Prisma

Ein Antikoagulans gegen Pneumonie?

Angriff am Todesfaktor MORF4L1

cae | Der Thrombinhemmer Arga­troban erwies sich in Tierversuchen als sehr wirksam bei schwerer Lungenentzündung. Er gilt bereits als Kandidat für die Therapie von Pseudomonas-Infektionen in der „postantibiotischen Ära“.
Foto: vbaleha – Fotolia.com

Für ältere, schwache Patienten bedeutet eine Pseudomonas-Pneumonie oft das Todesurteil.

Das Arginin-Derivat Argatroban wurde im Jahr 2000 in den USA zugelassen und von der Firma Pfizer unter dem Namen Acova™ in den Markt eingeführt. Seit dem Ablauf des Patentschutzes gibt es mehrere Generika. 2012 folgte eine Zulassung in Großbritannien (Exembol®, Mitsubishi Pharma). Argatroban dient zur Behandlung von Patienten mit Heparin-induzierter Thrombozytopenie. Es wirkt wie Dabigatran als direkter Thrombinhemmer, wird jedoch nicht oral, sondern intravenös appliziert. Nun haben amerikanische Lungenspezialisten das therapeutische Potenzial von Argatroban bei bakterieller Pneumonie entdeckt.

Zuerst war ihnen bei In-vitro-Versuchen mit Lungengewebe, das sie mit dem Bakteriums Pseudomonas aeru­ginosa infiziert hatten, aufgefallen, dass die Konzentration des Proteins Mortality factor 4-like 1 (MORF4L1) ­erheblich anstieg und gleichzeitig die Lebensfähigkeit der Lungenzellen abnahm. MORF4L1 kommt von Natur aus in der Lunge vor und wird normalerweise sehr schnell abgebaut. Bei einer Pneumonie ist der Abbau gehemmt, und MORF4L1 übermittelt den Lungenzellen massenhaft ein Signal zur Apoptose, sodass nicht nur einzelne Zellen sterben, sondern sogar größere Teile der Lunge verschwinden.

Anschließend suchten die Forscher in Computersimulationen nach einem Liganden von MORF4L1, der selektiv dessen zytotoxische Aktivität blockiert, ohne dessen andere Funktionen zu beeinträchtigen. Argatroban erfüllte diese Kriterien und wurde darauf an Mäusen getestet. Alle Mäuse wurden mit P. aeruginosa infiziert, aber nur ein Teil erhielt Argatroban. Erwartungsgemäß hatten diese behandelten Mäuse eine beträchtlich höhere Überlebensrate.

P. aeruginosa ist ein typischer Krankenhauskeim, der aufgrund des Einsatzes von Antibiotika häufig Resistenzen entwickelt. Eine Therapie, die nicht beim Krankheitserreger ansetzt, sondern in den Mechanismus der Apoptose eingreift, könnte den Verbrauch von Antibiotika und damit auch die Entwicklung von Resistenzen verringern. Für eine entsprechende neue Indikation von Argatroban müssten klinische Studien durchgeführt werden, insbesondere um die optimale Dosis zu finden und das Risiko für innere Blutungen zu ermessen. Argatroban könnte jedoch schon vorher in aussichtslosen Fällen off label eingesetzt werden. |

Quelle

Zou C, et al. Mortality factor 4 like 1 protein mediates epithelial cell death in a mouse model of pneumonia. Sci Transl Med 2015;7: 311ra171

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.