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Komplementäre Therapien
Theorie und Praxis
Die Grundlagen der Biochemie nach Dr. Schüßler
Historische Grundlagen
Wilhelm Heinrich Schüßler (1821 – 1898) war zunächst von Samuel Hahnemanns Lehren begeistert und praktizierte als homöopathischer Arzt in Oldenburg. Er war jedoch immer auf der Suche nach einer neuen Therapie, da er die Homöopathie aufgrund ihrer vielen Mittel für zu kompliziert und unüberschaubar hielt. Dabei ließ er sich von aktuellen Entwicklungen in der Naturwissenschaft und medizinischen Grundlagenforschung beeinflussen. Aus den Leitmotiven von zwei zeitgenössischen Wissenschaftlern entwickelte er seine neue Heilweise:
- Rudolf L. Virchow (1821 – 1902), Arzt: „Die Krankheit des Körpers ist gleich der Krankheit der Zelle.“
- Jacob Moleschott (1822 – 1893), Chemiker und Physiologe: „Die Krankheit der Zelle entsteht durch den Verlust von anorganischen Salzen.“
Aus diesen beiden Sätzen schloss Schüßler:
„Dann muss die Gesundheit der Zelle und damit des Körpers wiederhergestellt werden durch Deckung des Verlustes.“
Die vier Grundsätze von Schüßlers Biochemie
1. Alle gesundheitlichen Störungen entstehen durch einen Mangel an bestimmten lebensnotwendigen Mineralstoffen in der Zelle.
2. Durch Zuführung der fehlenden Mineralstoffe tritt die Regenerierung ein.
3. Die Zuführung der fehlenden Mineralstoffe sollte nur in allergeringsten Mengen erfolgen.
4. Die Mineralstoffe müssen in einer solchen Verdünnung eingenommen werden, dass sie unmittelbar danach durch die Schleimhäute in Mundhöhle, Schlund und Speiseröhre direkt ins Blut übertreten.
Schüßler analysierte die Asche von Leichen aus dem Krematorium und entdeckte, dass in unterschiedlichen Organen und Geweben auch unterschiedliche Mineralstoffe vorkamen. Deshalb nahm er an, dass organische Krankheiten durch einen Mangel an einem bestimmten lebensnotwendigen Mineralstoff bedingt sind.
Er behandelte seine Patienten zunächst mit unverdünnten Mineralstoffen, fand die Ergebnisse aber nicht zufriedenstellend oder sogar negativ. Danach setzte er potenzierte, „feinstoffliche“ Mineralien aus der Homöopathie ein, die als „Funktionsmittel“ dienen sollten.
In seinem 1874 erschienenen Buch „Eine abgekürzte Therapie“ nannte Schüßler die Mineralien „Baumaterialien und die Functionsmittel der Gewebe“ und erläuterte:
„Baumaterial sind sie durch ihre Masse, Functionsmittel durch ihre Qualität. Wendet man sie zu Heilzwecken als Functionsmittel an, so müssen sie in kleinen Mengen gereicht werden.“
Schüßler meinte, dass die Mineralstoffe durch die starke Verdünnung und ihre „feine“ Verteilung in der Tablette schnell resorbiert und ins Innere der Zelle gelangen, wo sie dann ihre regulative Funktion entfalten. Dagegen spielte das homöopathische Simile-Prinzip (Ähnlichkeitsprinzip) bei der Auswahl der Potenzen keine Rolle, im Gegenteil: Obwohl Schüßler ursprünglich Homöopath war, lehnte er später das Simile-Prinzip ab.
Die Mineralstoffe nach Dr. Schüßler (kurz: Schüßler-Salze) gibt es als D3-, D6- oder D12-Potenzen, doch die Anwendung der D3 ist wenig gebräuchlich. Schüßler-Salze können aufgrund dieser geringen Konzentrationen einen labordiagnostisch nachgewiesenen Mineralstoffmangel nicht beheben und dürfen nicht als Mittel zur Substitution missverstanden werden. Nach Schüßlers Theorie ist „Mineralstoffmangel“ kein messbares Defizit im Blut oder Plasma, sondern eine Art „Ungleichverteilung“ im Körper: Das richtige Mineral ist nicht zur richtigen Zeit am richtigen Ort.
Den regulierenden Einfluss der potenzierten Mineralstoffe stellte sich Schüßler so vor: Sie üben einen regulatorischen Reiz auf die Zellen aus, durch den diese befähigt werden, die entsprechenden Mineralstoffe aus ihrer Umgebung aufzunehmen, zu verwerten.
Mineralstoff |
Funktion |
Organ, Körperteil |
Mangelerscheinung |
---|---|---|---|
Nr. 1 Calcium fluoratum |
Schutz, Elastizität, Spannung, Form |
Bindegewebe, Knochen, Aderwände, Hautoberfläche, Zahnschmelz, Nägel, Sehnen, Bänder |
Krampfadern, Hämorrhoiden, Bänderschwäche, Hautrisse, Hornhaut, Karies, Überbeine, Osteoporose, Narben, brüchige Nägel und Haare |
Nr. 2 Calcium phosphoricum |
Stabilität, Stärkung, Regeneration und Aufbau, Knochenbildung, Entspannung der Muskulatur |
Knochen, Muskel, Zahnbein, Rückgrat, Blutbildung |
Rekonvaleszenz, Blutarmut, Muskelkrämpfe, Polypen, Wachstumsschmerzen, Osteoporose |
Nr. 3 Ferrum phosphoricum |
Erste Hilfe, (Sauerstoff-)Transport |
Blut, Gefäßsystem, Darm |
Entzündung, leichtes Fieber (bis 38 °C), pulsierende, klopfende Schmerzen, 1. Stadium einer Erkrankung, Immunschwäche, Konzentrationsschwierigkeiten |
Nr. 4 Kalium chloratum |
Betrieb, Entgiftung, Aufbau von Faserstoffen |
Drüsen, Bronchien |
Husten, Hautgries, Besenreiser, 2. Stadium einer Erkrankung, fibrinöse Entzündung |
Nr. 5 Kalium phosphoricum |
Energie, Gewebeaufbau, Nervenmittel |
Milz, Nerven, Muskel, Psyche |
Erschöpfungszustände, Schwäche, Nervosität, Konzentrationsschwierigkeiten, Mundgeruch |
Nr. 6 Kalium sulfuricum |
Abbau, Entgiftung, Sauerstoffversorgung der Zellen |
Bauchspeicheldrüse, Leber, Haut, Schleimhäute |
Hauterkrankungen, Pigmentierungsstörungen, chronische Erkrankungen, Erkrankung der Ausscheidungsorgane, 3. Stadium einer Erkrankung |
Nr. 7 Magnesium phosphoricum |
Antrieb, An- und Entspannung, vegetatives Nervensystem |
Herz, Darm |
bohrende, stechende Schmerzen, Krämpfe, Schlafstörungen, Blähungen, Lampenfieber |
Nr. 8 Natrium chloratum |
Entgiftung, Flüssigkeits- und Wärmeregulierung |
Nieren, Blut, Schleimhäute, Knorpel |
wässriger Schnupfen, trockene Haut/Augen, Durchfall, Arthrose, Herpes |
Nr. 9 Natrium phosphoricum |
Entsäuerung, Fettstoffwechsel, Zuckerverarbeitung |
Magen, Gewebe, Lymphe |
Pickel, Mitesser, fettige Haut, Sodbrennen, Rheuma, Gicht |
Nr. 10 Natrium sulfuricum |
Entgiftung, Entschlackung, Abtransport |
Leber, Galle |
geschwollene Hände/Beine/Augenlider, Durchfall, Verstopfung |
Nr. 11 Silicea |
Festigkeit, Bindegewebe |
Haut, Haare, Nägel, Nerven |
Bindegewebsschwäche, Falten, Fuß- und Handschweiß, Rheuma, rissige Haut/Nägel/Haare, gereizte Nerven |
Nr. 12 Calcium sulfuricum |
Reinigung, stockende, gestaute Prozesse |
Leber, Galle, Herz |
chronische Eiterungen und Entzündungen, Abszesse, Rheuma, Gicht, Stockschnupfen |
Schüßler behandelte seine Patienten mit zwölf Mineralstoffen, die auch heute noch die Grundlage der Schüßler-Therapie darstellen (Tab. 1). Das Schüßler-Salz Nr. 12, Calciumsulfat, hatte er zwar bei der Weiterentwicklung seiner Theorie aus der Liste gestrichen und durch Nr. 9 und Nr. 11 ersetzt; es wurde aber später von seinen Nachfolgern wieder in die Liste aufgenommen. Zudem wurden nach Schüßlers Tod weitere Mineralstoffe als sogenannte Erweiterungs- oder Ergänzungsmittel in die biochemische Therapie eingeführt (Tab. 2). Dabei handelt es sich teilweise um Verbindungen von Spurenelementen (Iod, Mangan, Zink), die u. a. für den Wirkmechanismus von Enzymen oder Hormonen essenziell sind.
Mineralstoff |
Funktion |
Organ, Körperteil |
Mangelerscheinung |
---|---|---|---|
Nr. 13 Kalium arsenicosum |
Haut, Lebenskraft |
Haare, Haut, Schilddrüse, Gehirn, Leber, Niere |
Hauterkrankungen, Rhagadenbildung, Schwächezustände |
Nr. 14 Kalium bromatum |
Nervensystem, Entzündungen |
Hormondrüsen |
Innere Unruhe, Schlafstörungen, Schleimhautentzündungen |
Nr. 15 Kalium jodatum |
Stoffwechsel, Entzündungen |
Schilddrüse, Milz, Niere, Leber, Haut, Haare, Magen |
Schilddrüsenprobleme, Schleimhautentzündungen |
Nr. 16 Lithium chloratum |
Eiweißstoffwechsel, Ausscheidung, Psyche |
Lunge |
Gicht, Rheuma, Bindegewebsstörungen, depressive Stimmung |
Nr. 17 Manganum sulfuricum |
Energie, Blutbildung, Knochen- und Knorpelaufbau |
Blut, Knorpel |
Körperliche Erschöpfungszustände, Knorpelschäden |
Nr. 18 Calcium sulfuratum Hahnemanni |
Entgiftung, Stoffwechsel, Zellaufbau |
Haut, Muskeln, Schleimhäute, Zellen allgemein |
Abmagerung, Erschöpfung, Probleme durch Schwermetallbelastung |
Nr. 19 Cuprum arsenicosum |
entkrampfend, Melaninsynthese, Immunsystem |
Leber, Galle, Muskeln, Haut, Nervensystem, |
Schluckauf, Krämpfe aller Art, Pigmentstörungen, Eisenmangel |
Nr. 20 Kalium-Aluminium sulfuricum |
glatte Muskulatur, Flüssigkeitshaushalt |
Haut, Muskel |
Verstopfung, Koliken, Hautprobleme |
Nr. 21 Zincum chloratum |
Immunsystem, Nervensystem, Hormonhaushalt |
Zellen allgemein |
Immunschwäche, Nervenschwäche, unruhige Beine, starke Schmerzen, hormonelle Probleme |
Nr. 22 Calcium carbonicum Hahnemanni |
Stoffwechsel, Lymphfluss-anregend |
Knochen, Lymphsystem |
Übergewicht, Hautprobleme, häufige Infekte, Erschöpfungszustände |
Nr. 23 Natrium bicarbonicum |
Stoffwechsel, Ausscheidung |
Leber |
Übersäuerung, Übergewicht, Verdauungsstörungen |
Nr. 24 Arsenum jodatum |
Stoffwechsel, Sauerstoffaufnahme |
Lymphknoten, Haut, Lunge |
Allergische Erkrankungen von Atemwegen und Haut, Darmprobleme |
Nr. 25 Aurum chloratum natronatum |
Rhythmusstörungen (Hormone, Schlafen, Herz) |
Zirbeldrüse, Herz, Leber |
Schlafstörungen, Herzschwäche, Frauenkrankheiten |
Schüßler-Salze werden bei allen Erkrankungen eingesetzt, bei denen eine Beteiligung des Mineralstoffwechsels angenommen wird und die auf „regulierende“ Maßnahmen ansprechen. Laut Theorie der Biochemie sind sie alle miteinander kombinierbar. Entsprechend der individuellen Diagnose können bei einem Patient also auch mehrere Schüßler-Salze gleichzeitig indiziert sein.
Schulmedizin versus Therapeutenerfahrung
Schüßlers theoretische Überlegungen sind naturwissenschaftlich nicht nachvollziehbar und werden von der Schulmedizin abgelehnt. Viele Therapeuten sind dagegen von der Wirksamkeit der Methode überzeugt und berufen sich auf ihre Erfahrungen.
Herstellung und Zulassungsstatus
Die biochemischen Tabletten werden wie homöopathische Tabletten nach dem HAB (Vorschrift 9: Tabletten) und dem Europäischen Arzneibuch (Vorschriften zur Herstellung homöopathischer konzentrierter Zubereitungen zur Potenzierung, 4. Verreibungen) hergestellt. Als Tablettiergrundstoff („Arzneiträger“) wird Lactose verwendet, als Hilfsstoffe sind Stärke (bis 10%), Magnesiumstearat (bis 2%), Cellulose (bis 7,5%) sowie hochdisperses Siliciumdioxid (bis 3%) erlaubt.
Alle auf dem Markt befindlichen Schüßler-Salz-Präparate sind beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte als homöopathische Mittel registriert. Dieser arzneimittelrechtliche Status erklärt, warum keine Indikationen auf dem Beipackzettel zu finden sind und warum die Dosierung genauso wie bei den homöopathischen Tabletten angegeben ist, obwohl hier in der therapeutischen Anwendung große Unterschiede gemacht werden.
Antlitzdiagnostik
Schüßler ging davon aus, dass Patienten, die den gleichen Mangel eines bestimmten Mineralstoffs aufweisen, im Gesicht ähnliche Färbungen, Faltenbildung oder sonstige Besonderheiten aufweisen. Vor diesem Hintergrund entwickelte er die sogenannte Antlitzdiagnostik oder Antlitzanalyse, die von seinen Nachfolgern weiterentwickelt wurde. Dazu einige Beispiele:
- Eingefallene Schläfen werden mit einem Mangel an Nr. 5 (Kalium phosphoricum) in Verbindung gebracht,
- Faltenbildung vor dem Ohr mit einem Mangel an Nr. 11 (Silicea),
- eine dunkle Verfärbung, die an der Innenseite der Nasenwurzel auftritt („Eisenschatten“), mit einem Mangel an Nr. 3 (Ferrum phosphoricum),
- rote Flecken auf den Wangen, „hektische Flecken“ am Hals oder im Gesicht mit einem Mangel an Nr. 7 (Magnesium phosphoricum).
Der Therapeut führt die Antlitzanalyse in einem Raum mit Tageslicht an einem ungeschminkten Patienten durch. Mit ihr will man die chronischen Mineralstoffmängel des Patienten erkennen, während akute Mängel an „Mangelerscheinungen“ an anderen Körperteilen zu erkennen sein sollen (Tab. 1).
Ergänzungsmittel
Derzeit sind neben den zwölf klassischen Schüßler-Salzen 13 Ergänzungsmittel auf dem deutschen Markt als Schüßler-Salz anerkannt und erhältlich (Tab. 2). Einige Therapeuten haben das Sortiment sogar schon auf insgesamt 33 Salze erweitert, darunter Nr. 26 Selenium und Nr. 27 Kalium bichromicum.
Hier zeichnet sich ein Trend ab, der Schüßlers Lehre teilweise widerspricht: Mehrere Mineralien, die als Homöopathika auf dem Markt sind, werden in die Schüßler-Therapie übernommen. Wenn es sich dabei um Verbindungen handelt, die nicht von Natur aus im Körper vorkommen, ist anzunehmen, dass Schüßler ihre Anwendung abgelehnt hätte. Dazu zählt Kalium bichromicum wegen einer „falschen“ (unphysiologischen) Oxidationsstufe: Chrom(VI). Selenium ist weder ein Salz noch ein sonstiges Mineral, sondern elementares Selen, das ebenfalls unphysiologisch ist. Interessanterweise entsprechen in diesen beiden Fällen die biochemischen Anwendungen den homöopathischen Arzneimittelbildern, sodass man von einer Kombination der beiden Heilweisen sprechen muss.
Homöopathie versus Biochemie
Tabletten, die nach der Vorschrift des HAB mit einem identischen Verfahren hergestellt werden, können einmal als biochemisches Mittel und einmal als homöopathisches Mittel gelten. Die Lehren von Schüßler und Hahnemann unterscheiden sich aber wesentlich in folgendem Punkt: In der Biochemie beruht die Reizregulation auf den stofflichen Eigenschaften der Tablette (eine D6-Tablette von Natrium chloratum hat rein rechnerisch noch ca. 2,6 Billiarden NaCl-Moleküle, eine D12-Tablette noch 2,6 Milliarden NaCl-Moleküle), in der Homöopathie auf deren energetischen Informationen.
Nun stellt sich dem Anwender oder dem pharmazeutischen Personal (und auch den Gegnern dieser Therapierichtungen) die Frage, woher eine Tablette „wissen“ soll, ob sie nach Hahnemann eine homöopathische Reizregulation mit Energie und Information entfachen soll oder ob sie nach Schüßler die in ihr enthaltenen Mineralstoffe freigeben soll, damit deren Ionen Zellmembranen passieren und in der Zelle die Regulation des Mineralstoffhaushaltes anregen. Auf diese Frage gibt es keine wissenschaftlich plausible Antwort. Man muss daher vermuten, dass die Tablette es nicht „weiß“. Da in der Selbstmedikation mit Homöopathika tiefe Potenzen angewandt werden, in denen die potenzierten Stoffe noch physisch enthalten sind, ist also nicht auszuschließen, dass diese Stoffe (und nicht deren energetische Informationen) für die Wirkung verantwortlich sein können, d. h. dass in der homöopathischen Therapie ein Prinzip der Biochemie zur Geltung kommt. Im Gegenzug gilt aber auch die Theorie der homöopathischen Wirkung, d. h. dass die Schüßler-Salze nicht über ihre stofflichen Eigenschaften wirken, sondern als potenzierte Mittel über ihre Information im Sinne einer Reizregulation.
Einer der größten Unterschiede der beiden Therapierichtungen besteht in der Dosierung der Arzneien und der Anwendungsdauer. Die Homöopathie soll nicht durch die „Menge“ eines Stoffes, sondern durch dessen „Information“ wirken. Diese findet sich in einem Globulus oder aber auch in zehn Globuli, daher ist es von dieser Theorie her nicht so wichtig, wie viele Globuli der Patient pro Dosis einnimmt – mal ist die Information „etwas leiser“, mal „etwas lauter“, es bleibt aber die gleiche Information. Ausgehend von dieser Hypothese benötigen Kinder weniger, da sie feiner auf die Reize reagieren, bei Erwachsenen darf es „etwas lauter“ zugehen, damit die „Information“ ihren Weg findet.
In der Biochemie hingegen sollen die verabreichten Mineralstoffe so viele Zellen wie möglich beeinflussen. Also sollen die Patienten hier häufig eine höhere Dosis einnehmen mit bis zu 15 bis 20 Tabletten pro Tag. Eine Hochdosistherapie mit 100 Tabletten am Tag macht keinen Sinn.
Homöopathische Mittel sind nicht für eine Dauertherapie gedacht. Der Patient soll das Mittel absetzen, sobald eine wesentliche Besserung eingetreten ist, aber auch dann, wenn er innerhalb einer gewissen Zeit nicht darauf anspricht; denn ein späterer Effekt ist dann nicht zu erwarten. Dagegen werden die Schüßler-Salze je nach Indikation zur Einnahme über einen längeren Zeitraum empfohlen, um den Mineralstoffhaushalt langfristig zu regulieren.
Vorschlag zu einem Experiment
Schüßler-Salze sind homöopathische Zubereitungen, in denen der jeweilige Mineralstoff nicht nur verdünnt, sondern auch potenziert ist (laut HAB ein zeitlich festgelegter intensiver Zerteilungs- und Mischungsvorgang). Spannend wäre es, die biochemische Therapie mit verdünnten, aber nicht potenzierten Mineralstofftabletten durchzuführen, also ohne die vielen Zwischenstufen und Zeiträume, die das HAB fordert. Ein grundsätzliches Problem bei Studien in der Komplementärmedizin ist allerdings, dass aufgrund der sehr personalisierten Auswahl der Arzneien selten geeignete Vergleichsparameter zur Verfügung stehen.
Praktische Anwendung
Potenzen
Die zwölf klassischen Mineralstoffe werden in der Potenz D6 gegeben – mit Ausnahme der Nr. 1, Nr. 3 und Nr. 11, hier wird auf die Potenz D12 zurückgegriffen. Bei diesen Salzen handelt es sich um schwerlösliche Verbindungen, die nach Schüßlers Vorstellungen besonders fein verteilt vorliegen müssen, damit sie im Mund in Lösung gehen und über die Schleimhaut gut resorbiert werden. Die Ergänzungsmittel werden hauptsächlich als D6 angewandt, wenn es sich um Mineralstoffverbindungen mit essenzieller Funktion im Körper handelt (Nr. 15 Kalium jodatum, Nr. 17 Manganum sulfuricum, Nr. 18 Calcium sulfuratum, Nr. 21 Zincum chloratum, Nr. 23 Natrium bicarbonicum). Mineralstoffe, die wasserunlöslich sind oder ein nicht essenzielles Element enthalten (Nr. 13 Kalium arsenicosum, Nr. 14 Kalium bromatum, Nr. 16 Lithium chloratum, Nr. 19 Cuprum arsenicosum, Nr. 20 Kalium-Aluminium sulfuricum, Nr. 22 Calcium carbonicum, Nr. 24 Arsenum jodatum, Nr. 25 Aurum chloratum natronatum, Nr. 26 Selenium, Nr. 27 Kalium bichromicum), sollten in der Potenz D12 und nur kurzfristig angewandt werden.
Dosierung
Da die Schüßler-Salze arzneimittelrechtlich Homöopathika sind, stehen in den Beipackzetteln (Patienteninformationen) nur rudimentäre Angaben zur Dosierung. Grundsätzlich richtet sich die Dosierung nach dem individuell unterschiedlichen Bedarf. Bei Patienten in Behandlung stellt der Arzt oder Heilpraktiker durch eine ausführliche Anamnese und eine Antlitzanalyse diesen Bedarf fest. Für Patienten, die nach einer Eigendiagnose eine Selbstmedikation durchführen wollen, können nur allgemeine Dosierungsvorschläge aufgrund langjähriger Erfahrungen gemacht werden:
- Prophylaxe: 3 × 2 Tabletten am Tag.
- Akute Störungen: alle fünf Minuten 1 Tablette lutschen bis zur Besserung (Sonderfall: „heiße Sieben“, s. u.).
- Besondere Belastungssituationen oder zu Beginn einer längerfristigen Anwendung: mindestens 3 × 5 Tabletten am Tag.
- Chronische Fälle: langfristig 3 × 2 Tabletten am Tag.
- Biochemische Kur: maximal vier verschiedene Mineralstoffe über drei bis sechs Wochen, bei Bedarf auch über zwölf Wochen. Von jedem Mineralstoff anfangs 5 Tabletten pro Tag, nach zwei Wochen weniger.
Sensible, ältere und besonders belastete Menschen sollten mit einem Drittel der angegebenen Dosierung beginnen und die Dosis dann wöchentlich steigern.
Die vielfältigen Möglichkeiten der Dosierung und Einnahme von Schüßler-Salzen sorgen immer wieder für Verwirrung. Vor diesem Hintergrund bieten die allgemeinen Dosierungsvorschläge auch in der Apotheke Orientierung, wenn der Patient sich nicht in Behandlung befindet und über die Dosierung im Unklaren ist.
Einnahme
Wenn der Patient nur ein einziges Schüßler-Salz anwendet, gibt es folgende Empfehlungen:
- die Tabletten lutschen, damit die Mineralstoffe direkt über die Mundschleimhaut aufgenommen werden, oder
- die Tabletten in Wasser auflösen und schluckweise trinken, wobei jeder Schluck für einen Moment im Mund behalten wird, damit auch so die Mineralstoffmoleküle direkt über die Mundschleimhaut aufgenommen werden.
Eine Besonderheit stellt die Anwendung von Schüßler-Salz Nr. 7 Magnesium phosphoricum bei akuten (blitzartig schießenden, bohrenden, stechenden) Schmerzen und Krämpfen dar, wobei die Wirkung schnell eintreten soll („heiße Sieben“):
- 10 Tabletten in heißem Wasser auflösen und dieses schluckweise trinken.
Man kann auch die beiden anderen Akutsalze Nr. 3 Ferrum phosphoricum und Nr. 5 Kalium phosphoricum in derselben Dosis und Weise anwenden: Nr. 3 bei beginnender Erkältung, Nr. 5 bei einem nervlichen „Durchhänger“.
Wenn der Patient mehrere Schüßler-Salze anwendet, z. B. während einer biochemischen Kur (s. u.), gibt es folgende Möglichkeiten:
- die verschiedenen Tabletten kombinieren und über den Tag verteilt in Portionen zu 3 Tabletten lutschen.
- die Tagesdosis der verschiedenen Tabletten morgens in ½ l Wasser lösen und das Wasser über den Tag verteilt schluckweise trinken.
- die verschiedenen Tabletten getrennt voneinander lutschen, bei vier Schüßler-Salzen z. B. morgens, mittags, nachmittags und abends. Dies kann sinnvoll sein, wenn ein Salz z. B. speziell am Morgen die Ausscheidung anregen soll oder ein anderes am Abend den Schlaf fördern soll.
Schüßler-Salze sollten nicht unmittelbar nach dem Essen eingenommen werden, da die Schleimhaut dann nicht so aufnahmefähig ist. Einflüsse von Zahnpasta oder Kaffee auf die Wirkung der Mineralstoffe sind nicht bekannt.
Zu Beginn der Therapie können Symptome im Heilungsprozess auftreten, z. B. Reaktionen auf die vermehrte Ausscheidung von Schadstoffen oder die spürbare Regeneration der Bänder. Bislang wurden keine Nebenwirkungen oder Wechselwirkungen mit anderen naturheilkundlichen, komplementärmedizinischen oder allopathischen Medikamenten beobachtet. Es gibt daher auch keine Gegenanzeigen. Keines der biochemischen Funktionsmittel wurde jemals für Schwangere ausgeschlossen.
Biochemische Kuren
Mit Schüßler-Salzen werden auch biochemische Kuren durchgeführt. Je nach Beschwerde oder Indikation werden mehrere biochemische Mittel ausgewählt und für einen gewissen Zeitraum gemeinsam angewendet. Eine solche Kur wird unterstützend zu einer schulmedizinischen Therapie (z. B. bei Osteoporose, Wechseljahrsbeschwerden) oder allein angewendet (z. B. Immunkur, Entschlackungskur, vorbeugende Allergie- oder Heuschnupfenkur).
Bei der Auswahl der Mittel kann auf Schemata zurückgegriffen werden, die in einschlägigen Publikationen zu finden sind. Die Salze können aber auch individuell ausgewählt werden, wobei empfohlen wird, auf die sogenannten Funktionsgruppen der Schüßler-Salze zu achten, z. B.:
Akutsalze Nr. 3, Nr. 5, Nr. 7
Bindegewebssalze Nr. 1, Nr. 2, Nr. 11, Nr. 12
Stoffwechselsalze Nr. 4, Nr. 6, Nr. 8, Nr. 9, Nr. 10
Akutsalzen wird ein schneller Wirkeintritt zugeschrieben; einen erheblichen Anteil soll das Phosphatanion daran haben. Anhänger der Biochemie erklären dies mit der zentralen Rolle, die organische Phosphate (ADP, ATP) im Energiehaushalt des Körpers spielen.
Es gibt aber noch wesentlich genauere Charakterisierungen, z. B. Salze des Wasserhaushaltes (Nr. 8 und 10), Entzündungssalze (Nr. 3, 4 und 6), Salze für Muskel und Nerven (Nr. 2, 5 und 7), Salze für die Haut (Nr. 1 und 11), Salze der Reinigung und Entgiftung (Nr. 6, 10 und 12).
Die Einnahme der Mittel erfolgt kombiniert („Mischkur“) oder getrennt (s. o.: Einnahme). Dazu jeweils zwei Beispiele im Kasten „Biochemische Kuren“.
Biochemische Kuren
Mischkuren
Eine Kur bei Verstopfung:
Nr. 5 Kalium phosphoricum
Nr. 8 Natrium chloratum
Nr. 10 Natrium sulfuricum
Von jedem Salz in den ersten beiden Wochen 5 Tabletten, danach 3 Tabletten in ½ l heißes Wasser lösen und über den Tag verteilt trinken.
Eine Kur bei Übersäuerung (Basenfasten):
Nr. 6 Kalium sulfuricum
Nr. 9 Natrium phosphoricum
Nr. 10 Natrium sulfuricum
Nr. 12 Calcium sulfuricum
Von jedem Salz in den ersten beiden Wochen 5 Tabletten, danach 3 Tabletten in ½ l heißes Wasser lösen und über den Tag verteilt trinken.
Getrennte Einnahme
Eine Anti-Stress-Kur:
morgens 5 Tabl. Nr. 5 Kalium phosphoricum
mittags 5 Tabl. Nr. 3 Ferrum phosphoricum
abends vor dem Schlafengehen die „heiße Sieben“ (10 Tabl. Nr. 7 Magnesium phosphoricum)
Eine „Diätkur“ (zur Unterstützung einer Diät):
morgens 5 Tabl. Nr. 10 Natrium sulfuricum
mittags 5 Tabl. Nr. 5 Kalium phosphoricum
abends 5 Tabl. Nr. 9 Natrium phosphoricum
Äußere Anwendung
Die äußere Anwendung der biochemischen Mineralstoffe soll die orale Einnahme unterstützen. Zur Anwendung kommen in erster Linie fertige Cremes und Salben, aber auch Bäder, Breiauflagen, Waschungen, Kompressen, Haarwasser oder Tropfen.
Fazit
Schüßler-Salze sind populär, viele Ärzte und Heilpraktiker, aber auch Apotheker und PTA, beschäftigen sich damit. Weil die Anzahl der Schüßler-Salze überschaubar ist und deren Wirkungen und Anwendungsgebiete klar benannt werden, gibt es viele Patienten, die aufgrund ihrer Eigendiagnose einen bestimmten Präparatewunsch in der Apotheke äußern. Hier muss das Apothekenpersonal routinemäßig prüfen, ob die Eigendiagnose überhaupt ein Fall für die Selbstmedikation ist oder ob dem Patienten ein Arztbesuch zu empfehlen ist. |
Autorin
Daniela Haverland
Apothekerin, Heilpraktikerin, Referentin für Homöopathie und Biochemie
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