INTERPHARM 2015 – POP

In Kauf genommen

Zur klinischen Relevanz von Interaktionen mit psychiatrischen Arzneimitteln

ep | Interaktionen sind in der Psychopharmakotherapie häufig zu finden. Dabei können solche Arzneistoffkombinationen mit Interaktionspotenzial bewusst gewählt und sinnvoll sein. Einen für den Alltag sehr hilfreichen Überblick über die klinische Relevanz von Interaktionen mit Psychopharmaka gab Frau Prof. Dr. Kristina Friedland von der Universität Erlangen/Nürnberg im Rahmen des POP-Symposiums auf der Interpharm.

Zu Beginn stellte Professor Friedland einen Fall aus der Klinik vor, bei dem die Kombination aus Citalopram, Fentanyl und Amitriptylin zu einem Serotonin-Syndrom geführt hatte. Dieses Ereignis tritt nur selten als Neben- bzw. Wechselwirkung auf, ist dann aber potenziell lebensbedrohlich. Die Wahrscheinlichkeit für ein Auftreten steigt mit der Dosis und durch die Kombination mehrerer serotonerg ­wirkendender Arzneimittel.

Foto: Christian Hartlmaier

Prof. Dr. Kristina Friedland

Serotonin-Syndrom überschätzt

Laut Friedland wird die Bedeutung des Serotonin-Syndroms in Interaktionsdatenbanken oft überschätzt, weshalb die Patienten in der Offizin nicht unnötig verunsichert, sondern lediglich über Warnsymptome aufgeklärt werden sollten. Das Serotonin-Syndrom tritt in der Regel innerhalb der ersten 24 Stunden einer Therapie auf und kann in den meisten Fällen durch das Absetzen der entsprechenden Arzneistoffe beendet werden. Wenn die eingenommenen Arzneimittel allerdings sehr lange Halbwertszeiten haben, können die Symptome trotz Therapieabbruch persistieren. Deshalb muss zum Beispiel die Kombination aus dem irreversiblen MAO-Hemmer Tranylcypromin und dem SSRI Fluoxetin vermieden werden. Serotonin-verstärkende Effekte haben SSRI/SNRI, MAO-Hemmer, Lithium, Triptane sowie manche Opioide wie Fentanyl und Tramadol. Bei der in der Praxis häufig vorkommenden Interaktion zwischen Citalopram und Mirtazapin bzw. Venlafaxin ist davon auszugehen, dass die Kombination bewusst so gewählt wurde, weil ein Antidepressivum alleine keine ausreichende Wirkung zeigte. Auch die klinische Relevanz der Interaktion von SSRI mit Triptanen ist relativ gering.

QT-Zeit: dosisabhängig verlängert

Eine andere Wechselwirkung, die häufig von Datenbanken gemeldet wird, betrifft die Kombination mehrerer Medikamente, die die QT-Zeit verlängern können. Zur Beurteilung der Relevanz empfiehlt Prof. Friedland auf weitere Risikofaktoren wie weibliches Geschlecht, Bradykardie, Alter > 65 Jahre, angeborenes QT-Syndrom, Hypokaliämie und andere Elektrolytstörungen zu achten. Da die Gefahr der QT-Verlängerung dosisabhängig steigt, sollte außerdem die Leber- und Nierenfunktion überprüft werden. In der Apotheke kann man den Patienten fragen, ob vor bzw. unmittelbar nach Therapie-Beginn ein EGK durchgeführt wurde. Zudem sollte man bei Berichten über Herzstolpern wachsam sein. Wird im EKG eine QT-Zeit > 500 ms festgestellt, sollten die Arzneimittel abgesetzt werden, um die Entstehung von lebensbedrohlichen Torsade-Tachyarrhythmien zu verhindern.

SSRI und das Blutungsrisiko

SSRI erhöhen außerdem das Blutungsrisiko, was zu Interaktionen mit NSAR und ASS führt. Hier ist vor allem das gastrointestinale Blutungsrisiko betroffen, das durch die Kombination von SSRI plus NSAR verglichen mit SSRI alleine nahezu verdoppelt wird. Zu beachten ist hier, dass diese Interaktion nicht dosisabhängig ist. Ältere Menschen sowie Personen mit Ulcus in der Vorgeschichte sollten entsprechende Kombinationen deshalb möglichst nicht erhalten, wobei der Einsatz von Diclofenac sowie aufgrund der hohen Affinität zum Serotonin-Rezeptor Fluoxetin, Sertralin und Paroxetin als besonders kritisch anzusehen ist. Ist die Kombination unumgänglich, kann das Risiko durch zusätzliche Gabe von PPI bzw. Antazida vermindert werden. Nicht erhöht ist hingegen die Gefahr für das Erleiden eines hämorrhagischen Schlaganfalls durch SSRI. Zur Kombination von Ginkgo-biloba-Präparaten mit Blutgerinnungshemmern stellte Prof. Friedland einige Studien vor. Diese deuten darauf hin, dass die theoretisch erhöhte Blutungsneigung nicht klinisch relevant ist.

Problem Sedierung

In weiteren Fallbeispielen wurde die Bedeutung der additiven Sedierung besprochen, die in der Psychiatrie häufig gewünscht ist, sowie die Kombination mehrerer anticholinerg wirkender Arzneimittel. Hier sollte man zu Beginn der Therapie und vor allem bei alten Patienten besonders sensitiv sein und auch auf Komorbiditäten achten. Neben den kognitiven Beeinträchtigungen können Anticholinergika zu einem Harnverhalt führen, weshalb sie bei einer gleichzeitig vorliegenden Benignen Prostatahyperplasie nicht angewendet werden sollen.

CYP-Interaktionen

Abschließend stellte Prof. Friedland Beispiele für pharmakokinetische Interaktionen bei psychiatrischen Medikamenten vor. Bei Arzneistoffen wie Venlafaxin und Aripiprazol, die über CYP2D6 verstoffwechselt werden, können Dosisanpassungen erforderlich sein. Diese können durch die Kombination mit CYP2D6-Inhibitoren aber auch durch das Vorliegen einer genetischen Variabilität notwendig sein. Der Wirkspiegel von Aripiprazol sinkt durch den CYP3A4-Induktor Carbamazepin um knapp 70%, ein Therapeutisches Drug Monitoring ist notwendig. Wird Carbamazepin nach einer gleichzeitigen Therapie mit Quetiapin oder Morphin abgesetzt, muss sehr langsam heruntertitriert werden. Andernfalls können starke Nebenwirkungen auftreten, im Fall des Morphins beispielsweise eine Atemdepression. |

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