Prisma

Carbin – weißer Kohlenstoff

Modifikation mit technischem Potenzial

cae | Eine neue Modifikation des Kohlenstoffs ist weiß und heißt Carbin. Sie besteht aus Ketten, deren C-Atome je eine Einfach- und eine Dreifachbindung mit ihren beiden Nachbarn aufweisen.

Die verschiedenen Kohlenstoffmodifika­tionen erklären sich aus den jeweiligen Verknüpfungen der Atome, die wiederum auf den Eigenschaften der vier Elektronen auf der äußeren Schale beruhen (Hybridorbitale sp3, sp2 oder sp). Der Diamant bildet ein dreidimensionales, kubisches Atomgitter, während die C-Atome beim Graphit zweidimensional hexagonal gebunden sind. Sonderformen des Graphits sind das Graphen, bei dem die einatomige Schicht isoliert ist, und maßgeschneiderte dreidimensionale Gebilde wie Nanoröhrchen und Fullerene („Fußbälle“). Carbin ist nun der Kohlenstoff mit eindimensionaler Struktur. Sein Vorhandensein im Graphit hatte schon Whittaker 1978 vorhergesagt, seine Isolierung war jedoch unmöglich. Nun ist seine Synthese gelungen.

Phasendiagramm des Kohlenstoffs nach Whittaker (1978). Carbin kann sich ­unter speziellen Bedingungen bei Temperaturen über 2500 K bilden. Der Druck kann in diesem Diagramm sehr variabel sein, doch waren die Autoren im oberen Bereich bei 2 bis 5 × 109 Pa erfolgreich. Anders als hier wird der Tripelpunkt des Kohlenstoffs heute bei 4600 K (4330 °C) und 107 Pa verortet (Skala der y-Achse logarithmisch).

Kohlenstoffketten mit Dreifachbindungen (Polyine), von denen das Diacetylen (Butadiin) der einfachste Vertreter ist, sind als organische Verbindungen in der Natur nicht selten. Dagegen ­waren Kohlenstoffverbindungen mit Polyin-Struktur ohne Heteroatome (H, N, Si u. a.) bisher unbekannt.

Pan und seine Mitarbeiter von der Sun Yat-sen Universität in Guangzhou (Kanton, Südchina) verwendeten als Ausgangsmaterial der Carbinsynthese Ethanol, das sie vollständig mit Stickstoff umgaben, damit es nicht verbrennt. Im Ethanol befand sich etwas Gold. Bei Beschuss mit gepulster Laser­strahlung bildeten sich durch Laser­ablation Goldionen, die dem Ethanol die Hydroxylgruppe und die H-Atome entrissen. So entstanden „Bausteine“ mit lediglich zwei C-Atomen, die sich zu Ketten bis zwölf Atomen verbanden. Als diese mithilfe der HPLC isoliert wurden, reagierten sie aufgrund von Van-der-Waals-Kräften zu weißen, ­flockenförmigen Polykristallen mit ­hexagonaler Struktur: Stellt man sich die Kohlenstoffketten parallel neben­einander stehend vor, bilden sie „von oben“ betrachtet regelmäßige Sechsecke mit einer Kantenlänge von 3,34 Å (der Abstand der Atome in der Kette beträgt nur 1,27 bzw. 1,30 Å).

Carbine besitzen sehr außergewöhn­liche mechanische, elektronische und optische Eigenschaften, über deren Anwendungsmöglichkeiten man derzeit nur spekulieren kann. |

Quellen

Pan B, et al. Carbyne with finite length: The one-dimensional sp carbon. Science Advances 2015;1(9):e1500857

Savvatimskiy A. Carbon at High Temperatures. Heidelberg 2015

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