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Die Seite 3
Wunsch und Wirklichkeit
Ich höre sie schon stöhnen – hier ein Kollege, dort eine Kollegin: Zwei Jahre nach dem „Perspektivpapier 2030“ jetzt schon wieder ein bedeutungsschwangeres „Paper“. Diesmal geht es um das Berufsbild des Apothekers. Die letzte Fassung stammt aus dem Jahr 2001. Obwohl hier und da ein wenig angestaubt, liest sie sich noch erstaunlich gut. Was nicht heißt, dass eine Überarbeitung nicht empfehlenswert sein könnte. Eine von der Bundesapothekerkammer einberufene Arbeitsgruppe mit Vertretern aus den verschiedenen Tätigkeitsbereichen des Apothekers hat dazu einen Vorschlag vorgelegt. Die Berufsöffentlichkeit ist eingeladen, ihn im Laufe des Monats November zu kommentieren und zu diskutieren (siehe www.berufsbild-apotheker.de).
Dass sich eine Berufsgruppe ein ausformuliertes Berufsbild verpasst und von Zeit zu Zeit aktualisiert, kann aus unterschiedlichen Gründen sinnvoll sein. Ein Berufsbild hat einerseits deskriptiven Charakter: Es beschreibt mögliche und faktische Bereiche, in denen Berufsangehörige kraft ihrer Ausbildung und kraft ihrer erworbenen Kompetenzen tätig sind bzw. tätig werden können. Solche Berufsfelder sind nicht in Stein gemeißelt. Sie entwickeln sich, getrieben von wissenschaftlichen und (gesundheits-)politischen Entwicklungen und Entscheidungen.
Andererseits darf ein Berufsbild auch normativen und appellativen Charakter haben. Es kommt ja nicht nur darauf an, was Berufsangehörige tun, es kommt auch darauf an, wie sie es tun und wie sie es tun sollten. Auch unser Berufsbild beschreibt also nicht nur, wo und wie wir tätig sind. Es versucht auch Antworten auf die Frage zu geben: „Wo wollen wir eigentlich hin?“ Wenn Wunsch und Wirklichkeit aufeinandertreffen, kann nicht erstaunen, dass Spannungen entstehen. Ein Berufsbild ist kein Wunschkonzert. Es braucht Bodenhaftung, wenn es ernst genommen werden soll. Es braucht genauso aber auch Mut zu Visionen – mit Zielen, die allerdings kurz- oder mittelfristig Chancen auf Umsetzung erkennen lassen. Versprechungen aus dem Wolkenkuckucksheim wären eher kontraproduktiv.
Die jetzt zur Diskussion gestellte Neufassung des Berufsbildes lehnt sich, was Aufbau und Inhalt angeht, stark an das noch gültige Berufsbild aus dem Jahre 2001 an. Nach einer Präambel werden die unterschiedlichen Bereiche, in denen Apotheker tätig sind und gebraucht werden, abgehandelt – von der öffentlichen Apotheke über die Krankenhausapotheke, die pharmazeutische Industrie etc. bis hin zur Universität. Aber es gibt Akzentverschiebungen. So zeigt schon die neue Präambel, dass im neuen Berufsbild die Patientenorientierung der Pharmazie stärker herausgestellt werden soll.
Auffällig ist ferner, dass die „Ethischen Grundsätze für Apothekerinnen und Apotheker“, die dem Berufsbild aus dem Jahr 2001 vorangestellt waren, in dem jetzt vorgelegten Entwurf fehlen. Das ist bedauerlich und sollte korrigiert werden. Auffällig ist auch, dass der neue Entwurf Apothekerinnen und Apotheker nicht nur als Heilberufler, sondern explizit auch als Angehörige eines Freien Berufs einordnet – also als Angehörige eines Berufs, der auf Basis einer besonderen fachlichen Qualität persönliche, eigenverantwortliche und fachlich unabhängige geistig-ideelle Leistungen erbringt, im Interesse seiner Patienten und im Interesse der Allgemeinheit. Ohne die dabei primär angesprochene Ärzteschaft je namentlich zu erwähnen wird mehrfach darauf hingewiesen, wie wichtig es ist, im „heilberuflichen Netzwerk“ zusammenzuarbeiten.
Die Bedeutung des (alten wie) neuen Berufsbildes für Apotheker sollte man weder über- noch unterschätzen. Papier ist geduldig. Bei optimistischer Betrachtung werden immerhin Orientierungsmarken gesetzt – für die Profession, aber auch für den Gesetz- und Verordnungsgeber und seine Reformvorhaben. Dass das im Zweifel wenig hilft, haben wir gerade wieder im Zusammenhang mit dem E-Health-Gesetz erlebt. Obwohl das Medikationsmanagement in der aktuellen Apothekenbetriebsordnung von 2012 explizit als pharmazeutische Tätigkeit erwähnt ist, sträubt sich der Gesundheitsminister hartnäckig, die Apotheker bei der Erstellung von Medikationsplänen einzubinden.
Honi soit qui mal y pense!
Dr. Klaus G. Brauer
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