Arzneimittel und Therapie

Mit Phytopharmaka gegen Reizdarm

Pflanzliche Arzneistoffe mit Evidenz

Verdauungsbeschwerden unterschiedlicher Ursache sind für viele Patienten ein häufiger Grund, um in der Apotheke Rat zu suchen. Für eine Reihe dieser Beschwerden stehen phytotherapeutische Alternativen zur Verfügung, insbesondere zur Behandlung von Symptomen des sogenannten Reizdarmsyndroms. Sie werden auch von einer aktuellen Leitlinie empfohlen.

Laut der S3-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten und der Deutschen Gesellschaft für Neurogastroenterologie und Motilität liegt ein Reizdarmsyndrom vor, wenn folgende drei Punkte erfüllt sind:

  • chronische, d. h. länger als 3 Monate anhaltende Beschwerden (z. B. Bauchschmerzen, Blähungen, Übelkeit), die in der Regel mit Stuhlgangsveränderungen einhergehen
  • relevante Beeinträchtigung der Lebensqualität und
  • Ausschluss anderer Erkrankungen als Ursache der Beschwerden.

Hinsichtlich der Stuhlgangsveränderungen unterscheidet man drei Untergruppen, eine Diarrhö-dominante, eine Obstipations-dominante und eine gemischte bzw. alternierende, die jeweils etwa 1/3 der Fälle umfassen. Die Prävalenz des Reizdarmsyndroms lässt sich trotz verschiedener Studien nur schätzen und könnte bei 5 bis 10% liegen.

Foto: photophonie - Fotolia.com

Flohsamen

Insbesondere bei Patienten mit vorwiegend obstipativen Symptomen können Flohsamen (meist Plantago ovata = Indische Flohsamen, ganz oder als Flohsamenschalen verfügbar) eingesetzt werden. Diese enthalten 20 bis 30% Schleimstoffe, die überwiegend in der Samenschale lokalisiert sind, und besitzen einen dualen Wirkmechanismus. Einerseits wirken sie durch Quellung laxierend, anderseits können sie durch Bindung von Wasser antidiarrhoisch wirken, außerdem sind sie mukoprotektiv und binden toxische Substanzen. Dieses komplexe Wirkprofil rechtfertigt daher durchaus auch Behandlungsversuche bei Patienten vom Diarrhö-Typ bzw. vom Schmerz-Typ. Die Wirksamkeit von Flohsamen beim Reizdarmsyndrom ist durch mehrere kleinere Studien belegt. Flohsamen/-schalen werden lose oder auch in Form von Fertigarzneimitteln (z. B. Mukofalk®, Metamucil®) angeboten. Sie sind für Schwangere und Stillende geeignet, eine Anwendung bei Kindern unter 12 Jahren sollte aufgrund fehlender Daten und Wirksamkeitsbelege nicht erfolgen. Nicht geeignet sind sie wegen ihres Einflusses auf die Kohlenhydratresorption auch für schwer einstellbare Diabetiker. Die Droge muss in Wasser aufgeschlämmt werden, anschließend sollte mindestens noch ein Glas Flüssigkeit hinterher getrunken werden. Flohsamen und -schalen dürfen nie trocken eingenommen werden, sonst besteht die Gefahr eines Darmverschlusses. Zu Beginn der Behandlung können vermehrt Blähungen auftreten, so dass mit einer niedrigeren Dosierung begonnen werden sollte, mittlere Tagesdosen sind für Indische Flohsamen 12 bis 40 g und für Schalen 4 bis 20 g. Wegen einer möglichen Resorptionsbeeinträchtigung sollten andere Medikamente mit einem Abstand von 30 bis 60 min einge­nommen werden, bei Diabetikern muss evtl. die Insulindosis angepasst werden.

Kümmel- und Pfefferminzöl

Für Patienten, bei denen eher die Symptome Schmerz, Blähungen und Flatulenz im Vordergrund stehen, eignen sich pflanzliche Spasmolytika wie Pfefferminz- oder Kümmelöl (Pfefferminzöl z. B. in Divalol® Tropfen, eine Kombination aus 90 mg Pfefferminz- und 50 mg Kümmelöl z. B. in Carmenthin® magensaftresistenten Weichkapseln). Eine Metaanalyse zu verschiedenen klinischen Studien mit Pfefferminzöl-Monopräparaten konnte einen leichten Vorteil gegenüber Placebo bestätigen, und auch zu einer Kombination aus Pfefferminzöl und Kümmelöl existieren verschiedene kleinere Studien, die bei einer Einnahme von 2 x 1 Kapsel am Tag eine Wirksamkeit bei funktionellen dyspeptischen Beschwerden zeigen konnten. Aufgrund mangelnder Erfahrungen sind derartige Präparate nicht für Kinder unter 12 Jahren geeignet, die Anwendung während Schwangerschaft und Stillzeit ist möglich.

Bittere Schleifenblume und Co.

Ein weiteres pflanzliches Kombinationspräparat, dessen Wirksamkeit in mehreren klinischen Studien belegt werden konnte, ist der Extrakt STW 5 (Iberogast®). Der Extrakt enthält einen alkoholischen Frischpflanzenauszug aus der bitteren Schleifenblume (Iberis amara) und alkoholische Drogenauszüge aus Angelikawurzel, Kamillenblüten, Kümmelfrüchten, Mariendistelfrüchten, Melissenblättern, Pfefferminzblättern, Schöllkraut und Süßholzwurzel. Für die einzelnen Bestandteile wurden u. a. spasmolytische, entzündungshemmende, prokinetische und mukoprotektive Effekte nachgewiesen. Therapieversuche mit dreimal täglich 20 Tropfen können bei allen Formen des Reizdarmsyndroms unternommen werden. Das Präparat ist für Kinder ab drei Jahren geeignet, vor einer möglichen Einnahme während Schwangerschaft oder Stillzeit sollte Rücksprache mit einem Arzt gehalten werden, hierbei ist sicherlich auch zu bedenken, dass die Tropfen 31% Alkohol enthalten.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass zur Linderung verschiedener Symptome des Reizdarmsyndroms pflanzliche Präparate zur Verfügung stehen, für die in klinischen Studien eine Wirksamkeit gezeigt werden konnte. Dennoch sollten Patienten, die erstmals mit unklaren gastrointestinalen Symptomen in der Apotheke Rat suchen, zunächst der Gang zum Arzt nahegelegt werden, um ernste Ursachen der Beschwerden wie Ulzera, entzündliche Darmerkrankungen, Karzinome oder Lebensmittelunverträglichkeiten wie Zöliakie diagnostisch auszuschließen. |

Quellen

Layer P et al. S3-Leitlinie zur Definition, Pathophysiologie, Diagnostik und Therapie des Reizdarmsyndroms. Zeitschrift für Gastroenterologie 2011;49:237–293.

Bijkerk CJ et al. Systematic review: the role of different types of fibre in the treatment of irritable bowel syndrome. Alimentary Pharmacology and Therapeutics 2004;19:245–251.

Pittler MH, Ernst E, Peppermint oil for irritable bowl syndrome: A critical review and metaanalysis. American Journal of Gastroenterology 1998;93:1131-1135.

Holtmann G et al. Effects of a fixed peppermint oil caraway oil combination (PCC) on symptoms and quality of life in functional dyspepsia. Gastroenterology 2000; 120 (5. Suppl. 1): 36.

Ottillinger B et al. STW 5 (Iberogast®) – a safe and effective standard in the treatment of functional gastrointestinal disorders. Wiener Medizinische Wochenschrift 2013;163:65-72.

PD Dr. Kristina Jenett-Siems

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.