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Prävention auf Tour
Wie Apotheker Christian Koch mit einem Wohnmobil auf Präventionstour geht
Vorbeugung, etwas Gutes für die Gesundheit tun, Krankheiten erst gar nicht entstehen lassen, gesundheitliche Risikofaktoren erkennen, verringern und vermeiden – alles, was mit Prävention zu tun hat, fasziniert Apotheker Christian Koch schon seit vielen Jahren. Als er 2007 seine Linden-Apotheke in Wölfersheim gründete, lag es für ihn daher nahe, seine Apotheke als Präventions- und Dienstleistungszentrum aufzustellen. Aber: Prävention, Apotheke, Wölfersheim – wie geht das zusammen und kann das erfolgreich sein? Wölfersheim, eine kleine Gemeinde mit rund 10.000 Einwohnern, verteilt auf fünf Ortsteile, liegt inmitten der Wetterau, zwischen Vogelsberg und Taunus, ca. 40 km nördlich von Frankfurt in der Rhein-Main-Region – um hier mit Prävention zu punkten, muss man sich mehr einfallen lassen, als nur Blutdruckmessen in der Apotheke: „Es war mir von Anfang an klar, meine Apotheke als Präventions- und Dienstleistungszentrum aufzustellen. Ich hatte damals schon den Gedanken, mehr anzubieten als nur die Blutdruck- oder Cholesterinmessung“, erinnert sich Koch.
Die etwas andere Apotheke
Es gibt sie, die Apothekenleiter, die eine besondere Philosophie haben, die außergewöhnliche Idee verwirklichen. In unserer Rubrik „Die etwas andere Apotheke“ stellen wir solche Apotheken, solche Apothekeninhaber vor. Dieses Mal besuchten wir die Linden-Apotheke im Gesundheitsforum in Wölfersheim. Apotheker Christian Koch engagiert sich für die Prävention mit seinem Konzept der Präventour.
Das Problem für eine Apotheke, die sich in der Prävention engagieren will: Das Hauptklientel der Apotheke sind Menschen, die bereits krank sind oder eine gesundheitliche Störung haben. Aber, wie macht eine Apotheke die Gesunden auf Prävention aufmerksam? Die logische Konsequenz für Koch: raus aus der Apotheke – aber wie? „Mir fehlte im wahrsten Sinn des Wortes das Vehikel, nach draußen zu gehen – so kam ich auf die Idee mit dem Wohnmobil.“
Mit diesem Gedanken im Kopf kam der Zufall zu Hilfe: Er fand ein wenig benutztes und geräumiges Wohnmobil, das für seine Idee groß genug und bezahlbar war. „Ich kannte mich mit Wohnmobilen überhaupt nicht aus“, gesteht er, „aber ich habe verglichen, mich schlau gemacht, es mal zur Probe gemietet und dann gekauft.“ Er passte die Technik des Wohnmobils an seine Vorstellungen an. Dafür musste in erster Linie die Stromversorgung verbessert werden: Vorgabe war, ohne externe Stromzufuhr genügend Energie für zwei Tage an Bord zu haben, um Laptop und Geräte für Vorsorge-Checks betreiben zu können. Er ließ eine ausreichend große Brennstoffzelle einbauen und Solarmodule auf dem Dach installieren. Und er taufte es „Präventomobil“, ließ Logo und Schriftzug aufs Gefährt aufbringen.
Als er es vor der Apotheke parkte, musste er sich anfangs von seinen Kunden schon ein paar Bemerkungen gefallen lassen: „Na, Herr Apotheker, geht’s schon wieder in Urlaub?“ – „Vermutlich nett gemeint“, schmunzelt Koch, „aber ich habe mich dadurch nicht abbringen lassen“ und er fügt hinzu: „Ich bin damit kein einziges Mal in Urlaub gefahren!“
Ein Präventomobil alleine macht allerdings noch keinen Sinn. „Eigentlich stand die Anschaffung des Wohnmobils am Ende einer über zweijährigen Vorbereitungszeit. Um gute Präventionsarbeit zu leisten, kommt es auf die Inhalte an“, dämpft Koch voreilige Gedanken, das Konzept sei leicht auf die Beine zu stellen. Seine Überlegungen im Vorfeld: Wen will ich erreichen, wen will ich ansprechen und welche Präventionsinhalte können vermittelt werden. „Bevor wir das erste Mal raus konnten, war viel Vorarbeit zu leisten, um das Konzept professionell auszugestalten und mit Leben zu füllen. Wir mussten Fragebogen ausarbeiten und gestalten, wir mussten uns überlegen, welche Checks und Präventionsmöglichkeiten machbar sind – Ziel ist es, valide Ergebnisse zu bekommen“, so Koch. „Nur ein paar Checks anzubieten, hier ein bisschen Blutdruck zu messen, dort den Cholesterinwert zu bestimmen – damit ist es beileibe nicht getan.“
Apotheker Koch stellt sich also nicht auf den Marktplatz kleinerer Städte und wartet, bis ein Kunde an die Tür des Wohnmobils klopft. Und er ist ganz bestimmt nicht die rollende Apotheke, die noch vor einigen Monaten durch Politiker- und andere Köpfe geisterte. Er wendet sich vielmehr an kleinere Betriebe, Firmen oder Stadtverwaltungen, um ihnen Präventionsleistungen für die Mitarbeiter anzubieten. „Solche Firmenaufträge finden nicht selten im Rahmen eines Gesundheitstages statt, wobei wir heute selbst für Firmen einen solchen Tag gestalten können“, erklärt Koch seine Vorgehensweise. „Oder wir werden für ausgewählte Präventionsthemen gebucht, z. B. von einer Firma, deren Beschäftigte mehrheitlich unter bestimmten Krankheiten leiden. Hier können wir individuelle Pakete mit Checks schnüren und anbieten, z. B. fürs Stressmanagement, zur Ernährungsberatung, zur Gewichtsreduktion.“ Sein erster Kontakt lief interessanterweise über eine Krankenkasse, die Knappschaft, die auf ihn zukam, da sie gehört hatte, er habe zum Thema Stressbewältigung eine besondere Messmethode: „Diese Krankenkasse gestaltete in einem Betrieb einen Gesundheitstag vor Ort und präsentierte uns als Partner.“
Betriebliches Gesundheitsmanagement ist mittlerweile in aller Munde. Es gibt zahlreiche Unternehmen, die hier schon gut aufgestellt sind. „Daher muss man klar kommunizieren, wo man seine Stärken hat, was es dem Unternehmen und den Mitarbeitern bringt“, erklärt Koch seinen Anspruch. „Uns ist es wichtig, den ganzheitlichen, nachhaltigen Aspekt in den Vordergrund zu bringen – im Unterschied zu anderen Anbietern, z. B. den Krankenkassen, die auch Check-ups anbieten, kostenfrei, um Mitglieder zu werben. Da werden dann in zehn Minuten fünf verschiedene Bluttests gemacht, ohne Kommentar dazu – das ist allerdings ein komplett anderer Ansatz als der unsrige.“
Wie eine Präventour abläuft
Koch fährt meistens gemeinsam mit seiner Mitarbeiterin, Apothekerin Sigrun Klingelhöfer, die zudem Heilpraktikerin für Psychotherapie ist, zu den Firmen. „So können wir zu zweit parallel arbeiten und pro Tag etwa 20 bis 25 Personen screenen.“ In der Regel ist das Präventomobil einen ganzen Tag vor Ort. „Idealerweise läuft unser Besuch in den Firmen so ab, dass wir unser Präventomobil in den Firmenhof stellen, dort die Einzelgespräche, Checks und Messungen vornehmen, und die Firma uns zusätzlich einen Raum zur Verfügung stellt, im dem wir für alle Interessierten einen Vortrag zu Präventionsthemen abhalten können.“ Der Präventionstag beginnt meist mit einem Vortrag, je nach Betrieb kann der Beginn auch schon mal um 7:30 Uhr sein. „Wir nehmen hier zunächst Grunderkrankungen und Lebensstilfaktoren auf und erfassen die Medikation“, berichtet Koch. Danach folgen die Einzel-Checks im Präventomobil. „Als Basis unserer Präventionsleistung dient meist unser Quick-Check, weil er aus unserer Sicht als Erst-Screening ideal ist“, erläutert Koch sein Programm. Sein Quick-Check setzt sich aus folgenden Komponenten zusammen: An erster Stelle steht eine Vit-A-Meter-Analyse, „das ist ein von uns kreierter ausführlicher Fragebogen“, erklärt Koch. Es folgt eine Blutdruck-Messung zu Beginn und am Ende des Gesprächs nach 45 Minuten. Damit will er den Menschen zeigen, wie unterschiedlich der Blutdruck sein kann. „Dann messen wir die Herzraten-Variabilität, eine Messung, für die ich mich besonders habe schulen lassen. Mein Anspruch ist es, den Menschen nähere Erklärungen dazu zu geben und sie nicht mit den Werten alleine zu lassen.“ Zum Quick-Check gehören auch ein Säure-Base-Check, die Messung des Körperfetts mit der Infrarot-Methode, die Bestimmung des Bauchumfangs, des Grundumsatzes und des BMI-Werts sowie ein Medikations-Check. Seine Maxime bei allen Tests und Checks ist Qualität. So setzt er nur hochwertige Messgeräte ein, zum Beispiel ein Infrarot-Messgerät zur Messung des Körperfetts, wie er besonders hervorhebt.
„Schon während des Gesprächs machen wir dem Kunden Vorschläge, welche Stellschräubchen er in seinem Leben verändern sollte.“ Etwa vier bis fünf Wochen nach den Checks erhalten die Kunden eine detaillierte schriftliche Auswertung an die Hand, die durchaus zwei, drei Seiten umfasst. „Wir haben einen Präventionsscore entwickelt, der nach Art eines Ampelsystems funktioniert. So können wir dem Kunden leicht einprägsam zeigen: Du stehst heute im Bereich leicht gelb mit fünf Präventionspunkten. Wenn du dies oder jenes noch veränderst, kommst du sogar in den grünen Bereich. Ziel ist es, alltagstaugliche Hinweise zu geben: Was kann man am Arbeitsplatz verändern, wie kann man Pausen besser nutzen, Ernährungsgewohnheiten, usw. Oft sind es die Kleinigkeiten, die den Mitarbeitern nicht bewusst sind“, weiß Koch.
Zur Leistung der Präventour gehört auch, dass der Beauftragte für das gesundheitliche Betriebsmanagement der jeweiligen Firma eine anonymisierte Zusammenfassung der Ergebnisse erhält, aus der hervorgeht, in welchem Bereich die Mitarbeiter liegen. „Wir machen außerdem Verbesserungsvorschläge, z. B. in Richtung besseres Stressmanagement“, so Koch. „Mit dieser Botschaft gehen wir in Gespräche mit der Personalabteilung, ob und wie es weitergehen soll. In den allermeisten Fällen buchen die Betriebe danach Workshops bei uns, das heißt, wir gehen zu einem späteren Termin wieder in die Betriebe, halten Workshops zu bestimmten Fragestellungen rund um die Krankheitsvorbeugung.“
Was die Präventour bringt
Gut anderthalb Jahre ist Koch bereits „auf Tour“, das erste Mal war er im Spätherbst 2013 mit seinem Präventomobil auf Achse. Was kommt unterm Strich dabei raus? Lohnt sich eigentlich der Aufwand, den er mit Präventour und seinem Präventomobil auf sich genommen hat? „Ideell auf jeden Fall“, zeigt sich Koch zufrieden, „jeder Auftrag gibt uns enorm viel Kraft und Bestätigung. Wir können den Menschen so viel mitgeben – da bekomm ich schon Gänsehaut, wenn ich darüber spreche. Die Leute sind so dankbar für die Ratschläge und Tipps, man glaubt es gar nicht. Das habe ich so nicht erwartet. Genauso wenig habe ich die Offenheit erwartet, mit der die Mitarbeiter der Betriebe auf uns zukommen und mit uns über ihre Situation reden. Freilich, vor den Einzelgesprächen stellen wir einen Vortrag für alle, um die Menschen abzuholen, an die Themen heranzuführen und damit sie uns kennenlernen. Das baut Vertrauen auf. Wir haben Teilnehmerquoten, die bei 80 bis 90 Prozent liegen. Dass unser Konzept ankommt, sehen wir natürlich auch an Folgeaufträgen, die wir bekommen“, kommt Koch ins Schwärmen.
Und was bringt die Präventour finanziell? Derzeit bietet der Apotheker fünf verschiedene Präventionspakete für Unternehmen an, angepasst auf die im jeweiligen Betrieb vorherrschenden Hauptprobleme: Psyche, Immunsystem, Muskeln, Knochen, Gelenke – „in diesen Bereichen haben die Mitarbeiter die häufigsten Probleme und die Firmen die meisten Ausfallzeiten“. Je nachdem, für welches Präventionspaket sich eine Firma entscheidet, kostet dies etwa zwischen 900 und 1500 Euro pro Tag (von 9 bis 17 Uhr, Gespräche und Checks je nach Aufwand für 20 bis zu 30 Mitarbeiter). Mit dieser Kalkulation sieht sich Koch im grünen Bereich.
Er will mit der Präventour allerdings nicht um jeden Preis wachsen, es kann auch schon mal vorkommen, dass er eine Anfrage ablehnt. Ihm ist es nicht wichtig, ein einmaliges Halligalli-Gesundheitsmanagement zu machen, es geht um Seriosität und Nachhaltigkeit. Bis zu 40 oder 50 Präventouren im Jahr passen in sein Zeitbudget und sind von ihm und seiner Mitarbeiterin zu leisten.
Wie die Apotheke profitiert
Wirken sich die Präventionsaktionen positiv auf seine Apotheke aus? Hat die Apotheke einen Nutzen davon? „Nur bedingt“, räumt Koch ein, denn der Radius seiner Aktivitäten ist groß, er ist hessenweit unterwegs. Allenfalls, wenn er Firmen im nahen Umkreis besucht, dann kommen die Mitarbeiter dieser Unternehmen nach den Checks durchaus mit ihren Fragen in die Apotheke oder sie melden sich telefonisch oder per E-Mail für Nachfragen. „Aber wir fahren nicht als rollende Apotheke übers Land, um Produkte zu verkaufen“, lacht Koch.
Vorteile für die Apotheke sieht er dagegen eher mittelbar. So haben er und seine Mitarbeiterin im Rahmen des Einsatzes für die Präventouren verschiedene Zusatzausbildungen absolviert, die sie auch in die Beratung in der Apotheke einbringen können. Sie sind z. B. beide als Mikronährstoffberater zertifiziert – „eine tolle Ausbildung, die ich jedem nur empfehlen kann“, so Koch. Dann haben sie sich auf dem Gebiet der Ernährungsberatung intensiv fort- und weitergebildet. Koch hat darüber hinaus im Bereich Stress-Management eine Heart-Math-Coach-Ausbildung durchlaufen, um die Herzratenvariabilität zu messen und zu interpretieren, aber auch um Methoden zu vermitteln, was der Betroffene tun kann, um Stress abzubauen und damit umzugehen. Dabei geht es um verschiedene Atmungs- und Entspannungstechniken.
Prävention vor Ort: die Präventour-Akademie
Koch versteht sich als Gesundheitscoach: „Das ist für mich eine griffige Bezeichnung, in diesem Bereich fühle ich mich zu Hause. Klar, die pharmazeutische Ausbildung zum Apotheker ist für mich die Basis, aber ich habe über die Jahre hinweg verschiedene Ausbildungen aufgesattelt, auch meine frühere Tätigkeit in der Industrie hat mir hier den Horizont erweitert. Wenn man sich breit aufstellt und die Stärken, die man hat, ausbaut über Qualifikationen, über Kompetenzaufbau, kann man einiges erreichen.“ Und er fügt hinzu: „Es ist immer wieder schön zu sehen, was man als Apotheker bewirken kann, aber es gehört viel Engagement dazu, der Wille, sich in neue Felder einzubringen.“
Schon eher profitiert seine Linden-Apotheke von der Präventour-Akademie, die Koch im Rahmen seiner Aktivitäten für die Präventour aufbaute: „Das bot sich an, weil wir neue Räumlichkeiten in der Nähe der Apotheke gewinnen konnten. Wir wollen damit vor Ort Betrieben und deren Mitarbeitern aus der Region Workshops anbieten in den Bereichen Raucherentwöhnung, Stressbewältigung und Ernährungsberatung.“ Seine Akademie hat Koch im Januar dieses Jahres eröffnet. Von der Apothekenseite her nutzt er die Räume darüber hinaus alle sechs bis acht Wochen für Vortragsveranstaltungen zu Themen wie Schüßlersalze, orthomolekulare Medizin, Homöopathie und ähnliche.
Wird die Präventour ausgebaut?
Über mangelnde Nachfrage nach seiner Präventour und dem Präventomobil kann sich Koch nicht beklagen. Werbung muss er so gut wie keine dafür machen, das Präventionsangebot verbreitet sich durch Mund-zu-Mund-Propaganda. Darüber hinaus engagiert sich Koch in verschiedenen Arbeitskreisen. Er ist beispielsweise Mitglied im Bundesverband betriebliches Gesundheitsmanagement. Er bringt sich außerdem im Wetterau-Kreis ein, einem Expertenkreis für das Thema „Gesund und fit am Arbeitsplatz“. Dadurch ergeben sich Kontakte zu Firmen, die in Richtung Prävention am Arbeitsplatz arbeiten. „Wir gehen auf Ausbildungsmessen und sprechen mit Personalleitern, um auf unsere Präventionsleistungen hinzuweisen.“ Und er lädt Gewerbetreibende der Region in seine Akademie ein, um sich vorzustellen und auf die Angebote hinzuweisen. „Wir konzentrieren uns eher auf die kleineren und mittleren Betriebe bis 500 Mitarbeitern, die keine eigenen Abteilungen für Gesundheitsförderungen aufbauen können. Allerdings kommen schon Firmen mit bis zu 1000 Mitarbeitern auf uns zu – eine Herausforderung“, freut sich Koch.
Die Präventour als Geschäftsidee?
Würde er die Idee der Präventour lizenzieren, anderen Apothekerinnen und Apothekern als Geschäftsidee verkaufen? Ein Wohnmobil anzuschaffen und es ein bisschen umzurüsten, wird eher die einfachere Seite des Konzepts sein. Die Inhalte der Präventour, die Checks, die ausgearbeiteten Unterlagen, das Know-how – das dürfte eher das Herzstück dieser Idee sein. „Stimmt“, so Koch, „die konzeptionelle Arbeit dahinter, das hat Jahre gebraucht.“ Und seine klare Ansage zum Thema Lizenzen: „Im jetzigen Stadium kann ich es mir noch nicht vorstellen, Lizenzen zu vergeben, weil wir mit der Präventour erst einmal in allen Branchen unsere Erfahrungen sammeln möchten. Das ist mein Ziel. Nicht nur bei den Mitarbeitern der Stadtverwaltung, des Altenpflegeheims, einer Bank, eines Einzelhandelsgeschäfts, sondern ich möchte so ziemlich alles aufsuchen, was in einer Region machbar ist. Mein Konzept lebt von der Veränderung, mehr Erfahrungen können zu Veränderungen führen. Dazu brauche ich noch etwa ein, zwei Jahre. Erst dann könnte ich mir vorstellen, dass wir es für andere Bundesländer mit ausgewählten Partnern lizenzieren – im überschaubaren Rahmen.“
Präventour auf 1. Platz
Der Deutsche Apothekenpreis, eine Initiative der Avie GmbH, wurde am 10. Juni 2015 zum zweiten Mal in Berlin verliehen. Gesucht und ausgezeichnet wurden beispielhafte Projekte und Engagements, die die Bedeutung der Vor-Ort-Apotheke als die Instanz der flächendeckenden Arzneimittelversorgung in Deutschland herausstellen und die Wahrnehmung der Bevölkerung für die Leistungen der Apothekerschaft steigern.
Eine hochkarätig besetzte Jury wählte Apotheker Christian Koch und sein Projekt „Präventour“ auf den ersten Platz.
(Internet: www.praeventour.de, E-Mail: c.koch@praeventour.de)
„Meine Apotheke ist die Basis“
Im Januar 2007 hat er die Linden-Apotheke eröffnet. „War damals spannend, weil die Apotheke am Ortsrand liegt. Eine Gemeinschaftspraxis mit drei Ärzten befindet sich zwar im Haus und zwei Lebensmittelmärkte in unmittelbarer Nähe, aber trotzdem war ich mir unsicher.“ Jetzt hat er’s geschafft, die Apotheke läuft. Beratung und Betreuung stehen bei ihm im Vordergrund.
„Wir sind auch preisaktiv ohne preisaggressiv zu sein, das erwarten die Kunden. Und den Dienstleistungsbereich lassen wir uns honorieren“, gibt sich Apotheker Koch selbstbewusst. „Es sind hochwertige Leistungen, erbracht von Akademikern. Solche Leistungen umsonst anzubieten – das geht gar nicht. Wenn ich für die Ernährungsberatung 40 Euro verlange, dann bezahlen das meine Kunden, sie haben damit überhaupt kein Problem.“
Was er besonders hervorhebt – bei allem Einsatz für die Präventour: Seine Apotheke läuft nicht nebenher, „sie ist die Wurzel, die Basis für Präventour“, zerstreut der Apotheker etwaige Bedenken. Alle Checks und Aktionen sind aus der Apotheke heraus geboren. „Wichtig ist für mich, personell so aufgestellt zu sein, damit ich dieses Projekt durchführen kann. Ohne gutes Personal in der Apotheke wäre das nicht möglich gewesen“, ist sich Koch bewusst. Heute beschäftigt er drei Apothekerinnen, acht PTAs und vier PKAs.
„Der ganzheitliche, naturheilkundliche Ansatz war von Anfang an ein Schwerpunkt meiner Apotheke“, bekräftigt Koch sein Apothekenkonzept. Dazu gehören bei ihm die orthomolekulare Medizin, die Gebiete Homöopathie, Schüßler-Salze und Phytotherapie und nicht zuletzt die Ernährungsberatung. Mehrere seiner Mitarbeiterinnen haben in diesen Gebieten eine Zusatzausbildung.
Überhaupt: Gute Mitarbeiter sind das Fundament der Apotheke – ein Problem im ländlichen Raum? „Definitiv“, so Koch. Der Apotheker erinnert sich: 2010 suchte er händeringend PTA und Approbierte, aber der Markt war damals leergefegt. „Er ist heute wieder leergefegt, das merke ich deutlich. Mein Problem: Ich muss eine potenzielle Mitarbeiterin, einen Mitarbeiter erst einmal auf meine Apotheke aufmerksam machen. Aber wenn sie bei mir sind und sehen, was wir leisten und wie toll die Perspektiven sind, unterschreiben sie“, zeigt sich Koch selbstsicher.
„Ein gutes Gehalt reicht heute nicht mehr aus“, weiß Koch, entscheidend ist heute das Betriebsklima, es ist das A und O.“ Deshalb bietet er seinen Mitarbeiterinnen besondere Anreize. Dazu gehört – neben einem betrieblichen Gesundheitsmanagement für die eigene Apotheke – einmal im Monat eine kostenlose Shiatsu-Massage („das nehmen alle wahr!“). „Wir haben einen Wohlfühlraum geschaffen, in den sich meine Mitarbeiterinnen über die Mittagspause zurückziehen können, um auch mal Musik zu hören und sich zu entspannen. Wasser und Obst sind selbstverständlich gratis bei uns.“ Einen kleinen Freiplatz hinter der Apotheke hat er als Sonnenplatz eingerichtet – zum Vitamin-D-Tanken. Außerdem unterstützt er alles im Bereich Weiterbildung je nach Neigung seiner Mitarbeiterin.
„Selbst aktiv werden!“
Wie stellt sich für Christian Koch die Zukunft des Apothekerberufs dar? „Auf keinen Fall wird es einfacher“, meint der Apotheker. „Der Rezepturbereich ist hochdefizitär, wir machen jährlich rund über 800 Rezepturen, kämpfen gegen die Preispolitik der Versandapotheken. Zu sagen, es hätte noch viel schlimmer kommen können, ist der falsche Ansatz. Wir sollten aufstehen und sagen: Unsere Dienstleistung ist etwas wert“, echauffiert sich Koch. „Da hilft uns eine Medikationsanalyse, für die wir vielleicht mal zwanzig Euro bekommen, nicht weiter. Wir dürfen uns nicht mehr unter Wert verkaufen. Unsere Verbandsoberen sollten das klar positionieren. Und wir sollten dafür auch mal die Apotheke schließen und auf die Straße gehen.“
Würde er nochmal Pharmazie studieren? Da zeigt sich Koch offen: „Das Studium selbst ist eine Katastrophe, aber der Beruf und das, was sich daraus ergeben kann, sind fantastisch. Die Pharmazie bietet wahnsinnig viele Möglichkeiten, das gefällt mir an diesem Beruf.“ Allerdings, eine normale Apotheke zu führen, würde ihm keinen Spaß mehr machen. Ohne die Freiräume, ohne die Möglichkeit, Ideen wie die Präventour umzusetzen, könnte er sich das Apothekerleben nicht mehr vorstellen: „Ich brauche eine gewisse Freiheit.“
Sein Credo: „Die innovative Apotheke wird überleben“, davon ist er überzeugt. Und er fügt hinzu: „Nicht warten bis andere den Weg vorgeben, sei es Politik oder Krankenkassen, sondern selbst aktiv werden!“ |
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