Therapietreue

Drohender Anfall

Mangelnde Therapietreue bei Epileptikern – Ursachen und Maßnahmen

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Von Lillian Reiter | Bei der Epilepsie wird die medikamentöse Behandlung meist durch Serumspiegelmessungen kontrolliert, da bei den meisten Antiepileptika eine Beziehung zwischen Wirkstoffkonzentration und Effekt etabliert ist [1]. Optimal ist, wenn sich der Serumspiegel des Antiepileptikums im Fließgleichgewicht (steady-state) im therapeutischen Bereich befindet. Im therapeutischen Bereich ist normalerweise die Wirkung des Medikamentes am besten und die Gefahr von unerwünschten Wirkungen am geringsten. Antiepileptika haben ein hohes pharmakokinetisches Interaktionspotenzial; sie können sowohl enzyminduzierend als auch enzymhemmend auf andere Antiepileptika sowie zusätzlich eingenommene Medikamente wirken. Bei unerklärlich hohen oder niedrigen Serumkonzentrationen können Interaktionen die Ursache sein. Es ist zu empfehlen, dass vor Behandlungsbeginn eventuelle potenzielle Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten abgeklärt werden. Sehr niedrige und fast nicht messbare Werte deuten dagegen eher auf Non-Adhärenz hin.

Gerade bei Patienten mit Epilepsie ist die Wirksamkeit der anfallsvorbeugenden Behandlung davon abhängig, dass der Patient die Medikamente wie verschrieben einnimmt. Weichen Patienten bewusst von der Therapieanweisung ab, können medizinisch-pharmakologische Probleme die Ursache sein (z. B. Nebenwirkungen, Schwangerschaften). Versehentliche Non-Adhärenz beruht meist entweder auf einer unzureichenden Beratung des Patienten oder auf Schwierigkeiten seitens des Patienten, z. B. an die Medikamenteneinnahme zu denken oder bei der Einnahme verschiedener Medikamente, diese nicht zu verwechseln [2, 3]. Dazu kommt noch, dass viele Antiepileptika kognitive Nebenwirkungen haben können, was mit zum Vergessen der Medikamenteneinnahme beitragen kann.

Nebenwirkungen als Ursache für Non-Adhärenz

Eine komplette Anfallskontrolle ohne Nebenwirkungen ist das Behandlungsziel bei Patienten mit Epilepsie. In einer Studie mit Patienten mit neudiagnostizierter Epilepsie hatten 37% einen guten Effekt durch die Behandlung mit einem Antiepileptikum, das heißt sie wurden innerhalb eines Zeitraumes von sechs Monaten anfallsfrei [4]. Bis zu 70% der Patienten können erwarten, dass sie mit einer optimalen antiepileptischen Behandlung anfallsfrei werden [3]. Schlechte Adhärenz führt jedoch in der Regel zu einem reduzierten Behandlungserfolg, unerwünschten Wirkungen und zu erhöhter Mortalität und Morbidität, da sich das Anfallsrisiko, Risiko für Verkehrsunfälle, Frakturen und Krankenhauseinweisungen erheblich erhöht [3]. Studien haben gezeigt, dass fast 40% aller Patienten mit Epilepsie nicht therapietreu sind. Cramer et al. konnten in einer Studie mit 661 Patienten zeigen, dass etwa 71% der Patienten gelegentlich eine Dosis auslassen und 45% dieser Patienten im Anschluss an eine vergessene Dosis eine epileptische Episode hatten [5].

Eine wichtige Ursache für mangelnde Therapietreue sind die Nebenwirkungen der Therapie mit Antiepileptika. Manche Patienten empfinden sie als so belastend, dass sie entweder ihre Behandlung abbrechen oder die Arzneimittel anders einnehmen als verschrieben. Typische Nebenwirkungen von Antiepileptika sind Müdigkeit, Kopfschmerzen, Schwindel, Konzentrationsprobleme und gastrointestinale Nebenwirkungen wie Übelkeit, Bauchschmerzen, Verstopfung und Durchfall. Gewichtsreduktion (z. B. bei Topiramat) oder Gewichtszunahme (z. B. bei Valproinsäure) können vorkommen. Bei vielen Antiepileptika sind auch kognitive und psychische Nebenwirkungen keine Seltenheit. Die Behandlung mit Antiepileptika wird einschleichend begonnen und die Dosis stufenweise erhöht, um, gerade in der Startphase, unerwünschte Wirkungen zu vermeiden oder möglichst gering zu halten. Treten beträchtliche Nebenwirkungen auf, wird die Dosis auf das vorherige Niveau reduziert und über einen längeren Zeitraum beibehalten. Vor allem Benommenheit und gastrointestinale Beschwerden werden von Patienten als Ursache für Non-Adhärenz angegeben [1].

Adhärenz

Die WHO definiert Adhärenz folgendermaßen: Unter Adhärenz versteht man das Ausmaß, in dem das Verhalten einer Person, also die Einnahme von Arzneimitteln, das Befolgen einer Diät und/oder eine Lebensstiländerung, mit den Empfehlungen übereinstimmt, die mit dem Therapeuten vereinbart wurden.

Vor mehr als zehn Jahren identifizierte die WHO in ihrem 200-seitigen Report „Adherence to long-term therapies: evidence for action“ fünf Größen, die die Adhärenz eines Patienten beeinflussen [2]:

  • sozioökonomische Faktoren/Interventionen,
  • Gesundheitssystem-/Gesundheitspersonal-bedingte ­Faktoren/Interventionen,
  • Therapie-bedingte Faktoren/Interventionen,
  • Erkrankungszustand-bedingte Faktoren/Interventionen,
  • Patienten-bedingte Faktoren /Interventionen.

Risikopatienten

Es ist generell schwierig vorauszusagen, welche Patienten therapietreu sein werden. Allgemein lässt sich jedoch sagen, dass Betroffene, die von Freunden, Familie, ihrem Umfeld und dem behandelnden Arzt unterstützt werden, therapietreuer sind als Patienten, die Epilepsie-bezogene Ängste haben und sich stigmatisiert fühlen [6].

Specht erwähnt jedoch insbesondere fünf Risikogruppen, bei denen verstärkt auf Non-Adhärenz geachtet werden sollte.

Jugendliche mit Epilepsie können gut gemeinte, ärztliche Empfehlungen – ähnlich wie bei ihren Eltern – als lästige Bevormundung oder unzulässige Einmischung in ihre persönlichen Angelegenheiten empfinden. Jugendliche wollen möglichst normal sein und nicht zu sehr auffallen. Die Angst vor Stigmatisierung infolge ihrer Epilepsie-Erkrankung ist hoch. Ratschläge zur Lebensweise wie frühes Schlafengehen, Meiden von zu viel Alkohol oder auch zur regelmäßigen Medikamenteneinnahme werden daher nicht immer angenommen. Eine kürzlich publizierte Studie hat bestätigt, dass junges Alter ein wichtiger Risikofaktor für Non-Adhärenz ist. In dieser Studie waren 37% aller Patienten jünger als 30 Jahre nicht therapietreu, im Vergleich zu 27% in der Gruppe der 30- bis 60-Jährigen und 10% in der Gruppe über 60 Jahre [7].

Eine weitere Risikogruppe sind anfallsfreie Patienten. Jeder Patient, der über längere Zeit anfallsfrei war, stellt infrage, ob er überhaupt noch Medikamente zur Behandlung braucht oder ob er diese absetzen soll, insbesondere wenn mehrere ausgelassene Dosen keine Konsequenzen hatten. Es ist wichtig, diesen Patienten klarzumachen, dass Anti­epileptika der symptomatischen Behandlung der verschie­denen Epilepsie-Formen dienen, jedoch die Epilepsie nicht heilen.

Bei Patienten mit neu diagnostizierter Epilepsie, einer weiteren Risikogruppe, sind laut Specht die „Akzeptanz der Dia­gnose einer Epilepsie und damit die Motivation zu einer medikamentösen Dauertherapie noch brüchig“ [6].

Zu der Gruppe von Risikopatienten gehören auch Patientinnen, die – insbesondere ungeplant – schwanger geworden sind. Diese Patienten setzen häufig ihre Antiepileptika ab, da sie befürchten, dass ihre Medikation zu Missbildungen bei dem Fötus führen kann. Ein abruptes Absetzen der Medikation kann jedoch zu epileptischen Anfällen bei der Schwangeren führen, die sich je nach Art und Intensität schädlich auf den Fötus auswirken können. Die Einnahme mancher Antiepileptika (z. B. Valproinsäure) kann in Einzelfällen zu Fehlbildungen des Fötus führen, daher vermeidet man im Allgemeinen eine Behandlung mit diesen Antiepileptika bei Frauen im gebärfähigen Alter. Trotzdem bedeutet es nicht, dass jede Schwangerschaft abgebrochen werden muss, wenn mit einem Antiepileptikum mit teratogenem Potenzial behandelt wurde. Behandlungsdauer, Art der Medikamente, Dosis und eventuelle Komorbiditäten sind unter den Faktoren, die in jedem Einzelfall vom behandelnden Arzt erwägt werden, bevor eine Empfehlung zur Schwangerschaft gegeben wird. Nützliche Informationen zu Antiepileptika in der Schwangerschaft und Stillzeit findet man beispielsweise auf den Internetseiten von Embryotox [8].

Patienten, die kognitiv nicht in der Lage sind,

medizinische Zusammenhänge zu verstehen oder sich an die Medikamenteneinnahme zu erinnern, gehören auch noch zu den Risikopatienten. Vor allem ältere, multimorbide oder auch psychisch instabile Patienten haben häufig Probleme, einem Therapieplan konsequent zu folgen [9]. Eingehende Aufklärung und Schulung von betreuenden Angehörigen kann wesentlich zur Verbesserung der Adhärenz beitragen.

Adhärenz oder Compliance

Nach Auffassung der WHO liegt der entscheidende Unterschied zwischen „adherence“ und „compliance“ in der Einbeziehung des Patienten in die Therapie. Unter „compliance“ wird das Umsetzen von therapeutischen Anweisungen (medical instructions) verstanden. „Adherence“ hingegen bedeutet, die „mit dem Therapeuten vereinbarten Empfehlungen“ (siehe auch Definition Adhärenz) umzusetzen. Der Patient wird als aktiver Partner angesehen, der keine Anweisungen sondern Empfehlungen erhält. Das Einverständnis des Patienten sowie die Kommunikation zwischen Patient und Heilberufler stehen im Vordergrund.

Vergessene Einnahme – was tun?

Eine Grundvoraussetzung für den anfallsvorbeugenden Effekt der medikamentösen Epilepsie-Behandlung ist eine stabile Serumkonzentration der jeweiligen Antiepileptika. Diese ist nur durch regelmäßige Einnahme der Medikamente zu erreichen. Jedoch weiß fast jeder, der ein Arzneimittel über längere Zeit einnehmen musste, wie leicht es ist, eine Dosis zu vergessen. Patienten sind über das Prinzip, vergessene Dosen nachträglich einzunehmen, oft nicht informiert oder lassen die Tabletten aus Angst vor „Überdosierung“ und damit verbundenen unerwünschten Wirkungen oft weg. In den meisten Beipackzetteln wird dies leider auch so empfohlen, „vermutlich, um die Hersteller vor eventuellen Schadensersatzansprüchen zu schützen“ [6]. In den meisten Fällen hat das Auslassen einer Dosis keine großen Konsequenzen. Bei einzelnen Patienten kann es jedoch zu Durchbruchanfällen führen. Eine grundlegende, pharmakokinetische Regel besagt, dass es vom Beginn einer medikamentösen Behandlung oder bei einer Dosisänderung fünf Halbwertszeiten dauert, bis das Fließgleichgewicht erreicht ist. Eine ausgelassene Dosis des Medikamentes kann mit einer unbeabsichtigten Dosisänderung verglichen werden. Es dauert somit wieder, korrekte Einnahme vorausgesetzt, fünf Halbwertszeiten bis das Fließgleichgewicht im therapeutischen Bereich erreicht wird.

Welchen Effekt hat nun die verspätete oder ganz ausgelassene Einnahme eines Antiepileptikums auf die Serumkonzentration? Da es ethisch nicht verantwortbar ist, Studien durchzuführen, in denen Patienten mit Epilepsie bewusst ihre Medikation nicht nehmen, wurde der Effekt einer ausgelassenen Dosis von einigen Antiepileptika in pharmakokinetischen Simulationsstudien untersucht. In diesen Studien wurde, basierend auf Serumkonzentrationsmessungen der jeweiligen Antiepileptika bei Erwachsenen, der Effekt von verspäteten und vergessenen Medikamenteneinnahmen mithilfe von pharmakokinetischen Computermodellen simuliert. Dutta und Reed haben untersucht, welchen Effekt die ausgelassene Einnahme von Valproinsäure sowohl bei Patienten mit Monotherapie als auch bei Patienten hat, die zusätzlich enzyminduzierende Antiepileptika eingenommen haben [10]. Nach einer vergessenen Dosis wurde zum nächsten, vorgesehenen Dosierungszeitpunkt die doppelte Dosis verabreicht. Laut den Autoren der Studie konnte sowohl bei Monotherapie als auch Polytherapie das Risiko einer Überdosierung und somit einer möglichen Toxizität als gering bis moderat eingestuft werden. Eine ähnliche Studie wurde auch mit Lamotrigin durchgeführt (sowohl als Monotherapie als auch in Kombination mit enzyminduzierenden Antiepileptika) [11]. Die Resultate deuten darauf hin, dass die Einnahme einer doppelten Dosis nach einer ausgelassenen Einnahme zu keiner erhöhten Toxizität führt. Des Weiteren führt die Einnahme einer doppelten Dosis zu einer schnellen Rückkehr der Serumkonzentration in den therapeutischen Bereich des Medikaments. Die Autoren dieser Studie empfehlen, dass Patienten die vergessene Dosis sobald wie möglich, und falls es dem Patienten erst zum nächsten Dosierungszeitpunkt bewusst wird, die doppelte Dosis einzunehmen. Ähnliche Resultate wurden auch in Studien mit Carbamazepin gesehen [12, 13].

Mehrere Studien deuten darauf hin, dass die nachträgliche und notfalls doppelte Einnahme von Antiepileptika Schwankungen der Serumkonzentration möglichst gering halten kann und zudem zu kaum oder keiner Mehrbelastung durch dosisabhängige Nebenwirkungen führt. Dies gilt vor allem bei Antiepileptika mit kurzer bis mittellanger Halbwertszeit (Tab. 1). Phenobarbital, zum Beispiel, hat eine lange Halbwertszeit (50-150 Stunden), so dass der mittelbare Effekt auf die Serumkonzentration bei einer vergessenen Dosis eher geringfügig ausfallen wird. Bei Phenytoin wird von einer doppelten Einnahme aufgrund der komplizierten, nicht vorhersehbaren Metabolisierung des Wirkstoffes (Kinetik 0. Ordnung) abgeraten. Vereinzelt kann es bei hochdosiert eingestellten Patienten sinnvoll sein, die vergessenen Dosen zeitversetzt einzunehmen, um eventuelle dosisabhängige Nebenwirkungen zu reduzieren [6].

Tab. 1: Halbwertszeiten ausgewählter Antiepileptika
Substanz (Beispiele)
Halbwertszeit t ½
Carbamazepin (Tegretal®)
16 – 24 h; 9 – 10 h in ­Kombination mit enzym­induzierenden Antiepileptika
Phenobarbital (Luminal®)
50 – 150 h
Phenytoin (Phenhydan®)
im Durchschnitt 24 h, große interindividuelle Variation
Valproinsäure (Ergenyl®)
10 – 15 h
Gabapentin (Neurontin®)
5 – 7 h
Pregabalin (Lyrica®)
6,3 h
Lacosamid (Vimpat®)
13 h
Lamotrigin (Lamictal®)
im Durchschnitt 33 h, große interindividuelle Variation (14 – 103 h)
Levetiracetam (Keppra®)
ca. 7 h
Oxcarbazepin (Trileptal®)
Oxcarbazepin zu aktivem Metabolit MHD 1,3 – 2,3 h; MHD ca. 9 h
Topiramat (Topamax®)
ca. 21 h
Zonisamid (Zonegran®)
60 h
Eslicarbazepin (Zebinix®)
13 – 20 h

Sollten Patienten kurz nach der Einnahme einer Tablette erbrechen müssen, empfiehlt man bis zu einer halben Stunde nach Einnahme, dass dieselbe Dosis noch einmal eingenommen wird. Nach circa 1 bis 1,5 Stunden geht man davon aus, dass die Tablette den Magen passiert hat und ein Erbrechen zu keiner Einschränkung der Wirksamkeit führt. Wenn der Patient sich unsicher ist, wie viel Zeit seit der Einnahme vergangen ist, kann man empfehlen, sicherheitshalber die Hälfte der normalen Dosis erneut einzunehmen. Bei Durchfall kurz nach der Tabletteneinnahme geht man davon aus dass es nicht nötig ist, eine wiederholte Dosis einzunehmen.

Hilfen zur Verbesserung der Patienten-Adhärenz

Ein guter Dialog zwischen Arzt und Patient ist eines der wichtigsten Mittel zur Förderung der Adhärenz. Ausführliche Informationen zur Erkrankung, zur Behandlung und auch zu eventuellen unerwünschten Wirkungen können zur Verbesserung beitragen. Speziell sollte eine Non-Adhärenz aufgrund von unerwünschten Wirkungen direkt aufgefasst und mit den Patienten diskutiert werden. Die Dosierung der Medikamente kann durch einen Arzt umgehend angepasst oder die Therapie umgestellt werden.

Der Idealfall sieht eine Monotherapie mit einem Antiepileptikum vor. Die Verteilung der Gesamtdosis auf zwei Tagesdosen ist optimal, drei oder vier Tagesdosen sollten vermieden werden. Je öfter der Patient Medikamente über den Tag verteilt einnehmen muss, desto höher wird das Risiko für Non-Adhärenz. Wie oben schon erwähnt, ist es wichtig zu unterstreichen, dass bei den meisten Wirkstoffen vergessene Dosen nachträglich einzunehmen sind, um zu große Serumspiegelschwankungen zu vermeiden. Ein schriftlicher Dosierungsplan kann auch zur verbesserten Therapietreue beitragen. Dieser sollte dem Patienten sowohl zu Beginn der Behandlung als auch bei Medikamentenumstellung mitgegeben werden. Die Benutzung von Tages- oder Wochendispensern kann ebenfalls die Adhärenz verbessern, da dadurch leicht ersichtlich ist, ob die letzte Dosis eingenommen worden ist. Der zeitliche Abstand zwischen den Einzelgaben sollte in etwa gleich sein und die Einnahme der Medikamente täglich im gleichen Zeitraum stattfinden. Viele Patienten finden es schwierig, dies im hektischen Alltag zu befolgen. Ihnen kann zum Beispiel empfohlen werden, die Alarmfunktion des Mobiltelefons als Hilfsmittel zu verwenden. Für Smartphones gibt es mittlerweile auch Apps, die an die regelmäßige Medikamenteneinnahme erinnern [1, 3, 6].

Substitution von Antiepileptika

Antiepileptika gehören zu den Arzneimitteln, deren Austausch während einer laufenden Behandlung laut der Leitlinie zur „Guten Substitutionspraxis“ der Deutschen Pharmazeutischen Gesellschaft (DPhG) als kritisch anzusehen ist [14]. Viele Antiepileptika sind Arzneimittel mit geringer therapeutischer Breite, d. h. sie haben ein geringes Dosierfenster, in dem eine optimale, anfallsvorbeugende Wirkung mit möglichst wenigen Nebenwirkungen erzielt werden kann.

Auch wenn Präparate einen identischen Wirkstoff und die gleiche Wirkstoffmenge beinhalten, entsprechen sie in ihrer Bioverfügbarkeit meistens nicht vollständig dem Originalpräparat. Zwei Arzneimittel bezeichnet man als bioäquivalent, wenn innerhalb eines 90% Konfidenzintervalls die Bioverfügbarkeit eines Präparats 80 bis 125% des Referenzpräparats entspricht. Dieser Unterschied ist normalerweise nur ein Problem bei Arzneimitteln mit geringer therapeutischer Breite, wie z. B. bei einigen Antiepileptika. Werden während einer laufenden Behandlung mit Antiepileptika die Präparate ausgetauscht, kann der Unterschied in der Bioverfügbarkeit eine Veränderung des Blutspiegels bewirken. Eine geringe Blutspiegelschwankung kann bereits zu einem erhöhten Anfallsrisiko, erheblichen Nebenwirkungen und einem erhöhten Interaktionsrisiko führen. Daher sollte ein Wechsel von einem Originalpräparat auf ein Generikum, der Wechsel zwischen verschiedenen Generika oder von einem Generikum auf ein Originalpräparat während einer laufenden Behandlung vermieden werden [15, 16]. Anders ist es jedoch bei der Ersteinstellung auf ein antiepileptisches Arzneimittel oder bei der Umstellung eines nicht anfallsfreien Patienten auf ein anderes Antiepileptikum. In beiden Fällen können Generika meistens problemlos verwendet werden [15, 16]. Um eine Substitution bei einer bestehenden Einstellung zu vermeiden, empfiehlt die Deutsche Gesellschaft für Epileptologie eine eindeutige Information der Betroffenen oder ihrer Angehörigen. Der behandelnde Arzt soll bei Bedarf durch Ankreuzen des Aut-idem-Kästchens auf dem Rezept einen Austausch ausschließen [15]. Ist „aut idem“ nicht angekreuzt, kann und sollte der Apotheker den Austausch dennoch verhindern, indem er pharmazeutische Bedenken im Sinne des § 129 Absatz 2 SGB V geltend macht [14].

Akzeptiert der Patient trotz eingehender Beratung in der Apotheke den Austausch eines verschriebenen Präparates nach aut idem nicht, obwohl er aus fachlicher Sicht möglich wäre (Erstverordnung, Neueinstellung…), so kann und soll der Apotheker ebenfalls pharmazeutische Bedenken geltend machen. Denn bei Ablehnung der Therapie aufgrund eines Präparatewechsels ist mit einem Verlust der Adhärenz und in der Folge mit einer Verschlechterung des Krankheitsbildes zu rechnen [14, 16]. |

Referenzen

 [1] Drewe J. Compliance/Adherence und Epilepsie. Epileptologie 2008;25:92–97.

 [2] Non-Compliance. DeutschesApothekenPortal. http://deutschesapothekenportal.de/compliance.html.

 [3] Packham B. How to improve compliance with antiepileptic drugs. Prescriber 2009;5:12–20.

 [4] Brodie MJ et al. Patterns of treatment response in newly diagnosed epilepsy. Neurology 2012;78:1548–54.

 [5] Cramer JA et al. The relationship between poor medication compliance and seizures. Epilepsy behave 2002;3:338–342.

 [6] Specht U. Medikamenten-Compliance bei Epilepsie. Nervenarzt 2008;79:662–668.

 [7] Samsonsen C et al. Nonadherence to treatment causing acute hospitalizations in people with epilepsy: An observational, prospective study. Epilepsia 2014;55(11):125–128.

 [8] Embryotox. Arzneimittelsicherheit in Schwangerschaft und Stillzeit. www.embryotox.de

 [9] Faught E et al. Nonadherence to antiepileptic drugs and increased mortality; findings from the RANSOM Study. Neurology 2008;71:1572–78.

[10] Dutta S, Reed RC. Effect of delayed and/or missed enteric-coated divalproex doses on valproic acid concentrations: simulation and dose replacement recommendations for the clinician. J Clin Pharm Ther 2006;31:321–9.

[11] Chen C, Wright J, Gidal B et al. Assessing impact of real-world dosing irregularities with lamotrigine extended-release and immediate-release formulations by pharmacokinetic simulation. Ther Drug Monit 2013;35:188–93.

[12] Ding JJ, Zhang YJ, Jiao Z et al. The effect of poor compliance on the pharmacokinetics of carbamazepine and its epoxide metabolite using Monte Carlo simulation. Acta Pharmacol Sin 2012;33:1431–40.

[13] Garnett WR, McLean AM, Zhang Y et al. Simulation of the effect of patient nonadherence on plasma concentrations of carbamazepine from twice-daily extended-release capsules. Curr Med Res Opin2003;19:519–25.

[14] Deutsche pharmazeutische Gesellschaft e.V. Gute Substitutionspraxis. Leitlinie 2014.

[15] Deutsche Gesellschaft für Epileptologie. Empfehlung Generika 2013.

[16] Krämer G et al. Generika in der Epilepsietherapie- was ist zu beachten? Z Epileptol 2006;19:1–5.


Autorin

Dr. Lillian Reiter (geb.1977); Pharmaziestudium an der Universität Regensburg; Promotion im Bereich der Mikrobiologie an der Universität Oslo; seit 2013 Mitarbeiterin bei RELIS (regionales Arzneimittelinformationszentrum) in Oslo und im Spezialkrankenhaus für Epilepsie.

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