Aus den Ländern

Resistenzen gegen Antibiotika

Fortbildung der Apothekerkammer Nordrhein für Senior-Pharmazeuten

Auf Einladung der Apothekerkammer Nordrhein trafen sich Ende Oktober über 220 Senior-Pharmazeuten in der Bundeskunsthalle in Bonn. Auf dem Programm standen ein berufspolitischer Bericht von Kammerpräsident Lutz Engelen und ein Fachvortrag von Prof. Dr. Marianne Abele-Horn zum Thema Antibiotikaresistenzen.

Mit Sorge berichtete Engelen, dass in Nordrhein seit Jahresbeginn 42 Apotheken aufgegeben haben, und machte dafür wirtschaftliche Gründe verantwortlich: Die Treuhand Hannover habe ermittelt, dass sich die für einen wirtschaftlichen Betrieb notwendigen Mindestumsätze angesichts steigender Kosten, aber gleichbleibender Honorierung deutlich nach oben verschoben haben.

Auf dem Deutschen Apothekertag habe die Rede des ABDA-Präsidenten Friedemann Schmidt bei den Delegierten eine positive Aufbruchsstimmung ­ausgelöst. Weniger angetan zeigte sich Engelen davon, dass – mit Ausnahme von BMG-Staatssekretär Lutz Stroppe – keine Bundespolitiker auf dem Apothekertag waren (und auch nicht auf dem gleichzeitig in Düsseldorf statt­gefundenen FIP-Kongress). Umso mehr würdigte Engelen die Präsenz und die Position der nordrhein-westfälischen Gesundheitsministerin Barbara Steffens, die eine stärkere Einbindung des Apothekers in den Medikationsplan als große Chance für chronisch kranke Menschen sah.

Rezepturprojekt und eHealth

Ferner berichtete Engelen über die Nachwuchs-Initiative der Kammer Nordrhein gegen den Personalmangel in Apotheken und über das neue Rezepturprojekt der Kammer, das im ­April 2016 mit einer jeweils vierstündigen Schulung („Team Coaching“) in den Apotheken vor Ort beginnen soll. Dem Präsidium und dem Vorstand der Apothekerkammer Nordrhein ist es ein wichtiges Anliegen, die Apothekenleiter und ihre pharmazeutischen Mitarbeiter für die Bedeutung der Rezeptur als Alleinstellungsmerkmal und unverzichtbare Schlüsselkompetenz jeder öffentlichen Apotheke und jeder Krankenhausapotheke zu sensibilisieren.

In der sich anschließenden Diskussion begrüßten die Senior-Pharmazeuten das Rezepturprojekt. So wurde angeregt, in jeder Apotheke einen Rezeptur­verantwortlichen zu benennen, der koordinierend und nach dem Vier-Augen-Prinzip auch kontrollierend tätig ist. Ferner kritisierten sie den E‑Health-Gesetzentwurf wegen der unzureichenden Einbindung der Apotheker. Darauf berichtete Engelen von der neuen, im April eingesetzten Abteilung IT‑Strategie der ABDA, für deren Aufbau auch er sich aufgrund der beson­deren Erfahrung der Nordrheiner mit Projekten zur Telemedizin eingesetzt habe. Diese Abteilung soll die stärkere Einbindung des Apothekers in den Medikationsplan und das Medikations­management unterstützen und vorantreiben.

Foto: privat

Prof. Dr. Marianne Abele-Horn

Antibiotika: ein therapeutisches „Wunder“ …

Prof. Dr. Marianne Abele-Horn, Ärztin, Apothekerin und Vorsitzende der Kommission Antiinfektiva, Resistenz und Therapie beim Robert Koch-Institut (RKI), startete ihren Vortrag mit einem historischen Überblick über den Siegeszug der Antibiotika. Zuerst schilderte sie, wie Alexander Fleming eher zufällig das Penicillin entdeckte.

Dann veranschaulichte sie anhand einer Grafik das „Wunder der Anti­biotika“, nämlich die durch diese neue Wirkstoffgruppe erheblich gestiegene Lebenserwartung in den vergangenen Jahrzehnten (im Zusammenspiel mit der verbesserten Hygiene und den Impfungen gegen Infektionskrank­heiten).

Doch schon bald nach der Entdeckung des Penicillins wurden die ersten Fälle von Resistenz beobachtet, was sich bei fast allen später entwickelten Antibiotika wiederholte.

… mit heftigen Problemen

Als die „Big Five“ der (multi-)resistenten Problemkeime bezeichnete Abele-Horn

  • den Methicillin-resistenten Staphylococcus aureus (MRSA),
  • Vancomycin-resistente Enterokokken (VRE),
  • Enterobakterien, die Breitspektrum-β-Lactamasen (ESBL) produzieren (Stämme von E. coli, Klebsiellen, Salmonellen u. a.),
  • Acinetobacter baumannii und
  • Pseudomonas aeruginosa.

Bei MRSA-Infektionen wird unterschieden, ob sich der Patient im Krankenhaus oder in der Stadt oder bei Masttieren infiziert hat (hospital ac­quired, HA bzw. community acquired, CA bzw. livestock associated, LA). Die CA‑MRSA-Stämme, deren Infektionen in fast 75 Prozent der Fälle die Haut und das Weichgewebe betreffen, sind weniger resistent als die anderen.

Bei den VRE unterscheidet man die ­Typen vanA (Resistenz gegen Vancomycin und Teicoplanin) und vanB (Resistenz gegen Vancomycin, nicht gegen Teicoplanin). Fallweise mehr oder weniger effektiv sind die Reserveantibiotika Linezolid, Tigecyclin und Daptomycin. Deutschland zählt zu den Ländern mit der höchsten VRE-Prävalenz in Europa. Enterokokken überdauern sehr gut in der Umwelt und werden auch mit der Nahrung aufgenommen.

Ergänzend zu den ESBL-produzierenden Enterobakterien erwähnte Abele-Horn Stämme, die die Carbapenemase NDM-1 produzieren und gegen fast ­alle Antibiotika resistent sind (NDM = New Delhi Metallo-β‑Lactamase). Sie wurden erstmals 2008 in Indien isoliert und haben sich von dort in mindestens 27 Länder ausgebreitet.

Abschließend appellierte Abele-Horn, Antibiotika adäquat anzuwenden, und zitierte aus einem Statement der WHO von 2000: „Our grandparents lived in an age without antibiotics. So could our grandchildren.“ |


Website: www.rki.de > Infektionsschutz > Antibiotikaresistenz

Dr. Sabine Viefhues/cae


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