unterbringen, wenn hier oder dort noch ein Loch für ein Kabel gebohrt werden musste – das ist schon viel wert.“
Schroers Vorstellungen: Es sollte eine helle und freundliche Apotheke werden, die Offenheit ausstrahlt. Es sollte viel Licht in die Apotheke. Sie sollte von natürlichen Materialien wie Holz geprägt sein. Zusammen mit dem Innenarchitekten entschied er sich daher für einen weißen Natursteinboden in der Offizin, einem weißen Jura aus dem Altmühltal, und für einen angenehm warmen Fußboden aus Lärchenholz im Arbeitsbereich der Apotheke, der als Pflasterparkett verlegt wurde. Regale und Schränke sind ebenfalls aus Lärchenholz gefertigt, ebenso der HV-Tisch, der teilweise mit rostrotem Leder bezogen wurde.
Schon beim Betreten der Apotheke nimmt man eine helle und freundliche Transparenz wahr.
Hinter der Sichtwahl erlauben Glaswände den Durchblick von der Offizin in den Arbeitsbereich der Apotheke, in die Spagyrik- und in die Teerezeptur, so dass der Kunde miterleben kann, wie eine Apotheke funktioniert, wie dort handwerklich gearbeitet wird.
Die Sichtwahl ist in erster Linie mit naturheilkundlichen Produkten bestückt – sie soll den Kunden bereits den Schwerpunkt dieser Apotheke zeigen. Auch in der Freiwahl dominieren naturheilkundliche Produkte.
Dass Teemischungen eine große Rolle spielen, signalisiert die Barlach-Apotheke durch ein für den Kunden gut sichtbares Teeregal mit traditionellen Teedosen, die eigens aus Holz angefertigt wurden. Ein netter Blickfang: In eine große Glasfläche aus mattem Glas neben der Teerezeptur ließ Schroer in großer Schrift die Namen bekannter homöopathischer Mittel eingravieren.
Sein Leitbild: Geht nicht gibt’s nicht
Sein Leitbild, seine Philosophie für die Apotheke? Die naturheilkundliche Ausrichtung spiegelt sich im Warenangebot seiner Apotheke. Und im Bereich der Dienstleistungen: „Da versuchen wir, den Kundenwunsch zu erfüllen, soweit es nur geht. Wir wollen alles möglich machen nach der Devise: Geht nicht, gibt’s nicht. Manchmal muss ich da aufpassen, dass wir uns hier nicht zu viel zumuten. Aber es ist unser Anspruch. Und das merken unsere Kunden.“
Neunzehn Mitarbeiterinnen, davon fünf Approbierte und sechs PTA, arbeiten – in Voll- oder Teilzeit – in der Barlach-Apotheke, um die Kundenwünsche zu erfüllen. Die relativ große Anzahl an Mitarbeiter begründet Schroer mit einer umfangreichen Rezeptur, Defektur und mit der Eigenherstellung an Homöopathika und spagyrischen Präparaten, zum andern mit dem Versand, der von der Apotheke aus läuft. „Die großen Zahl an Mitarbeitern benötigen wir allerdings auch für unsere umfangreiche Beratung, für die wir uns richtig viel Zeit nehmen“, fügt Schroer hinzu und stellt fest: „Wir merken: Unsere Kunden honorieren die ausführlichen Gespräche, sie schätzen sie und sie kommen wieder. Es ist Arbeit, die uns Freude macht. Mehr Freude, als wenn wir uns nur um die schnelle Laufkundschaft kümmern würden.“
Überhaupt, so der junge Apotheker, die Pharmazie und der Beruf des Apothekers, die apothekerlichen Tätigkeiten machen ihm Spaß. Die einzige Einschränkung, die er anbringt: „Die ausufernde Bürokratie, aber sie gehört dazu, auch wenn wir manchmal darüber stöhnen.“
Apothekenzukunft „Wir haben es selbst in der Hand“
Sein Blick in die Apothekenzukunft: „Es wird darauf ankommen, wie wir als Apothekerinnen und Apotheker unseren Beruf begreifen. Wenn sich alles nur darum dreht, ob man seinen Master of Business Administration machen muss, um mit den wirtschaftlichen Anforderungen Schritt halten zu können, dann, so glaube ich, läuft da etwas in die falsche Richtung. Ich meine: Wenn die Politik sieht, dass sich beim Apotheker alles nur um die kaufmännische Seite dreht, dann könnte sie sich fragen, warum man das Fremd- und Mehrbesitzverbot aufrechterhalten soll. Die Apotheker sollten sich vielmehr fragen, was sie in Zukunft an pharmazeutischer Leistung überbringen wollen, an Beratung, an Herstellung. Aber grundsätzlich, so bin ich überzeugt, wird es die Apotheke weiterhin geben, nur ob in dieser oder jener Form – das haben wir selbst in der Hand, dazu können wir selbst einen Beitrag leisten.“
Die neue Ausrichtung hin zum Medikationsplan und zu einem Medikationsmanagement findet der junge Apotheker prinzipiell gut, allerdings, so schränkt er ein, müsste man sich inhaltlich mehr damit beschäftigen: „Aus dem Stand heraus, ohne intensive Fort- und Weiterbildung, ist das nicht zu leisten, das haben wir so nicht gelernt. Die Basis-Elemente, klar, die sind da, aber die Tiefen der Klinischen Pharmazie müsste auch ich mir noch aneignen. Eine andere Schwierigkeit wird die Kommunikation zwischen Apotheker und Arzt sein. Beide habe schon heute genug zu tun. Wenn der Apotheker ins Medikationsmanagement drängt, könnte sich der Arzt ein wenig entmachtet fühlen. Hier gibt es noch viel zu tun, manches lässt sich sicher besser machen als es heute läuft.“
Dennoch, alles in allem: Christoph Schroer würde heute wieder Pharmazie studieren, um Apotheker zu werden: „Es ist ein anspruchsvoller Beruf mit vielen Facetten“. |
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