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Dermatologie
Reizende Natur
Hautschäden nach Kontakt mit der heimischen Flora und Fauna
Auch wenn die Natur in Mitteleuropa heute gezähmt erscheint, ist sie das bei Weitem nicht. Einheimische Pflanzen und Tiere bilden toxische Substanzen und sondern hautreizende Stoffe ab, die eigentlich der Verteidigung dienen und Fressfeinde abwehren sollen. Doch auch bei sensiblen Personen können Proteine allergieartige Hautsymptome auslösen, pflanzlicher Milchsaft, ein Gemisch aus Kautschuk, Guttapercha und Alkaloiden, kann die Haut reizen.
Ameisen, Bienen und Brennnesseln bilden Ameisensäure, einige Pflanzen wehren sich mit Mineralsalzen der Oxalsäure. Die beiden Carbonsäuren wirken haut- und schleimhautreizend, manchmal sogar ätzend. Stiche von Bienen, Wespen oder Hornissen verursachen lokal Rötungen, Schwellungen und Schmerzen – sind aber meist harmlos, solange der Stich nicht im Kopf- und Halsbereich oder der Mundhöhle sitzt. Eine systemische Wirkung ist zum Beispiel über Sekrete möglich, die Kröten und Lurche aus ihren Drüsenzellen absondern und die herzwirksame Glykoside enthalten können. Halluzinogene Alkaloide sind nicht nur als sekundäre Pflanzenstoffe zweikeimblättriger Pflanzen bekannt, sie kommen auch auf der Haut von Amphibien vor. Dass wir zunehmend häufiger mit hautreizenden oder toxischen Naturstoffen in Kontakt kommen, liegt auch an den veränderten Umweltbedingungen. Wärmere Temperaturen verlängern die Vegetationsperiode der Pflanzen, und eine erhöhte CO2-Konzentration in der Luft verstärkt das Wachstum und intensiviert die Blühphase. Dazu kommen extreme Niederschläge, so dass wärmeliebende Pflanzen und Tiere begünstigt werden, die oft ein allergenes oder toxisches Potenzial aufweisen.
Überraschung in Teich und Tümpel
In siedlungsnahen Gewässern lebt die Stockente (Anas platyrhynchos). Während der Erpel durch einen glänzend grünen Kopf auffällt, ist bei beiden Geschlechtern eine blau-weiße Raute im sonst schlichten braunen Gefieder ausgeprägt. Was man kaum vermutet: Unsere häufigste Schwimmente ist der Wirt parasitierender Saugwürmer (Trichobilharzia szidati), die in ihrer Darmwand siedeln. Die Eier werden mit dem Entenkot ins Wasser abgegeben, wo sie sich zu Schwimmlarven entwickeln. Diese Cercarien unterscheiden oft nicht zwischen menschlicher Haut und der Haut von Entenfüßen, ihrem eigentlichen Ziel. Nach dem Eindringen rufen sie ein Sensibilisierungsphänomen hervor, meist beim Zweitkontakt nach dem Baden oder Spielen im Wasser. Erste Anzeichen sind leichtes Jucken und rote Flecken am Ort des Eindringens. Oft werden diese Anzeichen ignoriert. Doch ungefähr 15 Stunden später tritt starker Juckreiz auf, mit Quaddeln und entzündeter Haut, der drei bis vier Tage anhält. Eine Sekundärinfektion durch Kratzen ist häufig. Zur symptomatischen Therapie können Antihistaminika eingesetzt werden.
Von oben unscheinbar, von unten leuchtend gelb-schwarz gemustert, dazu in Kinderhand-Größe: Die Gelbbauch-Unke (Bombina variegata) zieht das Interesse magisch an und verführt zum Untersuchen. Die Unke, die auf der Roten Liste der gefährdeten Arten steht, lebt in lehmigen Pfützen und Kleintümpeln im mittleren und südlichen Europa und in Mittelgebirgsregionen von West- und Süd-Deutschland. Wird die Unke berührt, scheidet sie ein schaumiges Sekret aus, in dem Serotonin, γ-Aminobuttersäure und zahlreiche Peptide enthalten sind. Das Sekret wirkt auf Haut und Schleimhäute des Menschen stark reizend und führt zu Niesen, Tränenfluss und Jucken.
Kröten gehören zu den wenigen Tieren, die psychoaktive Substanzen bilden. Bei Berührung sondert die heimische Erdkröte (Bufo bufo) aus Drüsen hinter den Augen und auf dem Rücken ein Sekret ab, das unter anderem das Halluzinogen Ortho-Methyl-Bufotenin enthält. Im Gift der Kröten sind biogene Amine (Adrenalin, Noradrenalin), Indolalkylamine (Bufotenin und Bufotenidin) und auch Steroide enthalten. Zu Letzteren gehört das Bufotoxin, das in Struktur und Wirkung den pflanzlichen Herzglykosiden ähnelt. Werden die Kröten angefasst, so kann das Sekret über die Hände an die Mund- und Nasenschleimhäute gelangen und hier Reizungen und Schwellungen auslösen. Wird das Sekret über den Mund aufgenommen und gelangt in den Blutkreislauf, so sind Vergiftungssymptome wie Brechreiz, Bluthochdruck und Halluzinationen möglich. Nach einer Berührung der Erdkröte sollte man sich die Hände waschen und einen Kontakt mit Mund- und Nasenschleimhäuten vermeiden. Als Erste-Hilfe-Maßnahme nach Kontakt mit Krötenhaut-Sekreten sollten die Schleimhäute gut mit Wasser gespült werden. Treten Vergiftungssymptome auf, so ist ein Arzt aufzusuchen.
Gespinste in Wiesen und Lichtungen
Der wärmeliebende Eichenprozessionsspinner(Thaumetopoea processionea) ist ein unscheinbarer grauer Schmetterling, der Ende Juli bis Anfang September in den Nachtstunden schwärmt. Die Weibchen legen die Eier im oberen Kronenbereich von Eichen (seltener Buchen) ab. Im Herbst entwickelt sich der Embryo, die fertigen Jungraupen überwintern im Ei, besonders gut in warmen, trockenen Wintern. Anfang Mai schlüpfen die Raupen. Sie durchlaufen bis zur Verpuppung fünf bis sechs Entwicklungsstadien. Nach der dritten Häutung bilden sich die für uns gefährlichen Brennhaare auf dem dunklen Rücken. Die Raupen fressen die Blätter der Eichen und schädigen die Bäume durch Licht- und Kahlfraß. Die Eichenprozessionsspinner leben in großen Familienverbänden und sammeln sich in Gespinstnestern. Diese können bis zu einem Meter lang werden und befinden sich am Stamm und in Astgabelungen der Bäume. Von dort aus begeben sich die Raupen wie in einer Prozession auf Nahrungssuche. Neben der akuten Gefahr durch herumfliegende Brennhaare in der Zeit, in der die Raupen aktiv sind, findet man auch in den alten Gespinstnestern an den Bäumen und im Unterholz immer noch eine hohe Konzentration an Brennhaaren. Bei Berührungen kann es immer wieder zu allergischen Reaktionen kommen. In den feinen Brennhaaren, die leicht abbrechen und durch die Luft getragen werden, befindet sich das Thaumetopoein, ein Protein, das die gefürchtete „Raupendermatitis“ auslöst. Nach Kontakt mit dem starken Allergen beginnt die Symptomatik mit extremem Juckreiz und Brennen, dann kommen lokale Hautausschläge mit Rötung und Papeln dazu, die an Insektenstiche erinnern. Am ganzen Körper bilden sich Quaddeln, das Kennzeichen einer Kontakturtikaria. Nicht nur die Berührung der Raupen ist gefährlich. Die Brennhaare gelangen auch leicht mit der Luft in die Augen und Atemwege. Die Schleimhäute von Mund, Nase und Rachen werden gereizt, Atemnot tritt auf. Bronchitis, schmerzhafter Husten und asthmatische Beschwerden können folgen. Häufige Begleitsymptome sind Schwindel, Fieber und Müdigkeit, in Einzelfällen auch allergische Schockreaktionen.
Als Erste-Hilfe-Maßnahme können kühlende Umschläge gegen Schwellungen, topische Glucocorticoide oder systemische Antihistaminika eingesetzt werden. Bei Atemnot und allergischen Reaktionen sollte ein Arzt aufgesucht werden. Sind Raupenhaare ins Auge gelangt, sollte ein Augenarzt konsultiert werden, der die Brennhaare entfernt.
Auch unscheinbare Gliederfüßler haben es in sich
Zwar spielen in Europa Vergiftungen mit Ameisen keine Rolle, doch wenn sich die Rote Waldameise(Formica rufa) in die Enge getrieben fühlt, dann beißt sie zu – und das kann bei empfindlichen Kindern schmerzhaft sein. Bei den meisten Ameisen ist der Stachel zurückgebildet, aber die Giftdrüse ist noch erhalten. Das Gift wird dann zur Verteidigung in Richtung des Eindringlings versprüht. Besonders schmerzhaft wird es, wenn die Ameisensäure in die Bisswunde gespritzt wird, in die Augen oder auf die Schleimhäute gelangt. Juckreiz und Schwellung der Haut sind typische Symptome.
Im Ameisengift ist ein breites Spektrum an Giftstoffen enthalten: niedermolekulare organische Stoffe wie Ameisensäure, Pheromone unterschiedlicher Struktur, Peptide und höhermolekulare Proteine. Die Rote Waldameise bildet bis zu 70%ige Ameisensäure, die die Haut reizt. Als einfache Vorsichtsmaßnahme sollte man darauf achten, wohin man sich im Freien setzt. Zur Ersten Hilfe werden keine besonderen Maßnahmen empfohlen, gelangt Ameisensäure in die Augen oder auf die Schleimhäute, so kann sie mit Wasser abgewaschen werden. Als natürliche Mittel empfehlen sich Kühlung, Auflegen einer Gurkenscheibe und Abreiben mit einer Zwiebelhälfte.
Vor der Gartenkreuzspinne(Araneus diadematus)
haben zwar viele Angst, aber auch der Biss größerer Tiere ist harmlos – abgesehen von einer Hautrötung und einem ordentlichen Schreck. Die Kreuzspinne enthält in ihrem Gift hauptsächlich Substanzen, die aus Polyaminen und einer Aminosäure bestehen, die an ihrer Aminogruppe substituiert ist. Diese Gifte (z. B. Argiopin und Argiotoxin) sind Antagonisten von Glutamat-Rezeptoren, wie sie an den Synapsen der Wirbellosen vorkommen, aber auch im Gehirn der Säugetiere. Für Insekten sind diese Verbindungen hochtoxisch, beim Menschen spielen sie keine Rolle, zumal die abgesonderte Giftmenge sehr gering ist.
Die Gefahr, die von Schlangen in Europa ausgeht, wird weit überschätzt. In den letzten 50 Jahren sind in Deutschland keine Todesfälle durch einheimische Giftschlangen bekannt geworden. Die Kreuzotter (Vipera berus), unsere einzige heimische Giftschlange, injiziert beim Beißen ein wirkungsvolles, Protease-haltiges Gift, das auch hämorrhagische Faktoren enthalten kann. Die Symptome sind vielfältig. Es kommt zu einem lokalen Hautödem nur um die Bissstelle bis hin zu einer sich weiter ausbreitenden Schwellung. Systemisch können Erbrechen, Durchfall, Bauchschmerzen und niedriger Blutdruck bis hin zum Kreislaufschock auftreten. Es steht in Deutschland zwar ein Antiserum zur Verfügung, das aber nur bei schweren Vergiftungen eingesetzt werden soll. Es wird eher symptomatisch behandelt. Als Erste-Hilfe-Maßnahme bei Schlangenbiss gilt die Beruhigung des Patienten. Die betroffene Extremität sollte ruhiggestellt, nicht gekühlt, aber auch nicht erwärmt werden. Auf gar keinen Fall sollte die Extremität abgebunden oder in die Bisswunde geschnitten werden. Statt dessen muss der Patient schnellstmöglich in ein Krankenhaus transportiert werden.
Trockene Wälder und Hänge sind das bevorzugte Revier des länglich-schwarzen Ölkäfers(Meloe proscarabaeus), dessen Hämolymphe Cantharidin in einer Konzentration von 0,5 bis 1% enthält. Aus der Familie der Ölkäfer am bekanntesten ist die „Spanische Fliege“ (Lytta vesicatoria). Bei Gefahr gibt der Ölkäfer aus den Beinsegmenten die giftige Monoterpen-haltige Hämolymphe in Form eines Tropfens ab. Nach Hautkontakt mit den Käfern oder mit ihren Sekreten bewirkt die hochreizende Substanz eine heftige Hautentzündung mit Blasen, die sich erst nach Stunden bilden. Als Erste-Hilfe-Maßnahmen sollte sofort mit Wasser gespült werden. Auch kühlende Umschläge, entzündungshemmende und schmerzlindernde Cremes können angewendet werden, Antihistaminika und Cortison-haltige Präparate beeinflussen nicht die Blasenbildung. Werden die Sekrete aus Versehen ins Auge gerieben, so kann es zu starken Schwellungen und zur Konjunktivitis kommen und es sollte ein Augenarzt aufgesucht werden.
Vorsichtsmaßnahmen
- Bei Ausflügen in die Natur und im Waldkindergarten: empfindliche Hautareale schützen (Hals, Nacken, Unterarme, Beine und Füße).
- Freilebende Tiere nicht anfassen, auch wenn sie niedlich erscheinen.
- Eine auffällige Farbe ist eine Warnfarbe und bedeutet: Kontakt vermeiden!
- Gespinstnester nicht berühren, sich nicht in der Nähe aufhalten oder auf den Boden setzen.
- Bei Kontakt mit haarigen Raupen: Duschen, Haare waschen, Kleidung bei mindestens 60 °C waschen.
- Bei Unsicherheit und Fragen ein Giftinformationszentrum kontaktieren (zum Beispiel das Gemeinsame Giftinformationszentrum der Länder Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen in Erfurt [GGIZ Erfurt], www.ggiz-erfurt.de)
- Bei Krankheitserscheinungen einen Arzt aufsuchen!
Noli me tangere – fass mich nicht an!
Der Riesen-Bärenklau(Heracleum giganteum), ein aus dem Kaukasus eingewanderter Doldenblütler, erreicht eine Höhe von drei Metern und ähnelt dem einheimischen Wiesen-Bärenklau. Diese invasive Art hat sich in den letzten Jahren so weit verbreitet, dass sie die lokale Pflanzenwelt zurückdrängt. Da das auch mit einem wirtschaftlichen Schaden einhergeht, wird in bestimmten Bereichen bereits eine Bekämpfung durchgeführt. Dabei ist der gezielte Einsatz effektiver Methoden über mehrere Jahre notwendig. Die Herkulesstaude gilt auch als Gesundheitsrisiko, da sie eine starke Hautreizung hervorruft. Als Ursache gelten phototoxisch wirkende Furanocumarine. Bei Kontakt mit den weißen Blüten oder mit dem Saft bildet sich in Kombination mit ultravioletter Strahlung eine scharf umgrenzte Rötung, es kommt zu Schwellung und Blasenbildung. Die Reaktion kann schon 15 Minuten nach dem Kontakt beginnen, maximal ist der Effekt nach einer halben bis zwei Stunden. Nach 24 Stunden bildet sich ein Erythem sowie Ödeme, die wie Brandblasen aussehen. Die Haut kann über Jahre empfindlich gegenüber UV-Strahlen bleiben. Als Erste-Hilfe-Maßnahme sollten die Hautstellen sofort mit Wasser und Seife gewaschen und vor Sonne geschützt und gekühlt werden. Stärkere Schäden werden mit sterilen Tüchern abgedeckt und dann sofort ein Arzt konsultiert.
Harmlos dagegen verläuft der Kontakt mit den Brennhaaren der länglichen, gezahnten Brennnessel-Blätter (Urtica dioica). Bei Kontakt bricht die Spitze der Brennhaare ab und Methansäure wird in die Haut injiziert, dazu Natrium-Formiat, Histamin, Serotonin und Acetylcholin. Es kommt zu einem brennenden Schmerz, Quaddelbildung und Entzündung – das klinische Bild der Nesselsucht (Urticaria). Als Erste-Hilfe-Maßnahme gilt Kühlung und Einreibung mit Apfelessig. |
Literatur
Mebs D. Gifttiere - Ein Handbuch für Biologen, Toxikologen, Ärzte und Apotheker. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart, 3. Auflage 2009
Beer A-M, Adler M (Hrsg.). Leitfaden Naturheilverfahren für die ärztliche Praxis. 1. Aufl. 2012, Urban & Fischer – Elsevier, München
Forth W, Henschler D, Rummel W. Pharmakologie und Toxikologie. 8. Aufl. 2001, Urban & Fischer, München – Jena
Hunnius: Pharmazeutisches Wörterbuch, 9. Aufl. 2004, De Gruyter, Berlin – New York
Lamy M et al. Thaumetopoein: an urticating protein from the hairs and integument of the pine processionary caterpillar. Toxicon 1986;24(4):374-456
Lüllmann H, Mohr K, Hein L. Pharmakologie und Toxikologie. 17. Aufl. 2010, Thieme, Stuttgart
von Ribbeck J. Schnelle Hilfe für Kinder. 1. Aufl. 2001, Beust, München
Wenk P, Renz A. Parasitologie. 1. Aufl. 2008, Thieme Stuttgart
Autorin
Diplom-Biologin Dr. rer. nat. Christine Reinecke arbeitet freiberuflich auf dem Gebiet der medizinisch-wissenschaftlichen Information mit Schwerpunkt Naturheilkunde und ist seit vielen Jahren auch als Autorin tätig.
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