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- DAZ 12/2015
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Arzneimittel und Therapie
Von kleinen Unterschieden
Statine sind nicht alle gleich
CSE-Hemmer sind die Wirkstoffe der Wahl zur Behandlung erhöhter LDL-Cholesterol-Spiegel. Sie sind jedoch beileibe nicht alle gleich, wie Prof. Dr. Dieter Steinhilber vom Institut für Pharmazeutische Chemie der Universität Frankfurt darlegte. Hinsichtlich ihrer Pharmakokinetik unterscheiden sie sich sogar deutlich. So schwanken die Absorptionsraten zwischen 30% (Atorvastatin) und 98% (Fluvastatin). Auch bei den Bioverfügbarkeiten gibt es bemerkenswerte Abweichungen (z. B. Fluvastatin: 20 bis 30% im Vergleich zu den beiden Prodrugs Lovastatin und Simvastatin: < 5%).
Hinsichtlich der Stärke der eigentlichen Hemmwirkung auf die HMG-CoA-Reduktase gibt es keine großen Unterschiede. Hier ist nur das erheblich potentere Pravastatin als „Ausreißer“ anzusehen. Ein wichtiges Unterscheidungskriterium bei Statinen ist jedoch laut Steinhilber die Hepatoselektivität. Diese ist ausdrücklich erwünscht, um eine ausgeprägte LDL-Senkung zu erzeugen. Die Hepatoselektivität liegt in der Hydrophilie der Wirkstoffe in Verbindung mit der aktiven Aufnahme, unter anderem durch ein Leber-spezifisches Transportprotein für organische Anionen (OATP1B1) begründet. Sie ist besonders ausgeprägt bei Pravastatin, Atorvastatin und Rosuvastatin.
CYP-Interaktionen
Bis auf Pravastatin und Rosuvastatin interagieren zwar alle derzeit auf dem Markt befindlichen Statine klinisch relevant mit dem CYP-Enzymsystem, allerdings in unterschiedlichem Ausmaß. Ein hohes CYP-Interaktionspotenzial haben Lovastatin (CYP3A4, CYP2C8) und Simvastatin (CYP3A4), während das von Fluvastatin (CYP2C9) und Atorvastatin (CYP3A4) eher niedrig angesiedelt ist. Zu den CYP3A4-Inhibitoren, die deshalb die periphere Verfügbarkeit der jeweiligen Statine erhöhen, gehören neben Grapefruitsaft einige Arzneidrogen wie Baldrian und Ginseng, Antimykotika (z. B. Itraconazol), Proteasehemmer aus der HIV-Therapie (z. B. Ritonavir) oder auch viele Makrolidantibiotika. So steigert Clarithromycin die AUC von Simvastatinsäure auf das Zehnfache und diejenige von Atorvastatin und Pravastatin etwa auf das Vier- bzw. Zweifache. Auch ein Polymorphismus des für das Leber-Transportprotein OATP1B1 kodierenden Gens kann die Exposition erhöhen.
Die unterschiedlichen Eigenschaften der Statine spiegeln sich auch in der klinischen Wirksamkeit wider. Sie unterscheiden sich nämlich im Ergebnis deutlich hinsichtlich ihrer Potenz. Mit den neueren Wirkstoffen wie Atorvastatin und Rosuvastatin lässt sich bereits mit erheblich geringeren Dosierungen eine höhere Senkung des LDL-Cholesterol-Spiegels erzielen als mit den älteren Statinen. Zwei Beispiele dazu: 10 mg Atorvastatin entsprechen 20 mg Simvastatin oder 40 mg Lovastatin. 5 mg Rosuvastatin entsprechen 20 mg Atorvastatin, 40 mg Simvastatin oder 80 mg Lovastatin. Nur Atorvastatin und Rosuvastatin lassen deshalb laut Steinhilber eine intensive Statin-Therapie zu. Außerdem ist die höhere klinische Wirksamkeit der neueren Statine wegen der hohen Hepatoselektivität nicht mit einer erhöhten Rhabdomyolyse-Gefahr, der gravierendsten Nebenwirkung der Statine, verbunden.
Einzeldosis[mg] | Tageshöchst-dosis [mg] | Plasmaeiweißbindung [%] | Bioverfügbarkeit [%] | Halbwerts-zeit [h] | tmax [h] | Elimination [%] | CYP-Beteiligung | |
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Atorvastatin | 10 bis 20 | 80 | 98 | 12 | 14 | 1 bis 2 | biliär 95 | CYP3A4-Inhibitor |
Fluvastatin | 20 bis 80 | 80 | 98 | 24 | 2,3 | 2 | biliär | hauptsächlich über CYP2C9 metabolisiert, potenter CYP2C9-Inhibitor |
Lovastatin | 10 bis 40 | 80 | 95 | 5 | 1,4 | 2 bis 3 | biliär | CYP3A4-Inhibitor |
Pravastatin | 5 bis 40 | 40 | 43 bis 55 | 17 | 1,5 bis 2 | 1 bis 1,5 | biliär renal 20 | kaum über CYP450 metabolisiert |
Rosuvastatin | 5 bis 10 | 40 | 90 | 20 | 19 | 3 bis 5 | renal 10 | über CYP2C9 und CYP2C19 metabolisiert |
Simvastatin | 5 bis 40 | 40 | 95 | 5 | 1,9 | 1,7 | biliär 60 | CYP3A4-Inhibitor |
Quelle: Arzneimitteleinnahme: wann – wie viel – womit, 2. Auflg. 2005, WVG Stuttgart |
Nutzen-Risiko-Verhältnis
Ob Statine deshalb auch ein unterschiedliches Nutzen-Risiko-Verhältnis haben, lässt sich nach Steinhilbers Einschätzung jedoch aus den zahlreich vorhandenen Studien nicht ableiten, da diese kaum vergleichbar sind. Vor diesem Hintergrund geben die Leitlinien der Deutschen bzw. der Europäischen Gesellschaften für Kardiologie im Gegensatz zu denen der American Heart Association bzw. des American College of Cardiology auch keine Empfehlungen zum Einsatz bestimmter Statine. Wie Dr. Hanna Seidling von der Abteilung Klinische Pharmakologie und Pharmakoepidemiologie am Universitäts-Klinikum Heidelberg resümierte, sind die pharmakodynamischen Wechselwirkungen der Statine eher Klasseneffekte, während die pharmakokinetischen je nach Statinen unterschiedlich sein können. Unter dem Strich seien die Statine jedenfalls häufig die „Opfer“ einer Beeinflussung und nicht die „Täter“. Für die Praxis empfahl sie, immer auch die tatsächliche Relevanz einer Interaktion mit in die Betrachtung des Einzelfalls einzubeziehen. Für Seidling sind Interaktionen „relevant“, wenn sie einen schwerwiegenden Ausgang befürchten lassen und mit einer hohen Wahrscheinlichkeit auftreten. Bei der Entscheidung, ob ein Statin wegen einer befürchteten Wechselwirkung abgesetzt werden soll oder nicht, dürfe das kardiovaskuläre Risiko des Patienten nicht außer Acht gelassen werden. Beim Einsatz von Datenbanken zur Recherche und Abklärung von Wechselwirkungen sollte man sich nicht von der Flut der Warnungen „ermüden“ lassen, meint Seidling. Vielfach sei gar keine Warnung nötig, weil das Risiko einer Interaktion durch richtiges Senken der Dosierung des Statins ausgeschaltet werden könne. Die Packungsbeilagen der Präparate enthielten hierzu vielfach sogar recht klare Vorgaben. |
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