Foto: Kadmy – Fotolia.com

Ist die Defektur europarechtskonform?

Die Regelungen für das Inverkehrbringen von Defekturarzneimitteln werden geprüft

Der Bundesgerichtshof hat Zweifel, ob die Freistellung der Defekturarzneimittel von der Zulassungspflicht für Arzneimittel mit Europäischem Gemeinschaftsrecht in Einklang steht. Daher hat er beschlossen, diesbezüglich den Europäischen Gerichtshof um Vorabentscheidung anzurufen (BGH, EuGH-Vorlage vom 16. April 2015 – I ZR 130/13).

Von Sabine Wesser

Apotheken nehmen im Arzneimittelverkehr eine Sonderstellung ein: Das Apothekengesetz betraut sie ausdrücklich mit der im öffentlichen Interesse gebotenen Sicherstellung einer ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung der Bevölkerung (vgl. § 1 Abs. 1 ApoG). Deswegen stattet das Arzneimittelgesetz (AMG) die Apotheken nicht nur mit dem Monopol zur Abgabe apothekenpflichtiger Arzneimittel für den Endverbrauch aus (vgl. § 43 Abs. 1 AMG), sondern erlaubt den Inhabern und Inhaberinnen von Apotheken einige Tätigkeiten, die anderen am Verkehr mit Arzneimitteln beteiligten Rechtssubjekten nur mit behördlicher Erlaubnis gestattet sind.

Privilegierung der Apotheken bei Rezeptur- und Defektur-Arzneimitteln

So dürfen etwa Apothekeninhaber im Rahmen des üblichen Apothekenbetriebs Arzneimittel herstellen, ohne dass es der von § 13 Abs. 1 AMG bei sonstiger gewerbs- oder berufsmäßiger Arzneimittelherstellung vorgeschriebenen Herstellungserlaubnis bedarf (vgl. § 13 Abs. 2 Nr. 1 AMG). Ferner dürfen sie die in ihrer Apotheke hergestellten Arzneimittel ohne die hierfür nach dem Arzneimittelgesetz (§ 21 Abs. 1 AMG) vorgesehene behördliche Zulassung in den Verkehr bringen: Für in der Apotheke hergestellte Rezepturarzneimittel folgt dies schon daraus, dass der arzneimittelrechtlichen Zulassungspflicht nur Fertigarzneimittel unterfallen. Die Sonderstellung der Apotheken ergibt sich hier aber daraus, dass sie die einzigen sind, die gewerblich Rezepturarzneimittel herstellen können; denn gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 3. Alt. AMG sind gewerblich hergestellte Arzneimittel immer Fertigarzneimittel, es sei denn, sie werden „in Apotheken“ hergestellt.

Aber auch dann, wenn es sich bei den in der Apotheke hergestellten Arzneimitteln um Fertigarzneimittel handelt, privilegiert sie das Gesetz; denn § 21 Abs. 2 Nr. 1 AMG befreit die sogenannten Defekturarzneimittel, die allein schon wegen ihrer Herstellung „im Voraus“ (vgl. § 1a Abs. 9 ApBetrO) Fertigarzneimittel im Sinne des § 4 AMG sind (es sei denn, sie sind nicht zur Abgabe an den Verbraucher, sondern zur Weiterverarbeitung bestimmt), unter bestimmten Voraussetzungen von der für Fertigarzneimittel bestehenden Zulassungspflicht.

Es handelt sich um sechs Voraussetzungen:

Das Arzneimittel muss (1) ein Humanarzneimittel sein, dessen Herstellung (2) aufgrund nachweislich häufiger ärztlicher oder zahnärztlicher Verschreibung erfolgt, wobei (3) die wesentlichen Herstellungsschritte in der Apotheke stattfinden. Zudem darf die Herstellung (4) eine Menge von bis zu hundert abgabefertigen Packungen an einem Tag nicht überschreiten, sie muss (5) im Rahmen des üblichen Apothekenbetriebs erfolgen und (6) die hergestellten Arzneimittel müssen zur Abgabe im Rahmen der bestehenden Apothekenbetriebserlaubnis bestimmt sein.

Gründe für die Privilegierung

Dass das Gesetz eine „in Apotheken“ erfolgende Arzneimittelherstellung sowie das Inverkehrbringen der dort hergestellten (Rezeptur- und Defektur-)Arzneimittel privilegiert, beruht zum einen darauf, dass die Arzneimittelherstellung in der Apotheke besonderen Anforderungen unterliegt, sowohl im Hinblick auf die persönliche und in Unabhängigkeit von wirtschaftlichen Interessen Dritter erfolgende Leitungsverantwortung des Apothekeninhabers (vgl. §§ 7 ff. ApoG), der – nach behördlicher Qualifikations- und Zuverlässigkeitsprüfung – mit behördlicher Erlaubnis die Apotheke betreibt (vgl. §§ 1 ff. ApoG), als auch im Hinblick auf die Qualifikation des zur Herstellung einzusetzenden Personals, dessen Beaufsichtigung durch einen Apotheker, der Vorhaltung geeigneter Betriebsräume sowie die Vorbereitung und Durchführung der Herstellung (vgl. §§ 3 ff. ApBetrO).

Zum anderen und vor allem beruht die Privilegierung der Apotheken im Hinblick auf das genehmigungsfreie Herstellen und Inverkehrbringen von Rezeptur- und Defekturarzneimitteln aber auf Folgendem: Erstens werden beide Arten von Arzneimitteln nicht für den Handel, sondern für den Endverbrauch, d. h. für (individuell oder durch Zugehörigkeit zum Kundenkreis der Apotheke) bestimmte Patienten hergestellt, eine unabsehbare Massenverbreitung scheidet somit aus. Zweitens erfolgt die Herstellung unter der Verantwortung von zwei Spezialisten: dem Arzt, der die Rezeptur liefert und sie in therapeutischer Hinsicht verantwortet, und dem Apotheker, der sie auf ihre Plausibilität prüft (vgl. § 7 Abs. 1 Satz 4, Abs. 1b ApBetrO), sie umsetzt und in pharmazeutischer Hinsicht verantwortet.

Keine unabsehbare Massenverbreitung, sondern Herstellung für bestimmte Patienten

Grundsätzlich unterwirft das Gesetz Fertigarzneimittel einer vorgeschalteten behördlichen Prüfung, weil durch die Produktion im Voraus und für eine beliebige Zahl von Fällen ein spezifisches Risiko besteht. Dieses Risiko einer breiten Streuung potenziell risikobelasteter Arzneimittel soll durch präventive Kontrolle minimiert werden. Rezeptur- und (zulassungsbefreite) Defekturarzneimittel dagegen werden gerade nicht für eine unbestimmte Vielzahl von Personen hergestellt, sondern entweder für einen zum Zeitpunkt der Herstellung bereits individuell bestimmten Patienten (Rezepturarzneimittel) oder für einen bestimmten Kreis von Patienten (Defekturarzneimittel): Rezepturarzneimittel werden im Einzelfall nach ärztlicher Verschreibung oder auf sonstige Anforderung einer einzelnen Person und nicht im Voraus für einen bestimmten Patienten hergestellt (vgl. § 1a Abs. 8 ApBetrO), Defekturarzneimittel in begrenzter Menge für einen begrenzten Kreis von Patienten im Rahmen des üblichen Apothekenbetriebs (vgl. § 1a Abs. 9 ApBetrO). Dabei trägt das Gesetz dem Bedürfnis Rechnung, einer unkontrollierten Verbreitung behördlich nicht geprüfter Fertigarzneimittel entgegenzuwirken (vgl. BGH, Urteil vom 14. April 2011 – I ZR 129/09). Die vom Gesetz für Defekturarzneimittel vorgesehene Befreiung von der Zulassungspflicht tritt nach § 21 Abs. 2 Nr. 1 AMG nur ein, wenn die in der Apotheke hergestellten Arzneimittel zur Abgabe im Rahmen der bestehenden Apothekenbetriebserlaubnis bestimmt sind. Die Betriebserlaubnis für eine Apotheke lässt die Abgabe von Arzneimitteln aber regelmäßig nur zum Endverbrauch zu, mithin an Verbraucher, die dieses Arzneimittel bei ihr nachfragen. Ein wichtiger Grund für die gesetzliche Privilegierung von in Apotheken hergestellten Arzneimitteln ist also, dass diese Arzneimittel direkt für die Anwendung, nämlich für die Abgabe zum Endverbrauch an eine bestimmte Person oder einen bestimmten Personenkreis, hergestellt werden und nicht, wie dies auf andere gewerbliche Arzneimittelhersteller zutrifft, für den Vertrieb und die Abgabe an eine unbestimmte Vielzahl von Personen.

Doppelkontrolle durch Arzt und Apotheker

Der zweite wichtige Grund für die Privilegierung ist, dass Arzt und Apotheker bei der Herstellung dieser Arzneimittel zusammenwirken: Rezepturarzneimittel werden aufgrund einer ärztlichen Verschreibung hergestellt (es sei denn, es handelt sich um nicht-verschreibungspflichtige Arzneimittel – diese können auch nach Patientenanforderung hergestellt werden), (zulassungsbefreite) Defekturarzneimittel werden aufgrund nachweislich häufiger ärztlicher Verschreibung hergestellt (vgl. § 21 Abs. 2 Nr. 1 AMG). Damit zeichnen zwei Spezialisten verantwortlich für das in Verkehr gebrachte Arzneimittel: Der Mediziner für dessen Wirksamkeit und Vertretbarkeit in therapeutischer Hinsicht, der Pharmazeut für dessen Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit in pharmakologischer Hinsicht (vgl. auch BGH, Urteil vom 14. April 2011 – I ZR 129/09). Es ist also auch die vom Gesetz verlangte Doppelkontrolle durch Arzt und Apotheker, welche es nach der Wertung des Gesetzes rechtfertigt, für das Inverkehrbringen von Rezeptur- und den Anforderungen des § 21 Abs. 2 Nr. 1 AMG genügenden Defekturarzneimitteln nicht auch noch eine behördliche Prüfung zu verlangen.

Literaturtipp

Der neue Kommentar zum Apothekengesetz!

Der neue Kommentar erläutert übersichtlich, kompetent und praxisnah die Regelungen des Apothekengesetzes. Er gibt einen zuverlässigen Überblick zu allen Fragen rund um das „Recht der Apotheke“ und schließt damit eine jahrelang bestehende Lücke.

Der Kommentar wendet sich sowohl an Pharmazeutinnen und Pharmazeuten in öffentlichen Apotheken und Krankenhausapotheken als auch an apothekenrechtlich tätige Juristen und Pharmazeuten in Behörden, Rechtsanwaltskanzleien, Berufsvertretungen und pharmazeutischen Unternehmen.

Die Autoren Dr. Timo Kieser, Dr. habil. Sabine Wesser und Dr. Valentin Saalfrank sind anerkannte und praxiserprobte Spezialisten auf dem Gebiet des Apotheken- und Arzneimittelrechts. Zu ihren Mandanten gehören zahlreiche Pharmazeutinnen und Pharmazeuten in Apotheken, Behörden und der Industrie.

Kieser, Timo / Wesser, Sabine / Saalfrank, Valentin

Apothekengesetz Kommentar

824 S., Loseblatt-Ausgabe, Eur 76,00

Deutscher Apotheker Verlag, 2015.

ISBN 978-3-7692-6083-0

Einfach und schnell bestellen

Deutscher Apotheker Verlag, Postfach 10 10 61, 70009 Stuttgart

Tel. 0711 – 25 82 341, Fax: 0711 – 25 82 290

E-Mail: service@deutscher-apotheker-verlag.de

oder unter www.deutscher-apotheker-verlag.de

Es gibt also gute Gründe dafür, dass das Herstellen und Abgeben von (Rezeptur- und Defektur-)Arzneimitteln in Apotheken in der genannten Weise gegenüber dem Her­stellen und Inverkehrbringen von Arzneimitteln durch sonstige Gewerbetreibende, insbesondere durch industrielle Pharmaunternehmen, privilegiert wird.

Privilegierung auch gemeinschaftsrechtlich vorgesehen

Die vom deutschen Gesetz den Apotheken zugewiesene Sonderstellung und die damit einhergehenden Privilegien sind grundsätzlich auch vom europäischen Arzneimittelrecht gedeckt:

Zwar regelt Art. 6 der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel, dass ein Arzneimittel in einem Mitgliedstaat erst dann in den Verkehr gebracht werden darf, wenn von der zuständigen Behörde dieses Mitgliedstaates nach eben dieser Richtlinie eine Genehmigung für das Inverkehrbringen erteilt wurde. Doch gilt nach Art. 3 Nr. 1 der Richtlinie dieser Grundsatz gerade nicht für Arzneimittel, die in einer Apotheke nach ärztlicher Verschreibung für einen bestimmten Patienten zubereitet werden (sogenannte formula magistralis) und nach Art. 3 Nr. 2 auch nicht für die in der Apotheke nach Vorschrift einer Pharmakopöe zubereiteten Arzneimittel, die für die unmittelbare Abgabe an die Patienten bestimmt sind, die Kunden dieser Apotheke sind (sogenannte formula officinalis).

Die Generalanwältin Eleanor Sharpston fasst in ihrem Schlussantrag vom 31. Januar 2013 in der Rechtssache C-535/11 (Novartis/Apozyt) den Zweck dieser Bereichsausnahmen in folgende Worte: „Der Zweck dieser Ausnahmen liegt auf der Hand. Die Abgabe von Arzneimitteln an die Öffentlichkeit soll von dem komplizierten, um nicht zu sagen kostspieligen, System der Verkehrsgenehmigungen in Fällen freigestellt werden, die in allen Mitgliedstaaten wenn nicht täglich, so doch regelmäßig vorkommen. Sie setzen voraus, dass die Zubereitung des betreffenden Arzneimittels in einer Apotheke – d. h. von einem Apotheker oder unter seiner Aufsicht – vorgenommen wird. Die Öffentlichkeit ist also geschützt, denn die Zubereitung liegt in der Verantwortung eines qualifizierten Angehörigen der medizinischen Berufe, der über Sachkunde in der Abgabe des Arzneimittels verfügt. Aufgrund der weiteren in diesen Vorschriften genannten Voraussetzungen ist sichergestellt, dass die Ausnahme nur gilt, soweit der Apotheker die Arzneimittel im Einzelfall abgibt. Andernfalls bestünde die Gefahr, dass die Zubereitung nicht in dem erforderlichen Umfang beaufsichtigt wird.“

Vorlagebeschluss des Bundesgerichtshofs

Der Vorlagebeschluss des Bundesgerichtshofs ist in einem Verfahren ergangen, das die Vertreiberin von Weihrauchkapseln als Nahrungsergänzungsmittel gegen einen Apotheker eingeleitet hat. Dieser stellt in seiner Apotheke Weihrauchkapseln als Arzneimittel her und vertreibt sie, ohne im Besitz einer arzneimittelrechtlichen Zulassung zu sein. Die Klägerin verlangt von dem Beklagten es zu unterlassen, durch entsprechende „Patienteninformationen“ und Broschüren für seine Weihrauchkapseln zu werben. Ob ihr Begehren begründet ist, hängt davon ab, ob die Weihrauchkapseln als Arzneimittel zulassungspflichtig sind; denn nach § 3a Satz 1 Heilmittelwerbegesetz ist eine Werbung für Arzneimittel, die der Pflicht zur Zulassung unterliegen und die nicht nach den arzneimittelrechtlichen Vorschriften zugelassen sind oder als zugelassen gelten, unzulässig.

Da es im Streitfall unstreitig ist, dass der beklagte Apotheker die Weihrauchkapseln in Übereinstimmung mit den Voraussetzungen des § 21 Abs. 2 Nr. 1 AMG in den Verkehr bringt, hatte das Landgericht Hamburg die Unterlassungsklage abgewiesen und das Oberlandesgericht Hamburg hatte die dagegen von der Klägerin eingelegte Berufung zurückgewiesen. Der Erfolg der Revision der Klägerin hängt nun davon ab, ob die Bestimmung des § 21 Abs. 2 Nr. 1 AMG nach ihrem Wortlaut oder zumindest bei einer an Art. 3 Nr. 1 und Nr. 2 der Richtlinie ausgerichteten Auslegung mit den Bestimmungen der Richtlinie 2001/83/EG vereinbar ist.

Der Bundesgerichtshof hat hieran Zweifel. Zum einen, weil von einigen – u.a. der Industrie nahestehenden – Autoren die Auffassung vertreten wird, die in Art. 3 Nr. 1 der Richtlinie 2001/83/EG verwendete Formulierung „nach ärztlicher Verschreibung“ würde verlangen, dass die Arzneimittelherstellung erst dann erfolgt, wenn für einen bestimmten Patienten eine konkrete ärztliche Verschreibung vorliegt, die in § 21 Abs. 2 Nr. 1 AMG als ausreichend angesehene Herstellung „auf Grund nachweislich häufiger ärztlicher …Verschreibung“ diesem Erfordernis aber nicht Rechnung trage. Zum anderen hat der Bundesgerichtshof Zweifel, weil Art. 3 Nr. 2 der Richtlinie die Zubereitung „nach Vorschrift einer Pharmakopöe“ verlangt, § 21 Abs. 2 Nr. 1 AMG aber gerade nicht verlangt, dass das Defekturarzneimittel „nach Vorschrift eines amtlichen Arzneibuchs“ zubereitet ist.

Keine Unvereinbarkeit mit Gemeinschaftsrecht

Für eine Vereinbarkeit des § 21 Abs. 1 Nr. 1 AMG mit Art. 3 Nr. 1 der Richtlinie 2001/83/EG spricht, dass das Merkmal „nach“ nicht notwendigerweise als (zeitliche) Präposition aufgefasst werden muss (wie z. B. bei der Formulierung „nach dem Essen“), sondern auch so verstanden werden kann, dass eine Entsprechung mit einer ärztlichen Verschreibung gefordert wird, das „nach“ mithin die Bedeutung von „gemäß“ hat. Für Letzteres spricht, dass es in der englischen Fassung der Richtlinie 2001/83/EG heißt „in accordance with“, in der französischen Fassung „selon“ und in der spanischen „de acuerdo con“. Allen verwendeten Ausdrücken wohnt nur bedingt eine zeitliche Komponente inne. Zwar setzen sie voraus, dass es (irgendwann einmal) eine ärztliche Verschreibung gegeben hat (der gemäß dann das Arzneimittel in der Apotheke hergestellt wird), doch verlangen sie nicht, dass ärztliche Verschreibung und Arzneimittelherstellung in einem Unmittelbarkeitszusammenhang dergestalt stehen, dass pro ärztlicher Verschreibung nur eine Arzneimittelherstellung erfolgt. Vielmehr liegt die geforderte inhaltliche Entsprechung auch dann vor, wenn aufgrund einer einmaligen (oder auch nachweislich häufigen) ärztlichen Verschreibung mehrere Male das fragliche Arzneimittel zubereitet wird. Dies wird vor allem dann in Betracht kommen, wenn das Arzneimittel nicht verschreibungspflichtig ist. Entscheidend wäre dann nur, dass das Arzneimittel für einen bestimmten Patienten zubereitet wird, also anders als bei den vom Anwendungsbereich der Richtlinie erfassten Arzneimitteln keine Massenfertigung für einen unabsehbaren Personenkreis erfolgt.

Zudem spricht gegen die Annahme, dass Art. 3 Nr. 2 der Richtlinie nur eine Herstellung nach amtlicher Arzneibuchvorschrift erfasst, dass an anderer Stelle der Richtlinie 2001/83/EG ausdrücklich von „offiziellen“ bzw. „offiziell gebräuchlichen“ Pharmakopöen die Rede ist (vgl. Erwägungsgrund 22 der Richtlinie und Art. 1 Nr. 5 der Richtlinie). Daher dürfte die in Art. 3 Nr. 2 der Richtlinie ohne einen solchen Zusatz erwähne Pharmakopöe gerade nicht auf die „offizielle“, d. h. amtlich bekannt gemachte Pharmakopöe beschränkt sein.

Der Sinn und Zweck der von der Richtlinie 2001/83/EG vorgesehenen Zulassungspflicht, nämlich der wirksame Schutz der öffentlichen Gesundheit, würde einer solchen weiten Auslegung, nach der die § 21 Abs. 2 Nr. 1 AMG mit Art. 3 Nr. 1 und Nr. 2 der Richtlinie 2001/83/EG vereinbar sind, jedenfalls nicht entgegenstehen. |


Autorin

Dr. habil. Sabine Wesser, Köln, ist Rechtsanwältin und ausgewiesene Spezialistin für das Arzneimittel- und Apothekenrecht. Sie ist Autorin mehrerer Sachbücher und Artikel zu diesen Themen.

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.