Arzneimittel und Therapie

„Ein wunder Punkt in der Arzneimittelversorgung“

Professor Hartmut Derendorf zum amerikanischen Umgang mit NSAR

jb | Die amerikanische Aufsichtsbehörde FDA will die Warnhinweise der verschreibungspflichtigen nicht-steroidalen Antirheumatika ändern. Es soll stärker auf das erhöhte Herzinfarkt- und Schlaganfallrisiko bei Einnahme der Substanzen hingewiesen werden. Hintergrund ist eine Auswertung neuer Sicherheitsdaten. Bei Präparaten zur Selbstmedikation befindet sich zwar bereits ein derartiger Hinweis auf der Packung, doch auch der soll laut FDA aktualisiert werden.

Prof. Dr. Hartmut Derendorf

Das befeuert auch hierzulande die Diskussion um eine mögliche Verschreibungspflicht der NSAR wieder. Denn NSAR können nicht nur die Wahrscheinlichkeit für ein kardiovaskuläres Ereignis erhöhen. Sie verstärken auch bei gemeinsamer Gabe mit Antidepressiva das Risiko für Hirnblutungen (siehe auch Beitrag „Eine brisante Kombination – Antidepressiva plus NSAR erhöhen das Risiko für Gehirnblutungen“ auf Seite 28) und steigern auch bei alleiniger Anwendung generell das Blutungsrisiko.

Ob es in der Diskussion um die Sicherheit der NSAR allerdings zielführend ist, in die USA zu schauen, ist fraglich. Denn dort sind NSAR in Großpackungen im Supermarkt oder im Internet zu haben und das zu Billigpreisen, beispielsweise 1200 Ibuprofen-Kapseln für 10,87 US-Dollar. Wir haben dazu Professor Hartmut Derendorf befragt, der als deutscher Apotheker schon lange in den USA lebt und in Gainesville an der University of Florida lehrt und forscht.

DAZ: In den USA können Sie NSAR in Familienpackungen im Supermarkt kaufen. In Deutschland wäre das nicht vorstellbar. Wirkt sich das auf das Bewusstsein der Patienten hinsichtlich der Risiken, die die Substanzen mit sich bringen, aus und ist der Umgang mit NSAR in den USA daher anders als der Umgang in Deutschland?

Derendorf: Da sprechen Sie einen wunden Punkt in der amerikanischen Arzneimittelversorgung an. Es hat sich in den letzten 20 Jahren so viel Positives getan, was die patientenorientierte Tätigkeit von Apothekern angeht, aber auf diesem Gebiet sind die Apotheker außen vor. OTCs können in Supermärkten und im Internet in jeglichen Mengen von Patienten gekauft werden, ohne dass pharmazeutisches Personal involviert ist. Die in Ihrer Frage genannte Vision von der „Familienpackung“ ist hierbei noch verniedlichend, denn es gibt Packungen von bis zu 1200 Kapseln zum Preis von etwa 10 Euro. Natürlich hat dies einen Einfluss auf das Bewusstsein der Patienten, die diese Produkte in der Regel als harmlos und ungefährlich bewerten.

DAZ: Wären mit einer generellen Verschreibungspflicht und somit einer ärztlich kontrollierten Einnahme alle Probleme gelöst?

Derendorf: Ich glaube nicht, dass eine generelle ärztliche Verschreibungspflicht der richtige Weg ist. Dies ist ein Gebiet, wo Apotheker eingebunden werden müssen, um sicherzustellen, dass Missbrauch vermieden wird. In den weitaus meisten Fällen ist beim Einsatz der verschreibungsfreien NSARs kein Arztbesuch nötig. Eine ärztliche Verschreibung dieser Präparate wäre unverhältnismäßig aufwendig und verursacht unnötige Kosten. Die derzeit verschreibungsfreien Präparate sind für die meisten Patienten in den empfohlenen Dosierungen und Einnahmedauern verlässlich und haben ein vertretbares Verhältnis von Benefit zu Risiko. Aber es muss halt jemand da sein, der dies kompetent betreut. Eine Erweiterung der Warnhinweise auf der Packung ist hier nicht ausreichend.

DAZ: Welche Rolle können die Apotheker spielen, um die Sicherheit der NSAR (Rx und OTC) zu verbessern?

Derendorf: Ich glaube, das System in Deutschland mit einer Apotheken- bzw. Verschreibungspflicht ist der richtige Weg. Die Apotheke kann hierbei sicherstellen, dass der unkontrollierte Gebrauch der apothekenpflichtigen Substanzen eingeschränkt ist. Natürlich ist kein System wasserdicht, aber Apotheker sind am besten in der Lage, Patienten beim Einsatz dieser Präparate zu beraten und auch an einen Arzt zu verweisen, wenn dies nötig ist. Die neuen Daten, auf die sich die FDA bezieht (http://www.fda.gov/Drugs/DrugSafety/ucm451800.htm), zeigen, dass das Risiko für einen Herzinfarkt oder Schlaganfall mit der Dosis und Dauer der Einnahme steigt. Generell sind Patienten mit kardialen Vorerkrankungen oder Risikofaktoren gefährdeter. Daher rät die FDA, Patienten, die während einer NSAR-Behandlung Symptome wie Brustschmerz, Kurzatmigkeit, verwaschene Sprache oder Schwächen auf einer Körperseite haben, sofort an einen Arzt zu verweisen. Die Rolle der Apotheker zur Sicherstellung des optimalen Einsatzes dieser Substanzen ist also essenziell.

DAZ: Vielen Dank für das Gespräch. |

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.