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Beratung
Gut beraten bei Ohrenschmerzen
Was tun und was lassen
Am häufigsten werden Ohrenschmerzen durch virale oder bakterielle Infektionen ausgelöst. Otalgien können aber auch verletzungsbedingte, neurogene oder neoplastische Ursachen haben. Daher steht bei der Beratung die Abklärung der möglichen Ursache an erster Stelle.
Folgendes sollte gemäß der Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin erfragt werden:
- Beginn, Dauer, Stärke und Verlauf der Symptome (Schmerzqualität, Fieber, allgemeines Krankheitsgefühl)
- Hörminderung, Ohrgeräusche, Schwindel, Ausfluss aus dem Ohr
- vorhergehende Infektion der Atemwege, vorhergehende Behandlungen, frühere Ohrbeschwerden
- bekannte Begleit- und Grunderkrankungen
- bei Erwachsenen: Frage nach Erklärung für ihre Beschwerden
- bei (Klein-)Kindern: Fieber, Husten, Schnupfen, Appetit-losigkeit, Unruhe und Reizbarkeit
Immer dann, wenn Ohrenschmerzen nach wenigen Tagen nicht verschwunden sind, mit hohem Fieber oder deutlicher Hörminderung einhergehen oder häufig wiederkehren, sollte eine ärztliche Abklärung stattfinden.
Akute Otitis media
Eine besonders häufige Ursache für Ohrenschmerzen ist die akute Otitis media (AOM, Mittelohrentzündung), die vor allem bei Babys und Kleinkindern auftritt. Diese schmerzhafte Entzündung der Schleimhäute des Mittelohres mit eitrigem Exsudat ist oft auf eine aufsteigende Infektion der Atemwege zurückzuführen. Typische Symptome sind plötzlich einsetzende, heftige Ohrenschmerzen, die häufig mit Fieber und Weinerlichkeit der Kinder einhergehen. Auch Hörstörungen und Schwindel können auftreten. Babys und Kleinkinder sollten bei Verdacht auf Ohrenschmerzen immer einem Arzt vorgestellt werden. Denn nur durch eine Otoskopie kann der Arzt beurteilen, ob es sich tatsächlich um eine akute Otitis media handelt oder beispielsweise Fremdkörper (Spielzeugteile, Nüsse, Hülsenfrüchte etc.) im Ohr für die Schmerzen verantwortlich sind. Ein gerötetes Trommelfell, das nach außen vorgewölbt, starr und undurchsichtig ist, lässt hingegen eine akute Mittelohrentzündung vermuten.
Therapie der akuten Otitis media
Die Therapie der akuten Otitis media erfolgt zunächst Symptom-orientiert: Zur Analgesie werden systemisch Ibuprofen oder Paracetamol gegeben. Ibuprofen ist wegen der zusätzlichen entzündungshemmenden Wirkung dem Paracetamol geringfügig überlegen. Allerdings stehen für Säuglinge unter sechs Monaten keine geeigneten Ibuprofen-Präparate zur Verfügung, sodass in diesem Alter nur Paracetamol-Suppositorien infrage kommen.
Schmerzstillende Ohrentropfen, die beispielsweise Procain und Phenazon (Otalgan® Ohrentropfen) enthalten, sollten nicht angewendet werden, ehe ein ärztlicher Rat eingeholt wurde. Sie erschweren die otoskopische Beurteilung des Trommelfells. Zudem sind diese bei perforiertem Trommelfell kontraindiziert.
Für die Anwendung von abschwellenden Nasentropfen bzw. Nasensprays gibt es zwar keine kontrollierten Studien, allerdings ist diese bei Säuglingen und Kleinkindern häufig sinnvoll. Bei gleichzeitig vorliegender Rhinitis führt die Abschwellung der Nasenschleimhaut oft zu einer besseren Nasenatmung. Da Kinder überwiegend durch die Nase atmen, kann eine ausreichende Flüssigkeitsaufnahme bei guter Nasenbelüftung leichter sichergestellt werden. Dies ist gerade bei Fieber wichtig für eine rasche Gesundung. Die abschwellenden Nasentropfen/-sprays sollten maximal dreimal täglich und nicht länger als sieben Tage angewendet werden.
Da die Spontanheilungsrate der akuten Otitis media innerhalb von 24 Stunden bei 66% liegt, wird bei guter Aufklärung der Eltern zunehmend auf ein „wait and watch“ gesetzt. Das heißt, es wird ein Rezept über ein Antibiotikum ausgestellt, die sofortige Anwendung jedoch nicht empfohlen. Erst wenn die Beschwerden länger als 48 Stunden bestehen, ist das Antibiotikum indiziert. Als Wirkstoffe werden vor allem Amoxicillin und orale Cephalosporine der Gruppe 2 (z. B. Cefuroximaxetil, Cefixim) eingesetzt (siehe Tabelle). Werden diese nicht vertragen, kann auch Erythromycin gegeben werden. Bei Patienten, die ein erhöhtes Risiko für schwere Verläufe haben, sollte mit der Antibiotika-Therapie allerdings nicht abgewartet werden. Dies sind insbesondere Kleinkinder unter 24 Monaten mit beidseitiger akuter Mittelohrenzündung, Patienten mit rezidivierenden Infekten sowie Betroffene mit schlechtem Allgemeinbefinden (hohes Fieber, anhaltendes Erbrechen oder Durchfall etc.).
Zur Vorbeugung einer akuten Otitis media können immunmodulierende Effekte von Probiotika genutzt werden. So zeigte eine finnische Studie mit 571 Kindergartenkindern, dass die sechsmonatige Anreicherung von Milch mit Lactobacillus GG zu einer signifikanten Reduktion von Mittelohrentzündungen und Atemwegsinfektionen führte.
Analgetika |
Paracetamol |
maximal 60 mg/kg Körpergewicht/Tag
(entspricht drei- bis viermal 10 bis 15 mg/kg Körpergewicht/Tag)
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Ibuprofen |
maximal 20 bis 30 mg/kg Körpergewicht/Tag
(verteilt auf drei bis vier Gaben pro Tag)
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Antibiotika |
Amoxicillin (1. Wahl) |
50 mg/kg Körpergewicht/Tag
(zwei bis drei Einzeldosen über sieben Tage)
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Cefuroximaxetil (oder anderes orales Cephalosporin der Gruppe 2) |
20 bis 30 mg/kg Körpergewicht/Tag |
Otitis externa
Während bei Säuglingen und Kleinkindern die akute Otitis media häufig Ohrenschmerzen verursacht, ist es bei Jugendlichen und Erwachsenen eher die Otitis externa. Die Entzündung des äußeren Gehörgangs kommt gehäuft nach Schwimmbadbesuchen und aufgrund von Mikrotraumen (z. B. durch Wattestäbchen) vor. Da ein feucht-warmes Milieu die Entstehung einer Otitis externa begünstigt, sind Schwimmer und Personen, die regelmäßig In-Ohr-Kopfhörer, Ohrenstöpsel oder Hörgeräte tragen, besonders oft betroffen. Typische Symptome bei Otitis externa sind Schmerzen beim Zugmanöver an der Ohrmuschel sowie ein Tragus-Druckschmerz – also Schmerzen bei Druck auf die knorpelige Erhebung der Ohrmuschel vor der äußeren Gehörgangsöffnung. Der äußere Gehörgang ist gerötet und berührungsempfindlich, teils auch zugeschwollen. Die Entzündung des äußeren Gehörgangs wird vor allem durch Bakterien, Pilze und Allergien (z. B. gegen Haarwaschmittel) hervorgerufen.
Therapie der Otitis externa
Im Gegensatz zur Otitis media heilt eine Otitis externa nur in 15% der Fälle spontan ab. Ein Besuch eines Hals-Nasen-Ohren-Arztes ist daher meist ratsam. Die erste therapeutische Maßnahme bei einer Otitis externa ist die gründliche Reinigung des äußeren Gehörgangs. Am besten eignet sich hierfür eine otoskopische Absaugung. Anschließend wird der Gehörgang mit Corticosteroid-haltigen Externa ausgepinselt. Zur Behandlung der Entzündung werden anschließend ebenfalls Corticosteroid-haltige Ohrentropfen angewendet (z. B. Otobacid® N Ohrentropfen). Wenn der Verdacht besteht, dass die Entzündung durch Bakterien ausgelöst wurde, wird mit einer Kombination aus Glucocorticoid und Antibiotikum lokal therapiert (z. B. Cilodex® Ohrentropfen mit Ciprofloxacin und Dexamethason).
Ohrentropfen – richtig anwenden
Damit die Ohrentropfen richtig wirken können, ist die korrekte Anwendung wichtig. Im Idealfall werden diese von einer zweiten Person dem Patienten ins Ohr getropft. Am angenehmsten gestaltet sich die Anwendung, wenn die Ohrentropfen zunächst in der Hand angewärmt werden und sich der Patient bequem seitlich hinlegen kann. So kann die die zweite Person das Ohr leicht nach hinten ziehen, um den Gehörgang zu begradigen, und die Ohrentropfen dann ins Ohr abzählen. Der Patient sollte noch wenigstens fünf Minuten auf der Seite liegen bleiben, sodass sich die Ohrentropfen gut im Ohr verteilen können. Bei Bedarf kann anschließend das andere Ohr behandelt werden.
Otitis externa vorbeugen
Da Schwimmer besonders häufig von einer Otitis externa betroffen sind, empfiehlt sich für sie prophylaktisch aktiv zu werden. So können spezielle Ohrenstöpsel das Eindringen von Wasser ins Ohr verhindern (z. B. BioEars®, Ohropax® Silicon Aqua, Sanohra® swim). Falls der äußere Gehörgang nach dem Baden doch feucht ist, kann dieser mit einem Fön sanft getrocknet werden. Die Anwendung von Wattestäbchen sollte besser unterbleiben, da durch Wattestäbchen die feinen Härchen im Ohr bei ihrer Schutz- und Reinigungsfunktion gestört werden und vorhandenes Ohrenschmalz oft nur noch tiefer in den Gehörgang gedrückt wird. Zum Trocknen der Ohren gibt es auch Schaumstoff-Ohrstöpsel, die nach dem Schwimmen ins Ohr gesteckt werden und die das Wasser im Ohr aufsaugen (ClearEars®). Vor allem für einen Tauchurlaub sind außerdem Ohrentropfen, die den natürlichen Säureschutz im Gehörgang erhalten, zur Prophylaxe der Otitis externa empfehlenswert (z. B. Otosan®, AuriPur®).
Ohrenschmerzen – Notfall am Wochenende
Gerade wenn Schulkinder oder Erwachsene am Freitagnachmittag oder Samstag Ohrenschmerzen entwickeln, wird die Apotheke einer Bereitschaftspraxis vorgezogen. In vielen Fällen kann mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln das Wochenende überbrückt werden. Die Schmerzen lassen sich mit Paracetamol oder Ibuprofen lindern. Eltern greifen außerdem gerne zu homöopathischen Präparaten, auch wenn diese keinen Eingang in Leitlinien gefunden haben. Da Ohrentropfen generell die Diagnosestellung durch einen Arzt erschweren und häufig bei perforiertem Trommelfell nicht angewendet werden sollen, sind sie für die Selbstmedikation wenig geeignet. Hingegen können Homöopathika wie Levisticum E Radice Globuli® oder Otovowen® Tropfen bei Verdacht auf eine Mittelohrentzündung peroral gegeben werden. Bei nur leichten Beschwerden kann versucht werden, durch Wärme (warme Auflagen, Rotlicht) Linderung zu verschaffen. Bei einer akuten Entzündung oder starken Schmerzen sollte allerdings Wärme vermieden werden.
Ohrenschmerzen durch Fremdkörper
Bei Kleinkindern werden Ohrenschmerzen in circa 23% der Fälle durch Fremdkörper im Ohr verursacht. Folglich sollten Säuglinge und Kleinkinder mit Symptomen wie Fieber, Weinerlichkeit und Sich-ans-Ohr-fassen immer einem Arzt vorgestellt werden. Dieser kann dann auch Fremdkörper wie Spielzeugteile, Nüsse oder Hülsenfrüchte entfernen. Bei Erwachsenen finden sich als Fremdkörper, die Ohrenschmerzen verursachen, eher Wattereste oder Insekten. Auch voluminöse Cerumen-Pfropfen können zu Ohrenschmerzen führen. Fremdkörper sollten rasch und atraumatisch entfernt werden (siehe DAZ 2015, Nr. 34, S. 32 – 35 „Ganz Ohr sein – mit der richtigen Ohrenhygiene“). Dies kann durch eine Spülung oder eine otoskopische Absaugung erfolgen. Wenn ein Cerumen-Pfropf die Symptome verursacht, wird zunächst ein Cerumen-Erweicher über fünf Tage angewendet (z. B. Cerumenex® N, Otowaxol®). Wenn dies nicht zum gewünschten Erfolg führt, kann vom Arzt eine Spülung oder otoskopische Absaugung vorgenommen werden.
Fazit
Ohrenschmerzen werden bei Säuglingen und Kleinkindern häufig durch eine akute Otitis media ausgelöst. Bei Jugendlichen und Erwachsenen ist öfter die Otitis externa ursächlich verantwortlich. Obwohl man schnell geneigt ist, Ohrenschmerzen mit Ohrentropfen zu behandeln, eignen sie sich kaum für die Selbstmedikation. Ohrentropfen erschweren die otoskopische Untersuchung und somit die Diagnosestellung durch den Arzt und sind bei perforiertem Trommelfell häufig kontraindiziert. In der Selbstmedikation sind daher Analgetika wie Paracetamol und Ibuprofen Mittel der Wahl. Unterstützend können Nasensprays und homöopathische Arzneimittel angewendet werden.
Insbesondere bei Säuglingen und Kleinkindern sowie bei Verdacht auf eine Otitis externa ist ein Arztbesuch anzuraten. Bei einer otoskopischen Untersuchung können Fremdkörper oder bakterielle Entzündungen als Ursache erkannt werden. Bei der Verordnung von Ohrentropfen sollten in der Apotheke wichtige Hinweise zur angenehmen Anwendung gegeben werden. |
Literatur
Ohrenschmerzen. S2k-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin e. V. DEGAM-Leitlinie Nr. 7, aktualisierte Fassung 2014, AWMF-Registernr. 053/009
Fachinformationen der Hersteller
Mittelohrentzündung. Themen von A bis Z. Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG), www.gesundheitsinformation.de
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